Die Faszination, digitale Währungen nutzen zu können, um damit etwa unerkannt im Internet einzukaufen, oder um seine Vermögenswerte diebstahlssicher aufzubewahren, gibt es schon seit einiger Zeit. Wie viel ist bloß Hoffnung, und was funktioniert tatsächlich? In welche Richtung steuern die heimischen Gesetzgeber gerade? Welche Rolle wird Bargeld[1] in Zukunft haben? Wir haben den Bitcoin stellvertretend für viele andere Kryptowährungen gewählt, da dieses Modell derzeit verstärkt einem breiteren Publikum bekanntgemacht wird und sich daran viele Details aufzeigen lassen. Mein besonderer Dank geht an Rebecca Schönenbach, die diesen Beitrag gemeinsam mit mir zusammengestellt und überarbeitet hat.
Bitcoin[2] besteht seit 2009, die Geldeinheiten werden dezentral in einem Computernetz geschöpft (neu geschaffen) und verwaltet. Der immer noch unbekannte Gründer hat damit ein direktes Online-Zahlungsmittel kreiert, das ohne Vermittlerdienste wie PayPal oder Kreditkartenfirmen auskommt. Die einzelnen Bitcoins können beliebig zwischen den Teilnehmenden elektronisch verschickt werden, ihr Besitz wird durch einen kryptographischen Schlüssel nachgewiesen. Jede Transaktion wird in einer öffentlichen einsehbaren Datenbank aufgezeichnet – auch Papiergeld wie Euro oder US-Dollar kann gegen die digitale Währung eingetauscht werden[3]. Doch wo liegen die Gefahren und Probleme dieser einzigartigen Erfindung? 927 Personen[4] besitzen die Hälfte aller vorhandenen Bitcoins – das aktuell verfügbare Gesamtvolumen dürfte etwa 3 Milliarden US-Dollar wert sein (bei einem Kurs von 240 Dollar/Bitcoin und geschätzten 13 Millionen verfügbaren Einheiten). Der alltime-peak war vor etwa 18 Monaten, damals wurde das Gesamtvolumen mit 13 Milliarden US-Dollar bewertet[5]. Der letzte Bitcoin soll 2033 in Umlauf kommen, da immer aufwendigere Rechenleistungen (leistungsstarke PCs) erforderlich sind, je knapper die noch unentdeckten Ressourcen werden.
Der Staat sieht die Entwicklung einer privaten hochspekulativen Geldform jedoch nur ungern, verboten ist das Erschaffen und Tauschen von Bitcoins bisher nur in wenigen Ländern (verboten unter anderem Island und Russland / eingeschränkt nutzbar in China, Estland, Indien[6]). Die meisten Staaten haben sich weder für ein harsches Verbot ausgesprochen, noch bisher eindeutige gesetzliche Regelungen geschaffen. Mit den Bitcoins kann in verschiedenen Onlineshops und Webplattformen bezahlt werden, und seit 2013 gibt es in Vancouver einen Bitcoin-Automaten[7], der im Tausch gegen kanadische Dollar Einzahlungen und Abhebungen ermöglicht.
Es wird noch ein brisanter Wendepunkt werden, wie Österreich bzw. die EU-Staaten generell langfristig mit digitalen Währungen umgehen. Einerseits geht es um globales Wachstum und die zunehmende Bedeutung des Internethandels, andererseits verliert der Staat möglicherweise Steuereinnahmen und die Kontrolle über die Vermögensreserven der einzelnen Bürger – relevant im Zusammenhang mit möglichen Vermögenssteuern oder Schenkungssteuern. Wie will man eine dezentral verwaltete Währung erfassen?! Problematisch sind Hackerangriffe (zuletzt wurden Angriffe auf verschiedene Bitcoinbörsen, wie etwa Mt. Gox, bekannt), Spekulationsblasen (extreme Wertschwankungen, da die Währung „für sich selbst“ besteht) und der Verlust von Bitcoins (Serverabsturz ohne Backup/Sicherungskopie).
