Fritz Wollinger

„Stell` Dir vor, man rief uns von der Pflegestation an! Wir mögen bitte dringend den Reisepass von Omi bringen. Sie möchte unbedingt wählen, sagte man uns.“

„Na, wie denn?“ Ich. Etwas verwundert. Weiß ich doch, um den körperlich wie geistigen Zustand dieser 93jährigen Dame.

„Hat sie denn wieder helle Momente? Ich dachte, sie erkennt nicht mal mehr deinen Mann? Ihren Sohn?“

„Ja, ja. Es hat sich nichts verändert. Sie glaubt meistens, mein Mann ist nicht ihr Sohn sondern ihr im Krieg gefallener Bruder. Sie sieht ja auch immer ihre Eltern. Wir haben uns daran gewöhnt, dass sie plötzlich mit anderen Verstorbenen zu reden beginnt und in eine andere Richtung im Raum sieht – dorthin, wo ihr diese Verstorbenen offensichtlich erscheinen. Aber, meistens dämmert sie ohnehin nur noch vor sich her…..“

„Und nun will sie unbedingt wählen? Das kann sie doch unmöglich begreifen. Passt doch alles gar nicht in das Bild ihres dementen Zustands!“ wundere ich mich und ahne „Böses".

„Na eh. Wir mussten so lachen, als die Dame von der Pflegestation anrief. Weil ein Kreuzerl kann man für sie ja machen – muss man ja auch, weil sie nicht mal mehr einen Stift halten kann. Klar, das Kreuzerl wird ganz sicher bei der SPÖ sein. Wir haben das ja bereits gehört, dass das Personal von den städtischen Einrichtungen Wiens DAS ja so macht. Die sammeln Stimmen für die SPÖ….

...Aber weißt du! Wir haben doch immer SPÖ gewählt. Nicht nur, weil mein Mann bei einem staatlichen Betrieb zeitlebens tätig war, sondern aus Überzeugung. Aber jetzt wählen wir die SPÖ nicht mehr. Nein! So was aber auch!“

Das Telefonat war bald darauf beendet und ich erinnerte mich, dass ich diese „Wahl-Geschichte der SPÖ“ bereits anlässlich der letzten NR-Wahl von anderen Wienern gehört hatte. Ich war damals fassungslos.

Auch erinnere ich mich an die Tatsache, dass die Waldarbeiter und anderen Arbeiter, wie Angestellten der Forstabteilung der Gemeinde Wien, welche im Nachbarort – zumeist – saisonal tätig sind, an Tagen, wo in Wien demonstriert wurde, frei hatten. Denn, sie müssen nach Wien demonstrieren fahren.Mit dem Autobus werden sie dorthin gekarrt. So war es. Wir mussten auch oft lachen.

Denn, die harten Kerle aus dem Wald haben sich dafür ordentlich geniert…. Aber naja, der Tag wurde ganz normal als Arbeitszeit verrechnet. „Eh wuarscht!“ meinten einige – die meisten sagten gar nix. Ich glaube, es war jenen „zwida“.

…. Omis Stimme hat die SPÖ jedenfalls sicher! Denn meine Bekannten brachten den Reisepass bereits ins „Heim“.

….. Aber, deren Stimme - so behaupteten sie zumindest, bekommt diese „nimma“. Und sollten sie sich von ihrer alten Wahlgewohnheit tatsächlich anlässlich dieser Wahl verabschieden….?

Ja dann. Ja dann heißt die Rechnung 3 minus 2 = bleibt nur noch Omis Stimme….

… Und ehrlich! Sie merkt ja eh nichts davon. Denn, Omi lebt längst in einer anderen Welt. Nur noch ihr Körper ist da. Im Pflegeheim…..