Ich zitiere: "London. 1953: Deutschland verhandelt mit 22 Staaten. Die deutsche Delegation bittet ihre Partner um einen Schuldenerlass. Zu sehr drücken die hohen Verbindlichkeiten aus dem Marshall-Plan und den Reparationen, die noch für den Ersten Weltkrieg zu bezahlen sind.Die Bitte der Deutschen wird erhört. Die 22 Staaten (!!) unter ihnen Griechenland, erlassen den Deutschen die Hälfte der Schulden."
Soweit zu einem Artikel aus dem Genre "Wirtschaft" verfasst von Hr. Johannes Beck. Erschienen am 25.02.2011. Nachzulesen unter: http://www.dw.de/als-griechenland-deutsche-schulden-halbierte/a-15412868
Man kann nun "oberflächlich" betrachtet, behaupten: "Ja - damals", da war alles anders. Viel kaputt, nach dem Krieg, Wiederaufbau, fleißige Bürger - die Mitteleuropäer - also ein absehbarer Wirtschaftsaufschwung ist somit vorprogrammiert."
Zu bedenken ist, welche Emotionen der Krieg mit all seinen menschlichen Gräueltaten und all dem Leid der Bevölkerun, nach sich zog. Es handelte sich um ein kollektives Leid unzähliger Menschen. So auch um kollektiven Hass, Nichtverzeihen und Vergeltungsansprüche. (Zu der aktuellen Auschwitzthematik: 1953 befanden sich die "Befehlshaber" jenes "Lagers" noch allesamt auf freien Fuß und gingen meist als "ehrenwerte Bürger" wieder ungeniert ihren Berufen nach. Verhandlungen und Verurteilungen fanden erst in den 60er Jahren des 20Jahrthunderts statt.)
Sehen wir kurz die Chronologie der gemeinsamen Geschichte der Europäischen Union bzw. deren Vorläufer und Griechenlands an.
Am 01.Jänner 1981 tritt Griechenland der Europäischen Gemeinschaft bei.
Der Eintritt in die Eurozone erfolgt 20 Jahre später. Am 01.Jänner 2001. (Die EU wurde per 07.Februar 1992 gegründet / Maastrichter Vertrag. Am 01.November 1993 tritt dieser Vertrag in Kraft).
2004: "Eurostat" berichtet, dass die von Griechenland übermittelten statistischen Daten nicht stimmen können. November 2004: Bericht über die Revision der griechischen Defizit- & Schuldenstandszahlen.
2009: Regierungswechsel. Defizitstrafverfahren. Das Staatsdefizit wuchs 2009 auf 3,7% des BIPs.
11.Februar 2010: Ministerpräsident Papandreou wird seitens der EU zu einer drastischen Sparpolitik aufgefordert, um den drohenden Staatsbankrott abzuwenden. Die Finanzmärkte bleiben beunruhigt. Ende März 2010: die EU beschließt EU-Auflagen: alle 2 - 3 Monate muss eine Berichterstattung über die Einsparungsmaßnahmen übermittelt werden. Ziel: die Netto-Neuverschuldung bis 2012 auf 3% des BIPs zu drücken.
13.Februar 2010. In einem Bericht der New York Times ist zu lesen, dass die US-Banken Goldman Sachs und JP Morgan Griechenland in den letzten zehn Jahren halfen, das Ausmaß seiner Staatsschulden zu verschleiern.
23.April 2010: offizieller Antrag auf Finanzhilfe durch die griechische Regierung. 1 & 2. Mai 2010: 110 Milliarden Euro Finanzhilfe, basierend auf einem rigorosen Austeritätsprogramm werden seitens der EU zugesagt. 80 Milliarden Euro kommen aus der "Euro-Zone" ("Austerität" = Disziplin, Sparsamkeit, Entbehrung).
Zur Stützung der Banken (welche griech. Staatsanleihen halten) akzeptiert die EZB seit 03.Mai 2010 griech. Staatsanleihen in vollem Nennwert als Kreditsicherheit, wenngleich deren Bonität durch Rating-Agenturen auf niedrig eingestuft werden.
