Eine Sprengung mag zur Routine werden.
Die erste selbstständig durchgeführte Sprengung ist mir unvergesslich.
Längst Geschichte. Immer noch lebhaft in Erinnerung.
Es begab sich also: Forstwegebau in den Voralpen. Alpines Gelände. Es musste ein Gewinnungssprengung durchgeführt werden. Die Fahrbahn war grob steinig und ein Abtransport der gefällten Bäume im Umfeld besagter Baustelle war mittels LKW nicht möglich. Es sollte eine Schotterung jenes LKW-unwirtlichen Untergrunds geben.
Aus ökonomischen Gründen wurde dem Bauwerber meinerseits besagte Vorgehensweise angeboten, welcher der zuständige Förster zustimmte.
Meine erste Sprengung. Tagsüber gab es bewegtes Treiben in diesem Waldstück hoch oben, nahe des Schneebergs. Bagger und LKW urbanisierten bereits wochenlang die dortige raue Natur. Zum Zwecke der Holzbringung. Die Romantik hat ausgedient.
Und ich half dabei mit. Meine Mitarbeiter bohrten stundenlang mit Hilfe einer Bohrlafette die exakt situierten Bohrlöcher in das harte Kalkgestein. Harte Arbeit für Mensch und Maschine.
Die Berechnung selbiger, wie die Positionierung, Ladung und Zündung oblag mir. In meiner jungfräulich sprengungstechnischen Erfahrung. Theorie und kleinere Sprengungen ist eine Sache. Aber jetzt?
Ein heißer Sommertag. Anstrengung. Ladetätigkeiten sind oftmals körperlich fordernd. Als Frau, welche fest entschlossen ist, den Männern nicht nachzustehen, hat man noch ein wenig mehr von seinen Kraftreserven zu geben. Dann, die Bezünderung. Ich war stets bemüht das Gestein zu „rütteln“ und nicht mit roher Gewalt Wunden in die Natur zu reißen, welche viele Jahrzehnte sichtbar sind. Daraus ergibt sich eine zusätzliche Herausforderung.
Überladen ist kein Kunststück. „Aufzurütteln“ sehr wohl.
Es war bereits Abend als es so weit war. Sämtliche Gerätschaften wurden aus dem Sprengradius gebracht. Ich habe die Mitarbeiter, allesamt Männer, niemals gefragt, wie sich dieses Szenario für sie darstellte. Ich jedenfalls fühlte mich unsagbar einsam. Es war nun meine alleinige Handlung. Kontrolle, letztendliche Durchführung der Sprengung.
Niemals werde ich dieses Bild vergessen. Niemals vergesse ich meinen Herzschlag, welcher rasend und kräftig in meinem Hals pochte. Meine Gedanken? Ich wollte flüchten! Alles so lassen und einfach nur bergab davon laufen. Was natürlich nicht in Frage gekommen wäre. Heilige Barbara steh mir also bitte bei!
Jenes Bild, welches mir unvergesslich ist, boten mir „meine Männer“. Als würden sie bewachend bei den Maschinen und LKWs verharren. Allesamt breitbeinig dastehend. Wie konnte man(n) einem „Weiberleit“ trauen? Sohin fest entschlossen, mich jenem Szenario alleine zu überlassen. Die Hände vor den Bäuchen – mehr oder weniger muskulöser Art – verschränkt. „Diese gnadenlosen Verräter“ dachte ich und betätigte die Zündmaschine.
Es ist gewiss, dass ich auch vor diesem Moment die himmlischen Mächte um ihre Unterstützung anrief. Nun. Man nennt dies gemeinhin „beten“. Meist verfallen wir in dieses stille Hilfsgeschrei fast ausschließlich in Situationen, wo da niemand mehr ist – als man selbst.
Ob mein Stoßgebet erhört wurde oder wir einfach nur alles korrekt durchführten?
Jene Sekundenbruchteile, nachdem ich die Sprengung ausgelöst hatte bis zu dem Moment zur Detonation erschien mir unendlich. Ein dumpfes Donnern, eine leichte Erschütterung.
Bald waren die Schwaden verzogen und wir hatten dem felsigen Waldboden ein wenig Substanz genommen.
Es dauerte noch Jahre, bis ich kritisch nachdachte, ob es richtig ist, was ich tue.
Seitdem ist viel passiert – bis zu jenem Zeitpunkt, wo ich mein hehres Ziel, „die Erde zu bewegen“ hinterfragte……. und das Schicksal erneut ohne meine Zustimmung gnadenlos für mich die Weichen verstellte.
„Überladen ist kein Kunststück. „Aufzurütteln“ sehr wohl!