Zeltstädte für Flüchtlinge - wie man 60 Jahre Staatsvertrag auch feiern kann

Am 15. Mai 1955 wurde der Staatsvertrag zwischen Österreich und den Siegermächten des zweiten Weltkriegs unterzeichnet. Jener Staatsvertrag der Österreich wieder souverän machte, und zu jener Aufbruchsstimmung führte die unserem Land  Wohlstand und soziale Sicherheit brachte.

Die Republik Österreich hat sich auch ein tolles Programm zur Feier dieses Jubiläums einfallen lassen. Wir beginnen ab sofort mit dem Errichten von Zeltstädten um Flüchtlinge zu beherbergen. Das Anhaltezentrum Vordernberg, eigentlich als Schubhaftzentrum konzipiert wird ab sofort auch als Erstanhaltezentrum in Verwendung kommen.

Die Begründungen der Verantwortlichen dafür sind mittlerweile so haarsträubend, dass man als Staatsbürger eigentlich nur mehr beschämt den Kopf senken kann. Die Suche des Innenministeriums nach Quartieren in den Bundesländern war schon abgrundtief peinlich, und hat nur wieder einmal vor Augen geführt, wie das Resultat aussieht, wenn man neun Landesfürsten noch immer viel zu viel Mitspracherecht einräumt. In strikter Anwendung des Florianiprinzips wurde da von jedem Bundesland alles versucht, um nur ja keine/möglichst wenige Flüchtlinge aufnehmen zu müssen - wenn man die historischen Zustände im Quartier Saualpe bedenkt, muss man sich allerdings auch fragen, ob es für die betroffenen Flüchtlinge nicht vielleicht besser ist, nicht in solchen Zumutungen einquartiert zu werden. Das Resultat war, dass jeder Eigentümer eines halb verfallenen Hotels/Pension/Zinshauses seine Immobilie zur Unterbringung anbot - frei nach dem Motto "besser sicheres Geld, als ein leerstehendes Haus".

Jetzt allerdings wird diesem Wahnsinn eine Krone aufgesetzt. Wer das heutige Ö1-Morgenjournal gehört hat, weiß nun, dass es ein Problem in der Kommunikation zwischen Bundesstellen und den Ländern gibt. Denn  darauf angesprochen, dass die Bundesländer ja der Meinung sind, dass sie genügend freie Kapazitäten hätten entgegnete der verantwortliche Ministerialbeamte, dies sei ihm leider nicht mitgeteilt worden. Geht es noch?

Wir leben in einer Zeit von großen Unsicherheiten was die geopolitischen Realitäten angeht. Millionen Menschen haben die Wahl entweder die Flucht aus ihren Heimatländern anzutreten, oder in Bürgerkriegen/kriegsähnlichen Auseinandersetzungen getötet zu werden.Diese Menschen sind traumatisiert, ihre Familien oft zerrissen und sie nehmen große Entbehrungen und Gefahren auf sich, um eine neue sicherere Zukunft in Europa zu erreichen. Man kann darüber streiten, wieviele Flüchtlinge ein Land wie Österreich aufnehmen muss/sollte - vor dem Hintergrund, dass wir noch nicht einmal die Minimum-Zusage für syrische Flüchtlinge umgesetzt haben (und hier nehmen wir bitte nur Christen, Familien und wenn geht mit perfekten Deutschkenntnissen) erübrigt sich aus meiner Sicht aber jede Debatte. Man muss der österreichischen Politik vor allem auch große Naivität/Unwissenheit vorwerfen - denn frei nach Karim-El-Gawhary "es ist nicht die Frage, dass diese Menschen kommen werden. Die Frage ist nur wieviele und in welchem Zeitfenster".

Unser Umgang mit dem Leid anderer Menschen ist ein grausam technokratisierter. Wenn ich höre, dass Flüchtlinge von "spezialisierten Privatfirmen" betreut werden dann läuft mir die Gänsehaut auf. Wir wollen ihnen den Eindruck des nicht-gewünscht Seins vermitteln, damit sich möglichst viele potentielle Flüchtlinge den Weg nach Österreich vielleicht überlegen. Gespart wird, wo es möglich ist - Kinder und Jugendliche können wir leider nicht speziell betreuen, dass würde Geld kosten. Am Besten wäre es natürlich, wenn die Flüchtlinge überhaupt schon auf dem afrikanischen Kontinent in Lagern untergebracht würden. Verhandlungen mit Staaten wie Marokko, Tunesien laufen schon. Denn dann hätten wir das damit verbundene Leid weit entfernt, und nicht vor unserer Haustüre.

Nach Ende des Zweiten Weltkriegs haben die Siegermächte doch beträchtliche Unterstützungsleistungen gesetzt, um Österreich wieder auf die Füße zu helfen. Unsere Vorgenerationen haben diese Hilfe dankend angenommen, und das Beste daraus gemacht. Vor diesem Hintergrund sollten wir uns anlässlich dieses 60jährigen Jubiläums einmal ernsthaft die Frage stellen, was unsere Verantwortung gegenüber den Schwachen und Hilflosen dieser Welt ist. Denn dieses Thema ist zu schade und viel zu ernst, als das es auf dem Altar des Boulevard-Journalismus und den Niederungen der österreichischen Politik geopfert wird.

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manx fella Phil

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