07. - 10.Mai 2010: Die finanzielle Hilfe erweist sich als nicht ausreichend. Der Markt bleibt beunruhigt. Einigung zur Einrichtung d. Europäischen Finanzstabilisierungsfazilität, welcher bei Bedarf die drohende Zahlungsunfähigkeit eines Mitgliedstaates der Eurozone verhindern soll. Folge: Griechenland: Verschlechterung der Wirtschaftslage. Insolvenzen (Privatbereiche). Arbeitslosenzahlen steigen von 8,5% auf 12%. Rückgang der Steuereinnahmen. Die Wirtschaftsleistung sinkt weiter um 4,5%. Griechenland bittet die "EU" die Fördermittel aus dem EU-Strukturfond "vereinfacht" freizugeben. Förderhöhe: 13,5 Milliarden Euro. Auf Grund des fehlenden Eigenanteils des griech. Staates konnten diese Förderungen zuvor nicht abgerufen werden.
Innenpolitische Turbulenzen folgen. So auch parteiliche Veränderungen.
Mai 2011: die EU fordert ein neues Sparpaket "der Griechen" ein. Hiervon wird eine erneute Finanzhilfe abhängig gemacht.
29.Juni 2011: Zustimmung der griech. Regierung zu dem Sparpaket.
21.Juli 2011: Sondergipfel der EU. 17 Euroländer einigen sich auf ein zweites Rettungspaket. 109 Milliarden Euro in Form eines direkten Kredits (EFSF & IWF) bis 2014 werden zugesagt. Private Banken und Versicherungen beteiligen sich mit weiteren 37 Milliarden Euro.
Erstes Halbjahr 2011: die griechische Neuverschuldung beträgt nun knapp 14,7 Milliarden Euro. Geplant waren für das gesamte Jahr 2011: rund 16,7 Millarden Euro. Der Schuldenstand Griechenlands beträgt mittlerweile 350 Milliarden Euro.
06.Mai 2012: es kommt zu vorgezogenen Parlamentswahlen. Starke Stimmenverluste der ND & PASOK. Erstmals kommt es zum Einzug der Chrysi Argi (neonazistische & rassistische Partei). Ebenso zieht die rechstpopulistische Anexartiti Ellines und die linke Dikokratiki Aristera ins Parlament ein.
Die radikale Linke SYRIZA wird zweitstärkste Partei.
17.Juni 2012: neue Regierungsbildung durch Andonis Samaras.
Dezember 2014: Der Regierung Samaras gelingt es nicht, im Parlament einen neuen Staatspräsident wählen zu lassen.
Am 29.Dezember 2014 - nach dem Scheitern des dritten Wahlgangs - muss der Staatspräsident das Parlament binnen 10 Tagen auflösen und eine Parlamentswahl ausschreiben. Datum: 25.Jänner 2014.
25.Jänner 2015: Wahlergebnis: 36,34% der Wählerstimmen entfallen auf die Partei SYRIZA unter der Führung von Alexis Tsipras. Die SYRIZA ist somit die stimmenstärkste Partei, gefolgt von der ND (konservative Ne Dimokratia von Andonis Samaras). 6,28% fallen auf die XA (neonazistische Chrysi Argi) von Nikolaos Michaloliakos. 6,05% gehen an Potami (linksliberal), gefolgt von der KKE (kommunist. Partei) mit 5,47%. 4,75% erreichte die ANEL /nationalkonservativ & rechtspopulistisch) und 4,68% die PASOK (Sozialdemokraten). 2,46% gingen an die KIDISO (sozialdemokr. Partei, 2015 durch Papandreou gegründet). Sonstige Gruppierungen erreichten zusammen 6,17% an Stimmen.
Eine Vielfalt an Ideologien also!
Alexis Tsipras wird am 26.Jänner 2015 als neuer griechischer Ministerpräsident vereidigt. Am 5.Februar 2015 findet die konstituierende Sitzung im Parlament statt, wonach die Volksvertretung ihm binnen 10 Tagen das Vertrauen auszusprechen hat. Tsipras ist nicht nur mit 40 Jahren der jüngste Ministerpräsident der Geschichte Griechenlands, sondern auch der Erste, der anlässlich seines Amtsantritts keinen religiösen Eid ablegt. Soviel zu den Daten.