Blogger des Islamischen Staates (IS)[8] hielten 2014 ein überraschendes Plädoyer für Bitcoins, da die virtuelle Zahlungsmethode den Transfer von Geld an die kämpfenden Brüder ermöglichen würde, ohne dass die großzügigen Spender entdeckt und dadurch mit dem Gesetz in Konflikt gebracht würden. Zudem seien Bitcoins grenzübergreifend, ohne jede nationale Bindung und staatliche Kontrolle. Damit seien sie sozusagen die finanzielle Vorhut eines weltumspannenden Kalifats, das erklärte Ziel der kämpfenden Brüder und Schwestern. Außerdem würden Bitcoins die Möglichkeit bieten, um Steuerzahlungen an die Ungläubigen herumzukommen. Daher beteten die IS-Vertreter inständig um die schnelle Weiterentwicklung sogenannter Dark Wallets, virtuelle Portemonnaies, deren Verschlüsselung hohe Anonymisierungsgrade sicherstellen sollen.
Ein Dschihadistentraum, paradoxerweise geträumt in einer hochmodernen Welt. Und gegründet auf einen weit verbreiteten Mythos. Denn dass Bitcoin-Transaktionen anonym und nicht nachvollziehbar wären, ist schlicht ein Irrtum. Alle Bitcoin-Transaktionen werden öffentlich zugänglich verzeichnet. Nur Sender und Empfänger sind zunächst anonymisiert. Eine Anonymität, die sich schnell ändert, sobald z.B. legal Waren gekauft werden. Denn Händler sind zumeist mit dem realen Namen ihrer Firma öffentlich kontrollier- und nachvollziehbar. Damit werden auch die vorausgehenden und nachfolgenden Transaktionen zuordenbar. Zudem müssen sich auch Bitcoin-Händler der Know Your Customer-Regel verschreiben[9], weshalb sich jeder, der aus oder in den Bitcoin-Markt einsteigen will, identifizieren muss. Damit ist die Identität für immer mit einer eindeutigen Abfolge von Bitcoin-Adressen verbunden. Im Zweifelsfalle werden staatliche Ermittlungsbehörden darauf zugreifen und haben dies in der Vergangenheit auch schon getan.
Trotzdem können Bitcoin sowohl zur Geldwäsche als auch anderen illegalen Aktivitäten verwendet werden. In welchem Ausmaß dies geschieht, ist unklar, die Einschätzungen gehen weit auseinander. Während einige glauben, Bitcoins hätten ihr anfänglich enormes Wachstum hauptsächlich illegalen Aktivitäten wie Drogenhandel per Internet zu verdanken, halten andere das Ausmaß der illegalen Aktivität für äußerst gering. Geldwäsche funktioniert, indem zweifelhafte Zahlungen in viele legale Transaktionen eingeschleust werden und so die faulen Überweisungen in einer Menge unauffälliger Transaktionen untergehen. Um dem vorzubeugen, müssen Finanzinstitute die erwähnte Know Your Customer-Regel beachten und verdächtige Bewegungen melden. Sorglosigkeit und der Glaube, dass die Nutzung von Geld niemanden etwas angeht, wurde einem der Bitcoin-Pioniere, Charlie Shrem, zum Verhängnis[10]. Sein Unternehmen ermöglichte den Kauf von Bitcoin leichter und vor allem schneller als die üblichen Verkäufer. Einer seiner Kunden kaufte Bitoins, die er wiederum seinen Kunden zur Verfügung stellte, die damit bei Silk Road, einem Drogenumschlagplatz im Internet, einkauften. Der Zwischenhändler garantierte somit seinen Kunden Anonymität, da nur er sich als Käufer registriert hatte. Obwohl Shrems Unternehmen nie direkt mit Silk Road zu tun, sondern dem Zwischenhändler nur den Umtausch von US-Dollar in Bitcoin ermöglicht hatte, hätte er die verdächtige Häufigkeit und Größe der umgetauschten Summen melden müssen. Wie andere Finanzinstitutionen auch. Charlie Shrem wurde zu 2 Jahren im Gefängnis verurteilt, seine empörten Anhänger finanzierten seine Verteidigung. Dennoch war der Fall des Silk Road-Betreibers Ross Ulbricht und der von ihm mit in den Strudel gerissenen Bitcoin-Händler für die durch Ideologie geprägte Branche ein Weckruf.
