Während noch immer diverse mehr oder weniger Prominente ihr Mißfallen über das VfGh-Urteil publizistisch an die Öffentlichkeit bringen, gibt der Kandidat der FPÖ unbeeindruckt im Wahlkampf die Schlagzahl vor. Sein Gegner Alexander van der Bellen wollte sich mit seiner Mahnung an Hofer bezüglich EU-Austritt auf "elder statesman" positionieren - Hofer über die KRONE replizierte, dass er auch keinen Austritt wolle, da das Schaden für das Land Österreich bedeuten würde. Da sei man eben doch sehr anderer Meinung als LePen vom Front National. Damit war das Thema aber auch schon wieder gegessen, sehr viel Eindruck hat VdBs Initiative wahrscheinlich nicht hinterlassen - die Breitenwirkung von Hofers Statement war auf Grund KRONE-Cover doch beträchtlich.
Und Hofer/FPÖ wollen augenscheinlich das Momentum des Handelns auch nicht aus der Hand geben. Zwar kündigt man den Start des Wahlkampfs erst für Anfang September an, doch brisante Dinge werden schon vorher passieren: Nächste Woche will die FPÖ in an sie herangetragenen Fällen von Wahlkartenbestellung ohne Wissen des Wahlberechtigten in Pflegeheimen Anzeige gegen unbekannt erstatten.
Man kann davon ausgehen, dass damit die Stadt Wien frontal attackiert wird - denn schlussendlich haben schon 2010 FPÖ und Grüne damals noch in trauter Zweisamkeit den Verdacht auf Wahlkartenmanipulationen rund um den damaligen Wien-Wahlkampf erhoben. Damals ging es um fragwürdige Vorgehensweisen rund um Wahlkarten für die türkische Community (http://wiev1.orf.at/stories/474770)
Ausgehend vom VfGh-Verfahren kann man ziemlich sicher sein, dass die FPÖ Material hat, welches ihre Anzeige stützt - zu groß wäre die Blamage bei einer Niederlegung/nicht Weiterverfolgung einer solchen Anzeige. Die FPÖ will mit dieser Vorgehensweise wohl bis zu einem gewissen Grad auch das in der Urteilsbegründung des VfGh ausgeführte "Nichtauffinden von Manipulationen rund um die Stichwahl" konterkarieren. Wird die Anzeige weiterverfolgt, und es bleibt etwas hängen, hätte man yeitens der Blauen wohl ein weiteres Argument, warum man "dem Establishment" nicht vertrauen kann.
In der Gegenbetrachtung ist jetzt wohl auch Exekutive/Justiz gefordert, die Ermittlungen zur kommenden Anzeige ähnlich professionell und transparent abzuwickeln wie das auch der VfGh als Benchmark getan hat - man wird sehen, ob die österreichische Exekutive und auch die untergeordneten Justiz-Stellen ähnlich unabhängig und unbeeinflussbar sein werden wie das Höchstgericht.
Die Organe der Republik stehen aktuell daher unter massivem Druck, wenn es darum geht die demokratische Legitimation des aktuellen Status quo nachzuweisen - denn ein Prozess wegen zB Wahlkartenmanipulationen in Pflegeheimen mit einem möglichen Urteil zugunsten der FPÖ wäre sicher ein weiterer herber Schlag, vielleicht auch ein Schlag zuviel.
Vor dem Hintergrund dieser Schachzüge ist das Feilschen des Grünen-Kandidaten um einen "Nichtanfechtungspakt" irgendwie kindlich naiv - ganz abgesehen davon, dass das vertragliche Ausschließen demokratischer Grundrechte schon auch etwas über das mögliche Amtsverhältnis von VdB aussagt.
Franz Johann Morgenbesser from Vienna, Austria https://commons.wikimedia.org/wiki/File:2014_Norbert_Hofer_(15593676298).jpg