Kritisch denkende Mitbürger sind bei uns herzlich willkommen! Oder im Original: „Participants are invited because they can offer a different point of view.”[1] Obwohl ich bis heute keine Einladung zu einer Bilderberger-Konferenz erhalten habe, werde ich Gästeliste, Agenda und Kritikpunkte der von 11. bis 14. Juni 2015 in Telfs-Buchen (Tirol) stattfindenden Konferenz genauer analysieren.

Es gab hier auf fischundfleisch vor einiger Zeit eine Diskussion darüber, wie weit Meinungsäußerungsfreiheit gehen darf, ob man Randpositionen veröffentlichen oder unterdrücken soll. Ein User hat die Bilderberger-Existenz dabei als Verschwörungstheorie abgetan. Das könne man doch nicht beweisen, hieß es damals. Es gebe so gut wie keine neutralen Informationen darüber. Das sei alles pure Erfindung, da passiere ohnehin nichts. Eines muss ich zugeben: ob der vielen bewusst falsch gelegten Fährten kann auch ich schwer auseinanderhalten, was als Verschwörungstheorie einzuordnen ist und was der Wahrheit entspricht. Daher diskutiere ich in diesem Beitrag nur objektiv belegbare Fakten.

Ich gehe davon aus, dass die offizielle Webseite[2] der Bilderberger „echt“ ist, also von den Veranstaltern verwaltet wird. Die Gästeliste der kommenden Veranstaltung ist zwar diesmal nicht das who-is-who (Obama, Merkel, Putin und Cameron haben diesmal wohl andere Sorgen) der Weltgeschichte, interessante Teilnehmer kommen dennoch zusammen. Hochrangige Politiker (José Manuel Barroso, früherer EU-Kommissionschef / Heinz Fischer / Jens Stoltenberg, NATO-Generalsekretär / Mario Monti / Ursula von der Leyen, deutsche Verteidigungsministerin), Wirtschaftsvertreter (Google, Siemens, Shell, OMV, Fiat Chrysler, Deutsche Bank, Airbus, JP Morgan, Raiffeisen), Geheimdienste (Thomas Ahrenkiel, Danish Intelligence Service) und Medienvertreter (Standard, Axel Springer, Gruner + Jahr, The Economist, TV Danmark, The Financial Times) werden als Teilnehmer genannt[3].

Auf der Agenda stehen: „Artificial Intelligence, Cybersecurity, Chemical Weapons Threats, Current Economic Issues, European Strategy, Globalisation, Greece, Iran, Middle East, NATO, Russia, Terrorism, United Kingdom, USA, US Elections“[4].Mich verwundert stark, warum man politische Ziele (die ja logischerweise besser in ein G7- bzw. G20-Format passen würden) wie die USA-Wahl oder die europäische Entwicklung hinter verschlossenen Türen besprechen möchte. Wenn man die Vorgehensweise der von der griechischen Bevölkerung gewählten Regierung als problematisch ansieht, dann kann man das doch öffentlich ausdiskutieren?

Nicht nur das journalistische Ich, sondern vor allem das demokratiepolitische Verständnis in mir möchte erfahren, was die von mir (mit-)gewählten Volksvertreter hinter verschlossenen Türen beschließen. Die Erklärung, warum keinerlei live-Informationen (wie zB. vom Hypo-Untersuchungsausschuss gewohnt) nach außen dringen sollen, klingt auf den ersten Blick logisch, auf den zweiten aber seltsam: „Participants are of course free to discuss the conferences and many do so every year. However, participants are asked not to quote each other. This is to ensure that the participants feel they can speak freely in an environment of trust.”Das bedeutet, die Anwesenden dürfen die Wahrheit sagen, einander aber nicht zitieren. Ja, vor wem haben sie denn Angst, wenn sie die Wahrheit sagen? Vor dem Wähler? Vor dem Volk? Befürchten sie einen Aufstand, oder gar einen Putsch, wenn die Wahrheit ans Licht kommt? Wer hindert die Politiker und Geheimdienstmitarbeiter im Alltag daran, die Wahrheit auszusprechen? Ist im Alltag das „environment of trust“ nicht vorhanden? Vertrauen sie den Bürgern nicht?

