"Ich halte nichts davon, auch noch die linke Backe hinzuhalten!"

Efgani Dönmez

Wien, ein Kaffeehaus nahe einer großen Kirche. Im Laufschritt eile ich zu dem Termin. Am Straßenrand vor dem Kaffeehaus steht ein türkisch-aussehender Mann. Darf man das so überhaupt noch sagen? In Zeiten der political correctness?

In einer Hand hält er das Mobiltelefon. Mit der anderen Hand winkt er jemandem zu. Ist er das? – Ist das Efgani Dönmez? Ist das jener Mann, der die gescheiterte Integrationspolitik als einer der ersten im linken Lager offen verurteilte und dafür aus den eigenen Reihen scharf kritisiert wurde? Ist das jener Mann, der all jenen, die sich nicht integrieren wollen, empfiehlt, die Koffer zu packen?

Der eher zarte, kleinwüchsige, sehr dynamisch wirkende Mann scheint sich vorbereitet zu haben. Habe ich es mit einem Perfektionisten zu tun? Schauen wir mal, was für ein Mensch dieser Efgani Dönmez ist. „Das schwarze Schaf der Grünen“, las ich unlängst. Nun. Wie ein Schaf wirkt er auf mich nicht und bei den Grünen ist er auch nicht mehr.

„Herr Dönmez, danke, dass Sie sich so kurzfristig Zeit für mich genommen haben. Ich möchte heute mit Ihnen über Gewalt sprechen. Weil es ein so großes Thema in unserer Gesellschaft ist, über das viel zu wenig gesprochen wird. Was sind das nur für Menschen, die brutal auf andere einschlagen, sogar auf Kinder..."

„Ich glaube, dass Menschen, die stark in ihrem Selbstwert gefestigt sind, keine Gewalt anwenden. Man muss bei der Erziehung ansetzen. Hier sollte man selbstbewusste Individuen erziehen, die in sich ruhen und Zorn oder Wut nicht mittels Gewalt kanalisieren müssen. Je besser man sich selbst kennt, desto besser kann man mit sich selbst umgehen. Fehlen die Worte, folgt oft Gewalt. Ich praktizierte selbst eine Kampfsportart, wo Geist, Körper, sowie Disziplin, Kraft und Ausdauer trainiert wurden. Wer in sich ruhend ist, ist für Gewalt nicht empfänglich. Es tut aber immer gut, zu wissen, dass man sich verteidigen kann. Ich bin nicht der Mensch, der, schlägt man ihn auf die rechte Backe, noch die linke hierfür hinhält. Davon halte ich generell nichts. Man muss sich wehren dürfen. Das Abwägen all dessen hat viel mit Selbsterkenntnis und Selbstdisziplin sowie Sozialkompetenz zu tun."

"Was tun Sie, wenn Sie sehen, dass ein Mensch gequält bzw. misshandelt wird?"

"Es gibt Menschen, die Lust empfinden, wenn Andere von ihnen abhängig sind. Oder auch Lust empfinden, wenn Andere gequält oder gar gefoltert werden. Da muss man krank sein! Man muss sozial total abgestumpft sein. Das ist zutiefst pathologisch! Kommt es zu Gewaltanwendung, und ich sehe das, greife ich in jedem Fall sofort aktiv ein! Ich würde das Opfer schützen. Da ich gelernter Sozialarbeiter bin, würde ich – hörte ich auf dem Wege des Tratsches von Übergriffen auf andere Menschen – den Tratsch abklären und rasch Vertrauenspersonen des Opfers ausfindig machen. Es muss langsam und behutsam vorgegangen werden. Erst dann setzte ich weitere Interventionen. Ich würde bedächtig die Sozialinstitutionen einschalten, und mit Menschen aus dem Umfeld sprechen. Dies alles ist vom Sozialnetz, den zwischenmenschlichen Beziehungen, und dem Alter des Opfers sowie den Sozialarbeitern bzw. jenem zur Verfügung stehenden Netzwerk abhängig."

