Auf, auf zum "kollektivem Unsinn"

Natürlich mache ich auch mit. Schließlich will man ja nicht aus der Reihe tanzen und es hat schon etwas Erleichterndes, wenn man brav und ruhig hinter dem Leitwidder herwandert, der da selbst wieder dem Hirtenhund gehorcht und jener dem Hirten. Hierarchie im besten Sinne des Wortes. Der einzige Unterschied zum menschlichen „kollektiven Unsinn“ ist die schlichte Tatsache, dass der Hirt es mit seinen Schafen wirklich gut meint, dass er sie auf die beste Weide führen will. Sein Ziel ist sicherlich auch, dass er sie letztendlich so ertragreich wie möglich haben möchte, also gute Wolle oder Milch, letztendlich das Fleisch. Der Hirte lebt von seinen Schafen. Auch wir lassen uns scheren und melken, allerdings ohne auch nur einen Blick auf die fettesten Weiden erhaschen zu dürfen. Dennoch folgen wir dem Ruf. Ich auch. Es ist ja auch meine Bürgerpflicht. So habe ich es gelernt, und hoffe noch immer darauf, dass meine Stimme einen echten Beitrag leistet, wozu auch immer. Vage Hoffnung, immer wieder aufs Neue, dass Wahlversprechen mehr sind als Versprecher und die Meinung, dass ich mich darauf verlassen kann, nicht zu einem Verlassen-sein führt, auch wenn ich es schon längst besser wissen müsste.

Damals, als ich das erste Mal wählen ging, da hätte ich solche naiven Annahmen noch irgendwie rechtfertigen können. Doch mittlerweile sind mehr als zwei Jahrzehnte vergangen und viele, viele Wahlen mit ihnen, so dass ich es eigentlich besser wissen müsste, vor allem nach der entlarvenden Aussage, dass man im Wahlkampf eben viel redet. In diesem Fall ist mit „kollektivem Unsinn“ sind die Landtagswahlen gemeint. Seit Wochen lächeln mir die diversen Wahlwerberinnen von mehr oder weniger gelungenen Plakaten entgegen, in denen in Kurzfassung wiedergegeben wird wofür der oder die jeweilige steht. Herr Niessl meint lapidar, dass man ihn wählen muss, wenn man ihn will. Na no na net, würde ich sagen. Das hätte ich auch ohne Plakat gewusst. Oder Herrn Voves schärfster Kritiker ist er selbst. Sofort fängt meine Phantasie zu arbeiten an, und ich sehe den Herrn Landeshauptmann morgens vor dem Spiegel, wie er mit sich hadert. Stelle es aber sofort wieder ab. Das ist so wenig seriös. Umso seriöser sind die Wahlkampfthemen.

So tritt für die Freiheitlichen die Tatsache in den Mittelpunkt, dass ihre unschuldigen, wehrlosen Wahlplakate von bösen Randalierern angegriffen wurden. Schwer verletzt haben sie die bösen Menschen. Oder die Sache mit dem Uhudler. Das hätte ich sicher nicht verkraftet, wenn ich nächstes Jahr den Uhudler, der verkauft werden darf, nicht trinken könnte. Wenn ich ihn schon nicht trinke, dann zumindest weil ich die Wahl habe. Nur was die Ausgaben für diesen „kollektiven Unsinn“ betrifft, da habe ich keine Wahl. Die muss ich schlucken. Noch ein Kugelschreiber mehr, den ich nicht will, und dennoch bezahlen muss – dabei sind das noch die billigen Parteispenden. Arbeitszeit, die dahin geht, dass mir Wahlpropaganda ins Haus flattert, die ich nicht will. Aber in Österreich will man in kleinen, noch besser in kleinsten Strukturen denken. Schließlich steht uns die schauderhafte Erinnerung noch lebhaft vor Augen, als wir unbedingt wieder groß sein wollten, und sei es, dass wir uns dem Deutschen Reich anschlössen.

Mittlerweile haben wir dazugelernt. „Small ist beautiful“, und nur als kleines Land behalten wir auf der Insel der Weinseligen unseren Charme. Seitdem wird die Kleinheit kultiviert, in Form von Landtagswahlen, die einen Landtag erfordern, den wir wählen können, und das neun Mal. „Kollektiver Unsinn“, weil ja bis nach Abschluss des Wahlmarathons nichts Sinnvolles gearbeitet werden kann. Wien muss wählen, dann fangen wir wieder an über dringendst notwendige Reformen nachzudenken. Im Herbst findet das Spektakel statt. Bis dahin heißt es rennen um Stimmen und Verstummen gegenüber den wichtigen Dingen. Denn wer in Österreich Veränderungen durchführt, der muss damit rechnen dafür abgestraft zu werden. Wir werden sehen ob das stimmt, heute Abend, wenn das Wahlergebnis der Steiermark bekannt gegeben wird. Vielleicht stellen wir fest, dass der Österreicher doch nicht so dumm ist, wie die Funktionäre meinen.

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Bernhard Juranek

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