Trauma Scheitern - was von der Insolvenz übrigbleibt

5.423 Unternehmen sind 2014 in die Insolvenz geschlittert - sie konnten ihre laufenden Verbindlichkeiten nicht mehr bedienen, bekamen keine Folgefinanzierungen durch Banken mehr, und mussten den Weg zum Konkursgericht antreten.

Hinter einer großen Anzahl dieser 5.423 Insolvenzen stehen aber auch die persönlichen Schicksale der betroffenen Unternehmer. Spricht man mit Menschen die in diese Situation gekommen sind, so bekommt man ein fatales Bild der Folge die dieses Scheitern in der unternehmerischen Praxis für den Einzelnen in Österreich mit sich bringt:

Neben der auf lange Jahre wirkenden Vernichtung der ökonomischen Basis - ein Eintrag in der sogenannten "Liste unerwünschter Kundenbeziehungen" der österreichischen Kreditinstitute läuft bis maximal vierzehn Jahre nach Insolvenz und reduziert die Möglichkeiten Bankverbindungen und Finanzierungsmöglichkeiten zu bekommen gegen 0 - sind es vor allem die sozialen Folgen der Insolvenz die die Ex-Unternehmer treffen.

Familien zerbrechen am wirtschaftlichen Druck, den dieser "Super-GAU" der selbständigen Tätigkeit aufbaut. Inkassounternehmen, Gerichtsvollzieher und Exekutionstitel - die Spirale dreht sich immer schneller und schlussendlich bleibt ein Berg an Schulden und ein Familienverband der oft nicht damit klarkommt, dass Mama/Papa/Partner/Partnerin nicht mehr "erfolgreich" ist.

Für den Unternehmer bleiben nach dem Scheitern des Unternehmens oft auch langjährige indiviuelle traumatische Spätfolgen: Für viele Betroffene sind auch Jahre nach dem Konkurs eingeschriebene Poststücke oder Rechtsanwaltsbriefe kaum zu verarbeitende Ereignisse - zu klar ist, dass jedes dieser Ereignisse wieder Belastungen bedeuten könnten, die die vielleicht mühsam wieder aufgebaute neue Existenz bedrohen könnten.

Auch in anderen sozialen Bereichen erleiden die Betroffenen Schäden: Viele von ihnen reduzieren ihre sozialen Außenkontakte dramatisch - die Angst von Dritten auf das eigene Scheitern angesprochen zu werden ist zu groß. Viele Ex-Unternehmer sind schlicht auch nicht mehr fähig aus eigener Kraft aus dem Teufelskreis zu kommen - sie sehen keine Möglichkeit mehr, sich eine neue wirtschaftliche Basis aufzubauen.

Erschwerend ist dabei auch, dass die Gesellschaft die Ex-Unternehmer in ihrer Not alleine lässt. In einer Zeit, in der in Österreich ein dichtes Netz an psychosozialen Unterstützungssystemen für Menschen in unterschiedlichsten Notsituationen gibt, ist der insolvente Selbstständige auf sich alleine gestellt. Es wird von ihm erwartet, dass er mit Masseverwalter, Gläubigern, Finanzamt und Sozialversicherung weiterhin alleine klarkommt. Weder Wirtschaftskammer noch andere Stellen bieten Begleitung in dieser traumatischen Situation an. Auch hinsichtlich der weiteren Zukunft der Betroffenen gilt nur das mitleidige "hilf dir selbst, sonst hilft dir keiner".

Natürlich gibt es auch die Einwände kritischer Betrachter, wonach die Unternehmer dieses Schicksal ja selbst gewählt hätten - niemand würde ja in die Selbstständigkeit gedrängt. Allerdings muß man diesem Argument  die aktuelle Situation am Arbeitsmarkt gegenüberstellen - 45 ist aktuell das neue 55. Wer heute mit 40+ Lebensjahren versucht, eine neue Beschäftigung zu finden wird sehr oft in Systemen landen, die in Selbständigkeit oder Scheinselbstständigkeit münden. Und damit dreht sich wieder das Rad in Richtung Risiko, und der Möglichkeit Schiffbruch zu erleiden.

Was bleibt ist die Erkenntnis, dass sich das Denken der österreichischen Gesellschaft zum Thema unternehmerisches Scheitern dramatisch ändern wird müssen. Wenn wir es nicht schaffen, Misserfolg als Möglichkeit selbständiger Tätigkeit zu akzeptieren, und dem Schicksal redlich gescheiterter Menschen empathisch gegenüberzustehen, so werden wir weiterhin volkswirtschaftliche Werte vernichten. Wir werden jene Individuen weiterhin ausgrenzen, die schon heute bereit sind, das Risiko zu übernehmen, welches es bedeutet in Österreich ein Unternehmen aufzubauen.

Das können wir uns aber nach vorne gerichtet in Wirklichkeit gar nicht mehr leisten.

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