Efgani

„Herr Dönmez, zur Religion. Brauchen wir einen Glauben? Einen Glauben an eine höhergeordnete Macht, eine Art Energiezentrale, welche über das Irdische hinausgeht?“

„Ich glaube, dass der Mensch im Leben einen Sinn braucht. Um dadurch ein erfülltes Dasein zu führen. Religionen können ein Weg sein, Glauben und Spiritualität zu leben. Allerdings: Ich kenne Atheisten, die hoch spirituell sind. Menschen sehnen sich danach – glaube ich. Es gibt unterschiedliche Wege zu Gott oder eben nicht zu Gott. Die Freiheit, Religion aus eigenem Willen zu wählen, muss gegeben sein. Was es braucht, zu einem gesellschaftlichen Zusammenleben, das ist ein gemeinsames Wertegerüst. Damit verschiedene Gesellschaftsgruppen gut zusammenkommen. Man sollte ein Leben führen – so meine Idealvorstellung – wo jeder mit jedem verantwortungs- und respektvoll umgeht. Was immer du auch suchst, suche es in Dir! Ich bin Moslem mit alevitischen Wurzeln und habe einen guten Zugang zu anderen Religionen. Religion und Politik sind hier ähnlich – was der Mensch auch macht, die Entscheidung liegt bei einem selbst. Ja zu Glauben und Religion, nein zu politisierten Glauben und Religion!"

Eine Anmerkung für Euch, verehrte Leser: Efgani wurde in Kangal in der Türkei geboren und kam als Kleinkind mit seiner Familie nach Oberösterreich. Ein Alevite zu sein, bedeutet, dass man nach Erleuchtung und Vollkommenheit strebt, so heißt es zumindest. Dahin führen den Menschen Werte, wie die Nächstenliebe, Bescheidenheit und Geduld. Humanismus und Universalismus prägen den alevitischen Glauben. Meinem Gesprächspartner sind weder Rumi noch Thomas von Aquin fremd. Die Mystik ist nicht nur ein Wort für ihn. Dass er sich in der Vergangenheit mehrfach und etliche Jahre in sozialen Bereichen beruflich wiederfand, untermauert seine Aussagen. Gedanken werden zu Worten. Worte verwandeln sich in Taten.

Efgani

„Herr Dönmez, es gibt viele Menschen, die meinen, dass Politiker Marionetten der Banken und Wirtschaftsbosse sind. Was sagen Sie dazu?“

„Die Politiker im Allgemeinen gaben das Zepter aus der Hand. Diese Annahme der Bevölkerung ist hier nicht unberechtigt. Manche Menschen streben nicht danach, ihren Idealismus beruflich zu leben, sondern sie tun dies wegen des Geldes, der Macht und den Netzwerken durch bzw. in der Politik. Die Politiker müssen es schaffen, das Zepter zurückzuerobern. Dann wird die Politik und die Menschen, welche diese gestalten, wieder glaubwürdig.“

„Herr Dönmez, die erste von insgesamt fünf Fragen aus der Bevölkerung lautet: Glauben Sie wirklich, in der heutigen Zeit, irgendetwas in der Politik bewegen zu können, außer ein wenig Kosmetik zu betreiben?“

„Das ist einfach zu beantworten. Mit dem Hinweis, dass der dritte Teil des Parteiprogramms 'Sicherheit & Ordnung' fast 1:1 von mir, also meinen jahrelangen politischen Forderungen, übernommen wurde.“

„Welche ehrenamtliche Tätigkeit haben Sie bis jetzt ausgeübt und hat sich ihr Einsatz geändert seit Sie Politiker sind?“

