Die Art des Freitods Gottfrieds mag also "brutal" gewirkt haben. Wenn sich ein Mensch absichtlich "in die Luft sprengt", erscheint dies vorerst unfassbar. Für ihn "passte" jene Wahl. Er hatte in der Vorbereitungsphase ausreichend Zeit und Möglichkeit, sich für das hiesige Weiterleben zu entscheiden. Er tat dies nicht. Dort, wo er sich am liebsten aufhielt - in jenem Steinbruch - setzte er seinem Leben ein Ende. Hinabblickend auf seinen Heimatort, das Haus seiner Familie, und wohl auch in Himmel blickend, wo der Tag sich anzukündigte. Es war ein sonniger Tag....
Gottfried konnte jenen Druck und die menschliche Enttäuschung, welche ihm durch seine eigene Familie widerfuhr, nicht mehr ertragen. Seine stillen Schreie "wandelte" er in einen lauten Knall und eine gewaltige Erschütterung durch die Sprengung seiner selbst um. In einen lauten, letzten Aufschrei. Dann wurde es still.... Und friedlich...
Als das Begräbnis stattfand, gingen seine Schwestern, wie auch seine Mutter hinter dem Sarg - indem ein paar "Stücke seines Körpers" lagen. Ich ertrug dieses Szeanrio nicht. So befand ich mich bald dort, wo er am liebsten war - im Steinbruch. Sein bester Freund, mein damaliger Partner war an meiner Seite und wir sahen gemeinsam auf das Dorf runter, wo zur selben Zeit der Trauerzug gen Friedfhof wanderte. ... Da kam ein Auto. Ein altes kleines grünes Auto. Eigenartig. Es waren doch "alle" anderen am Weg zum Friedhof... Sämtliche Kollegen, Firmenchefs, Bekannte und Freunde erwiesen ihm die letzte Ehre. Ich war noch sehr naiv.... Den Fahrer, der aus dem PKW stieg, kannte ich nicht. Den Beifahrer allerdings sehr wohl. Es war ein Jugendfreund meines Vaters. Einer der "größten" Unternehmer in der Region. Vielmehr "der Seniorchef". Ich kannte ihn seit meiner Kindheit. ... Wir versteckten uns zwischen den LKWs und beobachteten, was nun geschan. Jener "vielfach geehrte" Unternehmer - ob seiner wirtschaftlichen Erfolge - begann zu fotografieren und zu filmen. Alles begann er so "festzuhalten". Ich wusste, dass er seit Jahren noch einen Steinbruch "haben" wollte. Jener fehlte ihm noch in seiner "irdischen Sammlung" (heute nicht mehr - die Sammlung wuchs zwischenzeitlich weiter). Es ging hier um eine rein geschäftliche Handlung. Er wollte alles. "Der frühe Vogel fängt den Wurm".
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Gewählt hatte er den Zeitpunkt wissentlich, denn zuvor stand er noch, hofiert von anderen Menschen, am Vorplatz der Kirche. Er ging davon aus, dass nun "alle" beim Begräbnis sind und seine "Visite" unbeobachtet blieb. So war auch der "Chaffeur" und das alte Auto, mit dem die Beiden kamen, Teil seines Plans. Nun. Wir hatten ihn dennoch gesehen. Es sollte so sein.
Der Tod und die Art, mit welcher Gottfried sich das Leben nahm, hat mein Leben beeinflusst. Bis heute und wohl darüber hinaus. Nicht nur, dass ich ein wenig mehr begriff, wie "richtige" und "erfolgreiche" Unternehmer agieren.... Und, dass ich wohl hierfür nicht geeignet bin, sondern auch deshalb, weil ich einige Jahre später mit dem gleichen Thema zu kämpfen hatte. Eigentlich, heute noch. Immer wieder dachte ich daran, meinem Leben ein Ende zu setzen. Weil ich nicht mehr konnte. Weil mein Seelenschmerz, die Enttäuschung ob der Menschen so groß war, dass ich meinte, der Boden unter meinen Füßen wäre nicht mehr da. In dieser Zeit erinnerte ich mich allerdings immer wieder an Gottfried. Es war, als hätte er mich angstupst.... Es war mir "klar" geworden, dass ich wohl stets die freie Wahl habe. Dass ich durch meinen Tod allerdings jene Menschen, die mich so verletzten, nicht ändern würde. Ich wusste, es gäbe einen kurzen und heftigen Tratsch, wo viele Menschen den kurzen Zeitraum des sich "Wichtig-machens" nützen würden. Bald aber, sehr bald würde "das Leben" weitergehen... so, wie in Gottfrieds Fall. Ich lernte zu unterscheiden, dass der Gedanke an Selbstmord oft ein "Da schaut her, was Ihr mit mir gemacht habt" sein kann. Manchmal ist es aber auch die pure eigene Verzweiflung, wo man all diese Gedanken und Gefühle nicht mehr hat.Man könnte sagen, Gottfried wurde mir zum Engel. Durch sein Leben und seinen Tod wurde ich ein Stück mehr "lebensbejahender". Seine Entscheidung habe ich zu akzeptieren und zu verstehen gelernt. Es war "sein Weg". Für mich war sein Freitod letztlich wie ein Anker, den er mir zuwarf. Einen Anker, der mich ein wenig mehr "erdeet". Und er? Ihm "geht es gut". Das weiß ich.
Biographisch.