Liebe fischundfleisch-Community, ich würde gerne mit euch ein (Selbst-)Experiment beginnen, dazu erhoffe ich mir eure Inputs und Ergänzungen. Die Idee ist mir bei der Lektüre von Jaron Laniers Bestseller „Wem gehört die Zukunft?“ gekommen, dort beschreibt er eine beginnende Umbruchsstimmung, was den Wert der individuellen Daten betrifft – Lanier fordert datensammelnde Unternehmen dazu auf, ihre jeweiligen Profite mit ihren Datenspendern zu teilen, um so Reallohnverlust, hohe Arbeitslosigkeit in Entwicklungsländern (in extremen Fällen ist jeder zweite Jugendliche arbeitslos![1]) und vieles mehr abzufedern, denn eins ist klar: Kapitalismus (und damit das Grundprinzip jeder Plattform, die Werbung schaltet) funktioniert nur solange, als es genügend kaufkräftige Menschen gibt, die als Verbraucher fungieren. Oder noch dramatischer ausgedrückt: wenn Facebook seinen Erlös nicht mit den Nutzern teilt, wird es bald kein Facebook mehr geben.

Unternehmer tätigen mitunter hohe Ausgaben, um Werbeflächen zu buchen, an denen ihre potenziellen Kunden vorbeikommen. Den meisten Unternehmern geht es hierbei darum, mit möglichst geringem (finanziellem und zeitlichem) Aufwand eine hohe Anzahl von Interessierten zu erreichen. Beispielsweise über eine Facebook-Werbeanzeige – um die Werbeeinblendung bei genau den Personen zu erreichen, die man als Zielgruppe betrachtet, kann man viele Spezifikationen angeben: Alter, Wohnort, Geschlecht, Interessengebiete. Jetzt stellt sich natürlich die Frage, woher Facebook all diese Informationen (zuverlässig) bezieht. Einfache Antwort – weil die Nutzer diese Daten über sich preisgeben. Also, fassen wir das einmal zusammen: der Nutzer füttert die Plattform mit Informationen (ich denke da immer noch an MySpace oder SchülerVZ, wo man in einem primitiven Formularfeld „Schwimmen“, „Fußballspielen“, „mit Freunden treffen“ angeben konnte). Facebook sammelt diese Informationen, ein Unternehmen bezahlt Facebook für diese Informationen, dem Nutzer werden Werbeeinblendungen präsentiert. Daran ist per se nichts verkehrt, doch wenn man das ein wenig umformuliert, sieht das dann so aus:

Was würdest du dazu sagen, wenn ich dich bitte, mir deine Daten zu geben? Viele Leute machen da bereitwillig mit. Gleichzeitig willigst du ein, dass ich deine Daten miteinander verknüpfe und weiterverkaufe. Die Leistung des Plattformbetreibers besteht also darin, Informationen zu sammeln, zu verarbeiten und einen Käufer für die Daten zu finden. Dazu braucht es einen Gedankenblitz, ein großes Speichervolumen, ein wenig Programmierkenntnisse und ein kaufmännisches Gespür dafür, wem ich diese Daten verkaufen könnte. Das hat auch durchaus seine Berechtigung, und ich hege sogar eine gewisse Grundwertschätzung all jenen Menschen gegenüber, die sich kreativ betätigen und neue Dienstleistungen entwickeln (und mal ehrlich, Daten zu sammeln und zu verkaufen, das ist nichts anderes als eine Dienstleistung den werbeschaltenden Unternehmern gegenüber). Der einzige Haken an der Sache: derjenige, der die Daten zur Verfügung stellt, geht meist leer aus. Also bis auf die hübschen Bildchen, die zum Produktkauf animieren sollen. Die bekommt er gratis eingeblendet.