„Ich engagierte mich jahrelang ehrenamtlich in einem Eltern-Kind-Zentrum. Als meine beiden Kinder noch klein waren. Auch in der Bildungswerkstatt der Grünen war ich ehrenamtlich als Vorstand tätig. Ich bin Integrationsbotschafter und gehe in Schulen, um mit den Kids zu diskutieren. Privat setze ich mich für zwei Jugendliche, welche sozial benachteiligt sind, ein. Einer der beiden Jugendlichen ist Autist und ich begleite ihn, so gut ich kann.“

„Was qualifiziert Sie? Warum halten sie sich für qualifiziert?“

„Ich bin gelernter Gas- und Wasser-Heizungstechniker und habe auf dem zweiten Bildungsweg die Studienberechtigung erlangt. Dann studierte ich soziale Arbeit und danach Konfliktmanagement und Mediation in Linz. Ich arbeite seit meinem 16. Lebensjahr. Als Sozialarbeiter war ich bei der Umsetzung und Errichtung der Jugendhäuser für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge federführend dabei und im sozialpädagogischen Bereich im Auftrag der Kinder- & Jugendwohlfahrt in Linz-Urfahr und Urfahr-Umgebung betreute ich Kinder, Jugendliche und deren Familien. Das ist die Zukunft. Hier kann man noch einiges zum Besseren verändern. Auf der FH bin ich Lektor für Sozialpädagogik und soziale Arbeit. Ebenfalls in Oberösterreich. Ca. zwei Jahren verfasste ich Gastkommentare in den Oberösterreichischen Nachrichten und gegenwärtig schreibe ich einmal wöchentlich einen Gastkommentar im Volksblatt. Seit zwei Jahren bin ich im Bereich Konfliktmanagement und Mediation Selbstständig. Ich bin auch der Initiator der Europäischen Bürgerinitiative Stop Extremismus www.stopextremism.eu

„Herr Dönmez, eine Leserin fragt, wie man den ökologischen Fußabdruck am besten verringern kann. Wie stehen Sie persönlich dazu? Wie steht ihre Partei dazu?“

„Natürlich kann man bewusst konsumieren. Mobilität ist ebenfalls bewusst gestaltbar. Mein Fußabdruck in diesem Jahr fiel leider zu groß aus, da ich, terminlich bedingt, viel mit dem Flugzeug unterwegs war. Ansonsten halte ich meinen Fußabdruck so gering als möglich. Ich fahre von Oberösterreich nach Wien und umgekehrt mit der Bahn, benütze die Öffis. Nur am Land braucht es ein Auto, da man mit den öffentlichen Verkehrsmitteln meist viel zu lange unterwegs ist.“

„Herr Dönmez, die letzte Frage der Österreicher hat es in sich. Wie stehen sie zur Sterbehilfe?“

„Es gibt Menschen, die unheilbar krank sind und wo der Tod nur noch eine Erlösung ist. Selbst darüber zu entscheiden ist wichtig. Denken Sie an die Sterbehilfe in der Schweiz. Es ist auch eine ethische Frage. Aber immer eine höchst persönliche und schwierige Entscheidung.“

"Danke für das Gespräch, Herr Dönmez"

Ich muss sagen, dass Herr Dönmez mich – obwohl ich keine Journalistin bin und mit meinem Schreiben an ihn wohl etwas ungewöhnlich auftrat – in keinster Weise diskriminierte. Sein Terminkalender ist – wie bei allen meiner Gesprächspartner – ausgesprochen voll und ich habe großen Respekt vor seinem menschlichen Entgegenkommen. Am Ende des Gesprächs „lauerte“ bereits ein ORF-Team auf ihn. Das nächste Interview musste abgespult werden. Wenn also „so ein Politiker“ einem „Menschen aus dem Volk“ – mir also – so kurzfristig ein Gespräch gewährt… Nun. Verehrte Leser. Dann…. Ja, dann, kann es nicht um alle Politiker menschlich betrachtet so schlecht bestellt sein. Nicht wahr?

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Efgani

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