Roland Düringer hat in seinem letzten Beitrag („Ihr solltet auf keinen Fall andere für euch denken las­sen, sonst denkt nicht ihr, sondern ihr werdet gedacht. #politik #medien“[5]) ein hochrelevantes Thema angesprochen: solange wir nicht die verschiedenen Meinungen und Strömungen kennen, können wir uns kein vollständiges Bild machen und darauf basierend kluge Entscheidungen treffen. Daher mein Appell: ich möchte wissen, was bei den „Geheimverhandlungen“ (TTIP-Abkommen, Bilderberger-Konferenz, usw.) tatsächlich besprochen wird – und mehr Spielraum für eigene Ideen bekommen. Unser Mitspracherecht ist gewaltig eingeengt, ich darf alle fünf Jahre meine gültige Stimme in eine Urne werfen und hoffen, dass in meinem Interesse liegende Dinge erledigt werden. Es wäre technisch leicht machbar – und wahrscheinlich auch einer entsprechend hohen Beteiligung unterliegend – wenn man sich beispielsweise einmal pro Woche fünf Minuten Zeit nimmt, sich auf der Politik-Mitbestimmungsplattform einloggt und zu den innenpolitischen Top-Themen der vergangenen Tage Stellung beziehen kann („Soll in Österreich die Ehe für gleichgeschlechtliche Paare möglich sein?“ oder „Befürworten Sie eine rot-blaue Koalition im Burgenland?“) und die Ergebnisse verbindlichen Charakter haben. Weil es uns alle angeht!

Eine radikalere Möglichkeit, mehr Mitspracherecht zu bekommen, wäre schlichtes Ignorieren politischer Entscheidungen. Das Modell „Steuerzahlen“ funktioniert nur, wenn mehr als 90% der Bürger damit einverstanden sind und sich auch daran halten. Wenn zu viele Aussteiger bzw. Andersdenkende dabei sind, kann die aktuelle Regierungsform nicht mehr funktionieren (man stelle sich vor, ab morgen darf jeder für sich selbst beschließen, ob er oder sie weiterhin Steuern – und vor allem welche! – bezahlen möchte). Das System funktioniert ja nur deswegen weiter, weil wir daran glauben, dass es uns morgen gleich gut oder sogar besser geht, wenn wir die Spielregeln befolgen. Tja, was soll ich sagen – es gibt Staaten auf dieser Welt, die komplett ohne Steuersystem auskommen! Und den BürgerInnen geht’s dadurch auch nicht unbedingt schlechter – sie sind es halt gewohnt, auf ihre individuellen Bedürfnisse zu achten (Sozialversicherung ist im Grunde eine Risikogemeinschaft, der ich unfreiwillig angehöre) und entsprechend langfristig zu denken (und vor allem bringt das ein stabileres Gemeinschaftsleben hervor, wo man den anderen achtet und wertschätzt).

Um sein Leben optimal gestalten zu können, muss es einem ermöglicht werden (zB. Modul in der schulischen Grundausbildung), andere Systeme kennenzulernen und ausprobieren zu dürfen. Doch anstatt Aufbruchsstimmung zu verbreiten („Wir gestalten unsere Zukunft!“), wird in Österreich der 70. Jahrestag eines – vorsichtig ausgedrückt – überholten und fremdbestimmten Systems zelebriert! Ich bin gerne bereit, andere Perspektiven in den elitären Bilderberger-Zirkel einzubringen (erfülle damit die Grundvoraussetzung, um dabei sein zu dürfen) – ich warte auf meine Einladung!

Als ergänzende Informationsquelle kann ich das Buch von Daniel Estulin und seine Youtube-Videos empfehlen, in denen er ausführlich über die Entstehungsgeschichte und aktuelle Ziele der Bilderberger-Konferenzen spricht.

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