Bitcoins standen nun nicht mehr nur für Freiheit und gegenseitige Cybersolidarität, sondern auch für Drogen, Kriminalität und eventuell sogar Terror. Damit haben Bitcoins tatsächlich den Schritt vom Hobby zum Zahlungsmittel geschafft. Denn Terrorfinanzierung und Kriminalität, meist eng miteinander verflochten, sind nicht an das jeweilige Zahlungsmittel geknüpft. Geld und Waren können immer für kriminelle Machenschaften missbraucht werden – je größer die Anonymität von Zahlungsmethoden, desto leichter sind illegale Aktivitäten. Zumindest verschafft die anfängliche Anonymität den Akteuren einen oft entscheidenden Vorsprung zu den Ermittlern, die mühsam Transaktionen rekonstruieren müssen. Da traditionelle Geldinstitute mittlerweile flächendeckende, grenzübergreifende Regularien zu befolgen haben, die frühzeitige Entdeckung bei Überweisungen zumindest möglich machen, ist das Mittel der Wahl für Terror und Kriminalität immer noch Bargeld.
Der Besitzwechsel von Bargeld kann höchstens durch Zeugen bewiesen werden. Bargeld hat aber einen entscheidenden Nachteil für Kriminelle: es ist unhandlich. Größere Mengen Bargeld zu transportieren, stellt eine logistische Herausforderung dar. Die Einführung der 500 Euro Scheine hat daher Jubel unter Kriminellen (und Steuerhinterziehern) hervorgerufen. Plötzlich passte eine Summe von zehn Millionen Euro in einen Koffer, vorher war ein Lastwagen vonnöten. Große Mengen Bitcoins lassen sich sogar auf Lippenstiftgröße reduzieren: es reicht ein einfacher USB-Stick. Damit ist schwer nachzuvollziehen, wann Bitcoins mitsamt den dazugehörigen Passwörtern den Besitzer wechseln.
Mit ein Grund für die deutsche Bankenaufsicht zu warnen[11], dass unbedarfte Nutzer sich illegaler Aktivitäten schuldig machen könnten, wenn sie die Herkunft der Cybergeldes nicht sorgfältig prüfen. Das jedoch ist für einfache Nutzer eine schier unüberwindbare Aufgabe. Und für Kryptowährungsideologen, die an das Recht auf vollkommen unkontrollierte, unkontrollierbare und unregulierte Verwendung von Zahlungsmitteln glauben, ein Affront. Basiert doch schon die Herstellung von Bitcoins, das Mining, auf Vertrauen. Und Vertrauen ist es auch, dass den Bitcoins ihren Wert verschafft. Nichts anderes kann den aktuellen Kurs bestimmen, da sie weder tatsächlich anerkanntes, geschweige denn abgesichertes Zahlungsmittel sind. Nur wenn genügend Leute den Bitcoins einen Wert zumessen und sie als Zahlungs- und Tauschmittel akzeptieren, besitzen sie auch wirklich einen Wert. Das Vertrauen unterliegt starken Schwankungen, jeder neue Skandal bringt den Kurs ins Rutschen.
Ein Vertrauen, dass nicht nur von Kriminellen missbraucht wird. Auch Sanktionen lassen sich partiell mit dem digitalen Geld umgehen. Da die Transaktionen nicht über die konventionellen Institute abgewickelt werden, sondern im direkten Austausch von einem Besitzer zum nächsten wechseln, können auch Händler im Iran die Zahlungsmethode nutzen, um ihre Ware zu vertreiben. Erst die Lieferung der Waren, die aus dem mit Sanktionen belegten Land kommen, kann Ermittler wieder auf die Spur illegaler Aktivitäten bringen. So nutzen Händler im Iran das System, um die gegen das Regime verhängten Sanktionen zu umgehen.[12]
Die peer to peer-Transaktionen bieten neben negativen aber auch durchaus positive Aspekte: selbst in entwicklungsarmen Gegenden, in denen es keine Bankinstitute oder keinen Zugang zu eben jenen für die arme Bevölkerung gibt, sind Smartphones und Internetverbindungen mehr und mehr verbreitet. Damit kann theoretisch jeder Bitcoins kaufen, gerade auch jene, denen traditionelle Banken kein Konto einräumen würden. Somit könnten Kryptowährungen neben der Möglichkeit zu Missbrauch auch die Möglichkeit zur ökonomischen Entwicklung für sehr arme Gegenden bieten, wo Kleinproduzenten und Händler ihre Produkte und Services gegen direkte Bezahlung ohne jeden Banktransfer anbieten könnten.[13]
Die US-Beauftragte für die Bekämpfung von Geldwäsche, Shasky Calvery, vermutet, dass das Volumen der Bitcoin-Transaktionen noch zu gering sei[14], um unsaubere Transaktionen effektiv zu verstecken. Um eine illegale Transaktion zu verschleiern, seien zahllose legale Transaktionen vonnöten. Der Bitcoin-Markt sei schlicht zu klein, um genügend legale Transaktionen zu generieren. Damit sei auch die Gefahr, im großen Stile kriminelle Aktivitäten oder Terroraktionen zu betreiben, gering.
Die Bank of England hat sich für eine positive Haltung gegenüber Bitcoins entschieden[15]: Kryptowährungen könnten einen neuen Weg aufzeigen, den des gegenseitigen Vertrauens, der Wert schaffe, ließ sie dieses Jahr verlauten. Gerne wäre die City bereit, sich auf diese neue Form der Finanzierung einzulassen. Somit möchte London nun nach der Öffnung für islamische Finanztransaktionen auch eine Spitzenposition bei digitalen Zahlungsmitteln einnehmen. London als Sitz des Finanzkalifats dürfte jedoch nicht der Wunschvorstellung des IS entsprechen.
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass Bitcoins und andere digitale Währungen nicht auf konkreten Rohstoffen oder Erzeugnissen basieren, sondern wie Spekulation auf den Wechselkurs auf Yen oder Schweizer Franken immer bloß dem Vertrauen der einzelnen Nutzer unterliegen, dass man für das eingesetzte Kapital auch in Zukunft etwas zurückbekommt. Österreich hat hier eine Vorreiterrolle inne, da das Grazer Startup coinfinity[16] nach und nach die rechtlichen Rahmenbedingungen absteckt – zuletzt wurde festgelegt, dass Bitcoins in Österreich als Währung und nicht als Vermögen gelten (andersrum in Norwegen mit entsprechenden steuerlichen Folgen). Eins ist sicher: digitale Währungen bzw. Lösungen zum vereinfachten Online-Konsum werden in den kommenden Jahren zu unserem ständigen Begleiter heranreifen, da sich zahlreiche Branchen, wie etwa Journalismus, Fotografie und Musik an flexiblere Bezahlmöglichkeiten anpassen müssen.
[1] https://www.fischundfleisch.com/blogs/wirtschaft/rolle-von-bargeld.html
[2] http://de.wikipedia.org/wiki/Bitcoin
[3] http://www.stern.de/digital/computer/boom-der-bitcoins-was-steckt-hinter-der-netz-waehrung-1994929.html, der Artikel geht auch auf den noch unbekannten Gründer, den kryptographischen Schlüssel und mögliche Entwicklungsszenarien (Legalität, Hackerangriffe, Spekulationsblase, 2033) ein.
[4] http://www.businessinsider.com/927-people-own-half-of-the-bitcoins-2013-12
[5] siehe auch https://blockchain.info/de/charts/market-cap?timespan=2year&showDataPoints=false&daysAverageString=1&show_header=true&scale=0&address
[6] http://en.wikipedia.org/wiki/Legality_of_bitcoin_by_country
[7] http://www.welt.de/finanzen/article121364313/Lange-Schlange-vor-dem-ersten-Bitcoin-Automaten.html, der Artikel geht auch auf die zunehmende Bedeutung des Internethandels ein.
[8] http://news.sky.com/story/1296508/global-jihad-could-be-funded-with-bitcoin
[9] http://www.currly.com/s/24aba2e/
[10] http://www.theverge.com/2014/2/4/5374172/the-coin-prince-charlie-shrem-bitinstant-bitcoin-money-laundering-scandal
[11] http://bitcoinage.de/die-bafin-zu-bitcoin-eine-kommentierte-version/
[12] http://www.coindesk.com/bitcoin-iranian-shoe-store-trade-sanctions/
[13] https://www.youtube.com/watch?v=Rnz9dfCe70c&noredirect=1
[14] http://www.slate.com/articles/technology/future_tense/2014/02/bitcoin_money_laundering_allegations_cash_is_still_king.html
[15] http://cointelegraph.com/news/113560/bank-of-england-sees-future-in-bitcoin-sharia-and-considerable-promise-of-blockchain