Ich unterrichte Deutsch als Fremdsprache an einigen Einrichtungen in Wien und letztens hatte ich wieder einen C1-Kurs (lt. europäischem Referenzrahmen die Oberstufe, bei C2 ist das muttersprachliche Niveau erreicht) und das mehr denn je aktuelle Thema 'Zivilcourage' auf den Tisch gebracht. Einige Artikel aus diversen Zeitungen betreffend Tuğçe Albayrak und den am Stefanitag im Lift liegengelassenen Mann sollten Grundlage für eine Diskussion sein. Bei der Sache mit dem Lifttoten waren sich alle meine KursteilnehmerInnen einig, dass man helfen solle, doch beim MädchenTuğçe gab es einen, der nicht verstanden hatte, warum sich die junge Frau überhaupt in einen Streit eingemischt hat. Er meinte: "Vielleicht hat sie die Situation falsch eingeschätzt und die Männer hätten ihre Berechtigung gehabt, die beiden jungen Frauen zu bedrängen und zu belästigen? Da muss sie doch nicht eingreifen, denn wehren dürfen sich Männer schon...". Ein Raunen ging durch unser Klassenzimmer und alle meinten, dass es doch egal sei, warum ein Streit überhaupt entstehe, die Hauptsache wäre, dass der Streit geschlichtet würde und das Problem friedlich gelöst werde. Der Streitgrund stünde im Hintergrund.

Ich sehe das auch so und finde es sehr schade, dass jemand mit dem Leben büßt, wenn er zur Hilfe eilt. Manchmal muss man sich aber nicht selbst in Gefahr bringen und es wäre wohl am besten, die Polizei zu rufen oder in einer Gruppe mit anderen Menschen Hilfe zu leiten. Manchmal geht es aber nicht anders, und dann kann man nur hoffen, dass die Zivilcourage etwas genützt hat.

Grundsätzlich finde ich, dass man auf jeden Fall den Mut haben sollte, stehen zu bleiben und einzugreifen, wenn Hilfe benötigt wird. Oder sich zu solidarisieren, wenn ein Satiremagazin wie Charlie Hebdo Ziel eines Terroranschlages geworden ist.