Am Abend des 28.Jänner 2015 wird in einem deutschen TV-Sender ein aktueller Bericht über die politischen Geschehnisse gezeigt. Man sieht Hr. Tsipras, gefolgt von seinen "politischen Mannen" und einer einzigen Frau, wie allesamt hintereinander einen Raum verlassen. Während die neuen griechischen Regierungsmitglieder den Ausgang passieren, sagt der Kommentator: "Und hier sehen Sie den Schrecken der EU. Viele Männer, die allesamt keine Krawatten tragen. Und, wo die Frauenquote keinesfalls erfüllt ist...."
Nun. Wir können denken, was wir wollen. Dass "die Griechen" (was keinesfalls mit den einzelnen Menschen zu tun hat, sondern eher mit den Menschen, die jene Politik und die damit verbundenen Handlungen in der Vergangenheit setzten) die EU "betrogen" und hintergangen haben. Fakt ist aber auch, dass sich die "griechische Finanzkrisen-Geschichte" über Jahrhunderte zieht. Geschichtlich hervorgerufen, durch die Befreiungskriege von der osmanischen Herrschaft. Welche 377 Jahre andauerte. Der Krim-Krieg und die politischen Intrigen anderer Länder vereinfachte die Situation jenes Landes keinesfalls.
Es ist auch so, dass man der griech. Regierung wohl nicht alleine "schuld" an all den Geschehnissen aus der jüngsten Zeit zusprechen sollte. Die Einen baten - die Anderen gaben. Manchmal, so brutal dies scheinen mag, ist wirtschaftliche Hilfe bzw. ein Schuldenerlass oder ein Insolvenzverfahren (was letztlich im Prinzip das Selbe ist) keine beste Lösung. Man könnte also meinen, dass die EU zu gutgläubig und hoffnungsvoll, was das Einhalten der Verträge, insbesondere des Sparprogramms Griechenalnds, war. Bzw. "andere Interessen die Objektivität etwas "trübten".
Als Beobachter aus "dem Volk" meine ich, dass beide Seiten an dieser Entwicklung ihren Anteil tragen. Denn, von "Schuld" und "Nicht-Schuld" möchte ich nicht sprechen.
Die Vertreter der EU hielten sich wohl an jene Aussage von Niccolo`Machiavelli, die da lautete: "eine Veränderung bewirkt stets eine weitere Veränderung."
Und, "die Griechen"? Einiges ist derzeit in Bewegung - ganz nach dem Motto eines Sophokles, der wiederum meinte: "Labe niemals den unversöhnlichen starren Sinn."
Bedenken wir also das Hin-und-Her von der Halbierung der Schulden der Deutschen 1953, der gefälschten Daten der Griechen, des verunglückten Sparprogramms, dem Weitentfernt-Sein von Rückzahlungen und schauen wir uns die Griechen - die Menschen aus dem Volk an: so bitte, all jene haben die Daten nicht gefälscht und die Meisten scheinen auch nicht wohlhabender durch die Zahlungen der EU an das Land Griechenland geworden zu sein. Sich auf der mentalen und emotionalen Ebene nun zu "bekriegen" und in den nächsten Hype - nebst Russen, Juden, Araber und wer weiß, wem noch - zu verfallen, wollen wir nicht zulassen. Also rufen wir uns zu: "Mensch werden ist eine Kunst...!"
Was übrigens Novalis so ausdrückte - und, er war "ein Deutscher".....
Die Worte: "Dystychos eptochefsamen" rief übrigens der Ministerpräsident Charilaos Trikoupis im Dezember 1893 aus. Was übersetzt hieß: "Bedauerlicherweise sind wir bankrott...."
Aber, auch dazu gibt es eine Vorgeschichte. Mehr Wissen - mag meist mehr Verstehen hervorrufen.