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Barmherzigkeit ist eine wichtigsten Tugenden, die die monotheistischen Religionen einfordern, so auch das Christentum, und das auch noch in seiner Abart, der katholischen. Nicht nur, dass sich die katholische Kirche mitten im Jahr der Barmherzigkeit befindet, so hat auch schon Jesus gesagt: „Selig die Barmherzigen, denn sie werden Erbarmen finden.“ (Mt. 5,7) Dabei bedeutet Barmherzigkeit, sein Herz zu öffnen für die Not und das Elend der Welt, des Mitmenschen, des Nächsten. So weit das Wort. Aber wie sieht es mit der Tat aus?

Eine Freundin von mir – nennen wir sie – Anna, beschloss eines Tages, sie wolle mehr aus ihrem Leben machen, wolle sich selbst verwirklichen und das, indem sie die sklavischen Bedingungen eines lohnabhängigen Verhältnisses hinter sich ließ um sich mittels Selbständigkeit entfalten zu können. So weit das hehre Bild. