Das Medium Internet an sich hilft sicherlich vielen Menschen, ihre Gedanken und Gefühle freier mit anderen teilen, sich aber auch Anregungen (etwa im Bereich Kulinarik, Reisen) holen zu können. „Vereinsamung“ ist daher ein wesentlicher Faktor, Jugendliche verbringen zig Stunden pro Woche alleine vor diversen Bildschirmen, in Großstädten werden bereits mehr als die Hälfte aller Beziehungen online geknüpft. Dieser Beitrag behandelt die Chancen und Risiken (Stichworte „Sextortion“, Abo-Falle) der Online-Partnersuche.
Die virtuelle Identität stimmt selten mit der realen überein – häufig wird beim Alter, Aussehen oder dem beruflichen Status herumgetrickst. Wir sind meist jung, dynamisch, erfolgreich, gutaussehend, schlank und vieles mehr – zumindestens soll das Gegenüber dies eine Zeit lang glauben. Wir bestehen wie eine Zwiebel aus verschiedenen Schichten – nur mit dem Unterschied, dass wir die Qualität der Schichten selbst beeinflussen können. Ich persönlich setze verstärkt auf die Attraktivierung des innersten Kerns – weil das in meinen Augen wesentlich nachhaltiger als Schminken, Rasieren oder Liften ist. Die inneren Schichten eines Menschen lernt man allerdings erst kennen und lieben, wenn dieser einen näher an sich heranlässt. Man erkennt plötzlich Fehler, Makel und retuschierte Flecken – diese sollten im Idealfall nicht dazu führen, dass man sich ob deren Umfang grob getäuscht fühlt und die Beziehung abbricht.
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Eingangs habe ich über die zunehmende Vereinsamung geschrieben – das muss ich an dieser Stelle zurücknehmen. Das Internet bietet viele Gleichgesinnte bzw. Interessengemeinschaften, wo man Anschluss finden kann. Man baut sich damit allerdings eine gefährliche Parallelwelt auf, in der man unter Umständen den realen Partner vernachlässigt, denn: so einfach es ist, im Internet seinen Traumpartner zu finden, so einfach ist es auch, nach einem Seitensprung zu suchen. Professor Alfred Pritz von der Siegmund-Freud-Universität Wien ist spricht in einem Interview[1] er über das Online-Techtelmechtel, er ist der ideale Ansprechpartner in diesem Bereich. Ab wann wäre es denn Betrug? Für Pritz wäre es durchaus in Ordnung, mit anderen zu chatten/flirten, nach dem Motto: „Gegessen wird daheim.“ Erst ab der vermehrten Interaktion, durch die der reale Partner vernachlässigt wird, beginne der Betrug. Einen erotischen Roman (Empfehlung: mein erster Buntflug[2], bald ist auch die zweite Ausgabe verfügbar) zu lesen oder ein Bild anzuschauen – das soll jedem freistehen. Allerdings lassen sich die sexuellen Reize im Internet kaum mehr ausblenden, es gibt immer weniger Seiten, die ohne zweideutige Sprüche oder Posen auskommen. Auf Facebook wollen mich offenbar unzählige Singles via Zynga kennenlernen, wenn ich den nächsten Sommerurlaub buchen will, tauchen am Bildrand erotische Angebote auf. Während dem Schreiben lausche ich gerne mehrstündigen Lounge-Mixtapes auf Youtube – auch dort trifft man unübersehbar visuelle Reize (nackter Hintern, lange Beine, Rehaugen) an.
Facebook ist ziemlich streng, was die Kontaktaufnahme mit Leuten anbetrifft, die man nicht kennt. Sobald der neu hinzugefügte Freund die Freundschaftsanfrage ablehnt, darf man einen intensiven Fragenkatalog durcharbeiten, um sein Benutzerprofil weiterhin nutzen zu dürfen. Man baut seinen Freundeskreis also gezwungenermaßen langfristig auf, wird so aber auch kaum neue Menschen kennenlernen können[3]. Facebooks Einstellungen führen uns geradezu in die Arme dubioser Flirtportal-Anbieter. Dort wird damit geworben, innerhalb einer kurzen Zeitspanne garantiert zahlreiche Flirtpartner vermittelt zu bekommen[4]. Das funktioniert entweder über portalinterne Animateure, die den Nutzer zu einem kostenpflichtigen Abonnement überreden wollen oder durch perfide Algorithmen, die zwischen allen Nutzern hohe Matching-Points ergeben. Ich frage mich nach wie vor, ob „gleich und gleich gesellt sich gern“ oder „Gegensätze ziehen sich an“ interessanter ist – ich bevorzuge tendenziell letzteren Spruch, da man so zumindestens die Möglichkeit hat, außergewöhnliche Dinge auszuprobieren und eine andere Lebensweise kennenzulernen. Ich bin jedenfalls kein typischer Stammgast, der auch nach 35 Jahren immer noch im selben Hotel seinen Sommerurlaub verbringen will. Meine Strategie: jedes Jahr mindestens ein neues Land besuchen – mit Europa bin ich noch nicht ganz durch ;)
Wann sollten nun die Alarmglocken beim eDating kräftig läuten? „Kriminelle haben es oft auf leicht verwundbare Opfer abgesehen, die zu allem bereit sind, um die große Liebe zu finden“[5], deshalb ist durchaus Skepsis angebracht, sobald rasch Liebesschwüre folgen, verbunden mit der Bitte, Geld für ein Flugticket oder eine dringend notwendige Operation zu überweisen. Schuldzuweisungen und Unter-Druck-setzen sind zwei beliebte Techniken, um an die finanziellen Mittel zu kommen. Wenn nicht einmal ein ausführlicheres Skype- oder Telefongespräch möglich ist, sollte auf keinen Fall nachgegeben werden. Der vermeintliche Flirtpartner wird nach ein oder zwei Tagen den Kontakt abbrechen, wenn man nicht auf dessen Forderungen eingeht – die Betrüger suchen sich dann eben ihr nächstes Opfer, das zahlungsbereiter erscheint.
Auch die Dating-Portale selbst können eine Falle darstellen: oft stimmt man mit dem Klick auf „bin mit den AGBs einverstanden“ einem kostenpflichtigen Abo-Modell zu, wie man da wieder herauskommt, werde ich ausführlicher in meinem Beitrag zu den Anwalts-Abmahnschreiben beschreiben. Also unbedingt die Zeilen zu den entstehenden Kosten genau durchlesen, die Kosten können rasch drei- oder vierstellige Ausmaße annehmen. Aus diesem Theater kommt man ganz schwer wieder befreien, die vermeintliche Präsenz eines Anwaltes als Einschüchterungstaktik spielt den Betrügern in die Hände. Ich habe aber auch schon Mails bekommen, in denen drinnenstand, dass „richtige Männer“ zu ihren Versprechen stehen (also ihre Schulden bezahlen) und man um eine friedliche Lösung bemüht sei, man möchte mich nicht verklagen – würde aber notfalls auch das FBI (!) einschalten. Hier gilt: die Schriftstücke keinesfalls ignorieren, gegebenenfalls einschlägige Konsumentenschutzorganisationen aufsuchen / mit Rat auf Draht (147) sprechen. Einen fiesen Tipp habe ich noch gefunden: wenn eine Zahlungsaufforderung an eine real existente Bank erfolgt, so kann man diese Bank anrufen und sie darauf hinweisen, dass dieses Konto möglicherweise für betrügerische Aktivitäten genutzt wird. Die meisten seriösen Banken wollen mit solchen Geschäften nichts zu tun haben (Imageschaden) und lösen daraufhin das entsprechende Konto auf – das bringt die Betrüger dazu, alle paar Wochen/Monate die Bank zu wechseln.
Ein besonderes Problem betrifft das Versenden von Nacktfotos oder –videos: einerseits beim „Sexting“[6] (Mobbing/Stalking im Bekanntenkreis, meist freiwillige Aufnahmen), andererseits in Form von „Sextortion“[7] (Erpressung mit ungeahnten Video-Mitschnitten) – es wird gedroht, die Aufnahmen an alle Facebook-Freunde zu verschicken oder via Youtube einer breiten Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Gegen Bezahlung einer (anfangs geringen) Geldsumme würden die Mitschnitte aber verlässlich gelöscht, so das Angebot. Ausweg: eine Nachricht an den Internet-Ombudsmann[8] senden, die Polizei kann bei Erpressung meist die IP-Adresse feststellen und so die Täter ausforschen. Problem dabei: die Erpresser halten sich selten in der unmittelbaren Umgebung auf, sondern agieren von anderen Staaten aus, wo die heimische Exekutive keine Zugriffsmöglichkeit hat.
Ich kann diese Trends insgesamt nicht nachvollziehen (warum sollte ich Nacktbilder oder –videos von mir anfertigen bzw. mich vor der Kamera so verhalten, wie ich später nicht gesehen werden will?!), die Betroffenen sollten aber jede mögliche Form der Unterstützung bekommen, um Schlimmeres zu vermeiden. Es fehlt sicherlich auch an geeigneten Instanzen, die ab dem Volksschulalter entsprechende Informationen bereitstellen. Ich sehe sowohl Licht- als auch Schattenseiten beim eDating, wenn man sich jedoch der Risiken (Abo-Falle, Erpressung mit Nacktaufnahmen, bezahlte Animateure) bewusst ist, kann man die einschlägigen Plattformen durchaus als Chance sehen, mit interessanten Menschen in Kontakt zu treten.
(Cartoon von www.cartoonstock.com)