DANGEROUS DOG - und die Geschichte eines solchen. Es war einmal in Amerika....

…ein Hund namens Inu.

Inu trat in das Leben einer amerikanisch-österreichischen Familie als niedliches, halbausgewachsenes Hündchen. Sie war ein wenig dicklich, eher kleinwüchsig und doch von bulliger Statur. Ihre Gene stammen von einem Border Collie und einem PitBull. "Inu" ist ein Weibchen und ihr Name bedeutet "Hund" – auf japanisch.

Es gab vor Inu bereits einen Familienhund namens Shaka. Beide hatten ihre eigene Art sich zu unterhalten – während die zweibeinigen Rudelmitglieder nicht anwesend waren. Ein Favorit in Sachen Entertaiment war des Nachbars Garten zu beobachten. Dort nämlich fanden sich täglich Katzen ein.

Der Nachbar beherbergte streunende Katzen in seinem Garten-Revier, wo er diese in alten PKWs (er war Mechaniker) hausen ließ. Er war stets darauf bedacht, dass sich immer wieder niedliche Katzenbabys im Garten tummeln, um zu sichern, dass seine Tochter, welche bei ihrer Mutter lebte, ihn besuchen kam.

Besagte streunende Katzen besuchten immer wieder und gerne den Garten – das Revier von Inu, Shaka und den Zweibeinern. (Ihr erinnert Euch an "Spike"? Jene Bulldogge, welche mit Tom der Katze so seine "Hundekatzenthemen" hatte? Spike hatte Tom zum Fressen gerne – dieser wiederum hatte Jerry, die Maus zum Fressen gerne...)

Nur ein Zaun trennte beide "Habitate". So war es nicht erstaunlich, dass die Hunde jede Gelegenheit auszubrechen, sprich sich auf Katzenjagd zu begeben, nützten. Der "Oberhund" Shaka war extremst schnell, anders als Inu. Besagter Nachbar hasste den "Oberhund" – er hatte Angst vor diesem. Inu hingegen mochte er sehr. Er wusste so gut wie alle anderen Menschen, die Inu kannten, dass jener kein Mörder ist.

Eines Tages war es wieder geschehen. Als der Nachbar die Hunde in dessen Garten entdeckte, spielten beide bereits "Seilziehen" mit einer toten Katze. Niemand sah, wie die Katze starb. Die Menschenfamilie nimmt aber an, dass der "Oberhund" jene erwischte und diese an den Folgen eines Bisses verstarb. Danach war es "nur noch" ein Spiel zwischen zwei Hunden, ohne Bosheit. (Und, wie gesagt: Man nahm "nur an". Ergo: Shaka wird somit nicht von uns "verurteilt".)

Der Nachbar sah dieses Szenario, stürzte in sein Haus um sein Gewehr zu holen. Um damit zu schießen. Dies tat er auch.

Die meisten von uns wissen, dass unzählige Menschen in Amerika Waffen besitzen dürfen. Ohne jegliches Vorprozedere, was die "Eignung" bzw. "Führung" einer Waffe bzw. die Argumentation weshalb man jene "führen" möchte, kann man jegliche Schusswaffen verschiedenster Art käuflich erwerben…

Zurück zu jenem Geschehnis:

Der Nachbar versuchte, den ihm verhassten "Oberhund" mittels Kopfschuss zu töten. Dieser überlebte auf wundersame Weise. Die Kugel trat wohl in den Kopf ein, verfehlte aber um Haaresbreite das Gehirn von Shaka. Der Nachbar sah schnell ein, dass er einen Fehler gemachte hatte. In Amerika ist es gesetzeswidrig, grundlos – also unbedroht – eine Waffe abzufeuern. Deshalb rief er die Polizei und gab vor, die Hunde hätten ihn angegriffen. Die Polizisten glaubten ihm dies nicht und so erhielt er eine Anzeige. Auch die "menschlichen Besitzer" beider Hunde erhielten eine Anzeige, weil die Hunde ausgekommen waren und eine Katze getötet hatten.

Die Besitzer mussten vor Gericht erscheinen, wo der Nachbar Fotos der toten Katze vorlegte.

An diesem Tag wurden die Hunde zu "dangerous dogs" verurteilt. Die Folge dessen: Die Besitzer mussten sich verpflichten ein absperrbares Gehege im Garten zu errichten. Die Haftpflichtversicherung musste auf die Versicherungssumme von 1 Million Dollar erhöht werden. Fortan war ein Schild "dangerous dog" am Zaun und am Fenster des Hauses anzubringen. Die Hunde mussten, wenn diese außerhalb des Hauses waren, stets einen Beißkorb tragen. Darüberhinaus musste an den Halsbändern ein Anhänger mit eben jenem Hinweis auf die Gefährlichkeit der Tiere angebracht werden. Ein Mikrochip, der jene identifiziert, musste ebenfalls implantiert werden. So viel zu den Auflagen…

2 Monate später zog die Familie in einen anderen Bundesstaat, wo ein Gehege im Garten zur Verwahrung der Hunde nicht vorgeschrieben war. Alles andere blieb gleich… Zu erwähnen wäre noch: dem Nachbar wurde das Gewehr nicht abgenommen, allerdings ist anzunehmen, dass er eine Geldstrafe erhielt…

Jahre vergingen. Shaka verstarb. Inu bekam einen neuen Hundefreund (wieder durfte ein Hund ein Tierheim verlassen). Und wieder war rasch der andere Hund "der Oberhund" (immer so betrachtet, bitte: die Menschen blieben stets die Rudelführer in diesem hierarchischen System. Welches das Leben eines Hundes stets regelt).

