In meiner Jugend gab es jeden Mittwoch einen Fixpunkt im Fernsehprogramm: Der Kasperl!
Der Kasperl lebte mit Petzi, dem Großvater und der Großmutter in trauter Eintracht, welche jedoch manchmal durch Aktivitäten des bösen Krokodils gestört wurde. Doch der Kasperl gemeinsam mit seinen Freunden schaffte es dann jedes Mal die Gefahr zu bannen, und so lebten die vier immer wieder glücklich weiter in ihrer Idylle.
Vier Wochen vor Weihnachten 2015 ist es mit der Idylle nicht mehr weit her - Zielpunkt hat nach einem sehr durchwachsenen Jahr 2015 mit der Kündigung von 2.500 Mitarbeitern einen worst case-Schlusspunkt gesetzt. Das die Insolvenz just zum Zeitpunkt der Auszahlung der Weihnachts-Sonderzahlung, ist wohl ein weiterer Negativ-Höhepunkt in der österreichischen Wirtschaftsgeschichte.
Was nun nach der Ankündigung der Insolvenz losgebrochen ist, kann man getrost als Stellvertreterkrieg zwischen Unternehmerschaft und ArbeitnehmerInnen/ArbeitnehmerInnenvertreter bezeichnen.
Wer die "Im Zentrum"-Sendung vom Sonntag gesehen hat, kann die Bruchlinien klar erkennen:
Auf der einen Seite der Unternehmer, der beständig beteuert, man hätte alles getan was möglich gewesen war, sei aber schlussendlich mit den Aktivitäten gescheitert. Man habe natürlich auch nur Schaden erlitten, der Ankauf des Immobiliennportfolios aus dem Zielpunkt-Unternehmen sei ja nur zum Zweck der Innenfinanzierung geschehen.
Die Gewerkschaft nimmt in der Zielpunkt-Insolvenz die Rolle des Rächers der gekündigten Mitarbeiter ein. Man hat sich von der ersten Minuten der Krise an in der Rolle des Unternehmer-Bashers gefallen. So jetzt auch bei der TV-Diskussion: Man werde Pfeiffer nicht davonkommen lassen, da stecke sicher ein Masterplan dahinter und überhaupt - wer sich mit der Gewerkschaft anlege werde schon noch sehen, was das einem einbringen werde.
Fakt ist, dass zum aktuellen Zeitpunkt niemand so genau sagen kann, wo die Wahrheit liegt - dem Zielpunkt-Mutterkonzern muss man vorwerfen extrem unsensibel und nicht nachvollziehbar gehandelt zu haben. Wer noch vor drei bis vier Wochen einen Mitarbeiterbrief mit der Message "Alles wird gut" verschickt und danach die Insolvenz verkündet kann nicht als irrsinnig professionell bezeichnet werden.
Der Gewerkschaft ist vorzuwerfen, dass der aktuelle Anlassfall als Möglichkeit gesehen wird, hochemotional eine Daseinsberechtigung für die Arbeitnehmervertretung abzuleiten - frei nach dem Motto "wir schützen Euch vor den Turbo-Kapitalisten". Das die Kommunikation der Gewerkschaft dabei aus externer Wahrnehmung zum Teil schon in den Bereich der Rufschädigung geht(wer hat bis jetzt Beweise vorgelegt, dass es den angesprochenen Masterplan gibt, wer kann Pfeiffer vorsätzliches Handeln in Bezug auf die angekauften Immobilien nachweisen?) ist die eine Sache, klar ist aber das hier die ohnehin zwiespältige österreichische Sicht des Unternehmertums noch einmal Schaden erleidet - welcher Unternehmer oder potentielle Unternehmer möchte als nächster Kandidat vor dem Tribunal des Herrn Kanzian sitzen?
Übrig bleiben auf jeden Fall die gekündigten Mitarbeiter - in der ohnehin schon sehr angespannten Arbeitsmarktlage der letzten Jahre sind zusätzlich 2.500 zu vermittelnde Arbeitslose (und hier wahrscheinlich vor allem Frauen im mittleren Alter und Teilzeitkräfte) ein kaum zu verkraftender Katastrophenfall. Die Konzentrationstendenz der letzten Jahre hat dazu geführt, dass die Position des Arbeitnehmers im Handel immer schwächer wurde - Fakt ist, dass Teilzeitmodelle und Arbeitskräfteüberlassung mittlerweile überall verwendet und akzeptiert sind. Wenn der Kunde heute in einem Outlet-Center das Geschäft einer Nobelmarke betritt, so kann es durchaus sein, dass die Mitarbeiter von einem Arbeitskräfte-Überlasser gestellt werden. Auch hier stellt sich die Frage, wo die bisherigen Aktivitäten der Gewerkschaft zu diesem Themenkreis lagen. Sowohl die Situation der Handelsmitarbeiter, als auch das Thema Scheinselbstständigkeit scheint für die Gewerkschaft ein zu komplexes Thema zu sein, als das man etwas gestalten könnte. Wenn heute auch noch der Vertreter des Handels in der WKO fordert, dass Kartellrecht aufzuheben, um "die Arbeitsplätze der Zielpunkt-Mitarbeiter zu sichern", so kann das nur als gefährliche Drohung gesehen werden.
Wer ebenfalls auf der Strecke bleibt ist der Konsument -mit dem Verschwinden von Zielpunkt ist die Handelkonzentration auf 3-4 Big Player noch intensiver zu spüren. Haben österreichische Konsumenten im Vergleich zu Deutschland schon heute zum Teil sehr viel höhere Preise zu bezahlen, so wird sich dies in Zukunft noch verschärfen.
Sowohl die Unternehmer-Seite als auch die Gewerkschaften richten aber auf jeden Fall Schaden an, wenn es darum geht die Rolle des Unternehmers im österreichischen Markt positiv zu platzieren. Niemand möchte als als Gewerbetreibender öffentlich unter Pauschalverdacht gestellt werden. Wenn man Seitens der Regierung permanent auf die Belebung des Wirtschaftsstandortes setzt, dann wird man auch hier ein professionelleres Miteinander-Umgehen zu Wege bringen müssen.
Wie man überhaupt vor dem Hintergrund der immer größer werdenden Anzahl an KMU´s und EPU´s im österreichischen Markt darangehen wird müssen, das Thema "Scheitern als Unternehmer" positiver zu besetzen, und auch die Möglichkeiten zu einem Neuanfang besser ausgestalten wird müssen. Die Punzierung als "Gescheiterter", das in tausenden Datenbanken für unendliche Zeiten festgeschrieben sein - Österreich kann es sich schlicht nicht mehr leisten, jene Mitglieder der Gesellschaft zu bestrafen, welche durch ihre Leistungs- und Risikoübernahmebereitschaft für Innovation und Steueraufkommen sorgen.
Klar ist, dass spätestens seit Zielpunkt jeder erkennen muss, das die österreichische Illusion von der Insel der Seligen eine flüchtige ist - wir gleichen eher Venedig, im Wissen das man im Wasser versinken wird. Dementsprechend unbefriedigend auch der Schluss - der Betrachter weiß nicht mehr, wer das Krokodil und wer der Kasperl ist, und von einem Weiterleben im Idyll keine Spur!