Aus diesen Überlegungen heraus möchte ich ein Auskunftsbegehren an Facebook richten, in dem ich das Unternehmen zur Zusendung ALLER über mich gespeicherten Informationen inklusive der Namen und Adressen der für Facebook tätig werdenden Dienstleister (die zur Datenverarbeitung herangezogen werden) auffordere (basierend auf § 26 österreichisches Datenschutzgesetz, dieses Auskunftsrecht steht jedermann gegenüber jedem Unternehmen kostenlos zur Verfügung). Ergänzen möchte ich diese Aufforderung zur Selbstauskunft (da ist auch schon der legendäre Max Schrems gescheitert) um die Bitte, mir 50% vom durch mich erwirtschafteten Profit auszuzahlen, etwa in folgender Formulierung:

„Liebes Facebook-Team!

Ihr bietet so unglaublich viele verschiedenen Möglichkeiten an, wie man verregnete Nachmittage in den eigenen vier Wänden verbringen kann. Mit eurer Plattform ist es möglich, Freud und Leid auch mit den Leuten zu teilen, die sich gerade an einem anderen Ort aufhalten, ich kann so langfristig mit meinen Kollegen und Freunden in Kontakt bleiben. Ich bewundere eure Geschäftstüchtigkeit, denn ihr habt es in wenigen Jahren vom Start-Up zum Weltkonzern geschafft. Es wird berichtet, dass Facebook allein im Jahr 2014 über 12 Milliarden Dollar Umsatz gemacht hat, rund ein Viertel blieb als Gewinn übrig[2]. Ich vermute, dass sich der Umsatz von Facebook größtenteils aus Werbeeinnahmen und Spieleverkäufen zusammensetzt. Bei den Werbeeinnahmen geht es aus meiner Sicht vor allem darum, Informationen von den Nutzern einzuholen (Interessengebiete, Alter, Geschlecht, Wohnort und vieles mehr) und diese Daten an befreundete Unternehmer weiterzuverkaufen. Ich möchte gern von Facebook wissen, wie viel ihr durch den Verkauf meiner persönlichen Daten verdient habt – die Hälfte der Erlöse steht selbstverständlich Facebook zu, weil ihr eine geniale Geschäftsidee umgesetzt habt. Die andere Hälfte überweist ihr bitte direkt auf mein Konto – denn ohne die wahrheitsgemäße Angabe meiner persönlichen Daten hätte Facebook auch keinen Erlös erzielen können.

Beste Grüße, Joachim“

Was meint ihr dazu? Ist es gerechtfertigt, von dem Unternehmen, das mit dem Verkauf meiner Daten hohe Erlöse erzielt, eine halbe-halbe Beteiligung einzufordern? Das kann man sich auch gerne als Daten-Flatrate vorstellen: ich gebe kontinuierlich Informationen über mich preis und möchte dafür eine pauschale Entlohnung (wie auch bei einem Werkvertrag, bei dem man sich ausmacht, dass ich beständig eine Leistung erbringe und dafür bezahlt werde). Bitte um eure Inputs!

Der durchschnittliche Klick auf Facebook-Werbeanzeigen bringt Facebook wohl tatsächlich nur Bruchteile von Cents ein, aber seltene Suchbegriffe auf Google können einige Euros wert sein. Besonders interessant ist das Geschäft mit Versicherungsdaten: für ein vollständig ausgefülltes Datenblatt (also inklusive Einkommen, Arbeitgeber, genaues Geburtsdatum, persönliche Vorlieben & Hobbies) fließen angeblich 158 (!) Euro vom Datenkäufer an den Datenerheber. Und der Datenspender geht leer aus?![3]

[1] https://www.fischundfleisch.com/blogs/politik/jugendgarantie-das-versprechen-an-eine-verlorene-generation.html

[2] http://www.spiegel.de/wirtschaft/unternehmen/facebook-steigert-gewinn-a-1015557.html

[3] https://www.youtube.com/watch?v=kYSJpaW6fNk und https://www.youtube.com/watch?v=Cq9Rq5KCjd8

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