Im Sommer des vorigen Jahres besuchten jene Hundebesitzer die Familie der Frau, welche in Österreich lebt. Die Tiere blieben in Amerika und wurden von einem Freund der Söhne beaufsichtigt. Der Teenager sollte mit den Hunden auch spazieren gehen. Dies war wohl nicht oder nur selten der Fall. Wenngleich Inu – ohnehin eher von "bequemer Art" – nun schon alt war, so dürfte die Langeweile doch in dieser Zeit bei den "Hunden allein zu Haus" vorgeherrscht haben. Die Freude war also groß, als das Rudel wieder von den Zweibeinern vervollständigt wurde. Naja, als eines Tages – bald nach der Wiederkehr der Menschen – die Gartentür einladend offen stand, nützten die beiden Hunde dies um mal einen ausgiebigen Spaziergang "da draußen" abzuhalten. Dieser währte nur kurz. Die Hunde wurden gemeldet und rasch von Hundefängern "dingfest" gemacht.

Immerhin: Bei Inu handelte es sich immer noch um einen gekennzeichneten "dangerous dog". Ihre freundliche äußerst gemächliche Art konnte ja ein "Bluff" dieses aktenkundigen "gefährlichen Hundes" sein… Die Familie wurde telefonisch verständigt und in Kenntnis gesetzt, dass Inu nun ihre gerechte Strafe erhalte. Nämlich die Todesstrafe.

Es ist wohl müßig, darzustellen, wie jene "menschlichen Rudelmitglieder" sich fühlten. Immerhin hatte ein Mensch die Gartentür offen stehen lassen. Die Konsequenz dessen: Inu musste eingeschläfert werden.

Keines der menschlichen Familienmitglieder konnte sich überwinden, der alten Hündin Inu bei diesem letzten Schritt beizustehen. Lange trugen diese Menschen ihre Schuldgefühle mit sich. Und, der Schmerz um diesen freundlichen Mitbewohner wollte nicht weichen.

Bis eines Tages, rund zwei Monate später, ein Anruf kam.

Ein Mitarbeiter jenes Tierheims, wohin Inu gebracht wurde, erzählte wie folgt: Schon am Tag Inus Ankunft, war für alle Menschen in diesem Tierheim klar, dass es sich hier um einen alten, friedlichen, etwas dicklichen Hund handelte. So sah dies auch der Tierarzt und setzte Inu nicht jene Injektion, welche sie in den "Tierhimmel" befördert hätte. Inus "gesellschaftlicher Stand": Sie wurde zu einem "Hunde-U-Boot". Was allerdings die Mitarbeiter (oder/und die freiwilligen Spaziergänger) des Tierheims nicht hinderte, mit dem Hundefräulein täglich spazieren zu gehen. So verlor Inu Gewicht. Freunde hatte sie längst gewonnen. So auch den Tierarzt, denn dieser beschloss nach besagtem Zeitraum, die Behörde von seiner "Befehlsverweigerung" zu informieren und untermauerte jene mit einem tierärztlichen Bescheid, dass es sich hier um einen ausgesprochen friedlichen Hund handle. Dank des "hundepsychologischen Attests" erhielt Inu die "Begnadigung" seitens der zuständigen Behörde.

Als Inu von ihren Besitzern (ich glaube, ich muss keinem Leser, der selbst mit einem Tier lebt, erklären, wie sich die "Besitzer-Menschen" fühlten) abgeholt wurde, staunten diese nicht wenig.

Ob Inus "erschlankter Figur". Gar so, als hätte Inu in Südindien eine Ayurveda-Kur durchlaufen. Inu musste allerdings nicht hungern – nur die Ernährung wurde ein wenig umgestellt. Lieben heißt ja nicht immer alles geben… und zu allem ja sagen… Ich bin mir auch sicher, dass es dem alten Hundefräulein auch nicht an den "ayurvedischen Massagen" (sprich: Streicheleinheiten) mangelte.

Inu hatte bis jetzt ein bewegtes Hundeleben. Und ihre Menschen auch. Ohnehin schon so. Und, dank Inu, noch ein wenig mehr. Vor allem: wir dürfen und sollen an das Gute im Menschen glauben. Inu machte Bekanntschaft mit Vorurteilen aufgrund ihres Äußeren. Und sie konnte nicht für sich selbst sprechen. Sich ob des Fehlurteils "wehren". Sie erlebte, wie es eben ist, ein Tier zu sein... Stets wähnt sich der Mensch im Status darüber. Man wird "genommen" und "weggeben"… Letztlich aber zeigt uns die Geschichte von Inu: Nicht nur sie hat Grund zu vertrauen. Immer und immer wieder von neuem. Was Tiere nämlich tun. Meist.

Auch wir können hoffen: Das "Mensch-Sein" mag wohl vielerorts in den Körpern der Menschen schlummern. Oder verschüttet sein... Doch. Mit jedem Augenblick besteht die Möglichkeit, dass das "Mensch-Sein" erwacht… Nicht nur in Amerika…

INU IST DER ERSTE HUND IN DER GESCHICHTE DES STAATES WASHINGTON, DER JEMALS DEM "DANGEROUS DOG" TODESURTEIL ENTGANGEN IST.

1
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:16:59

3 Kommentare

Mehr von crinan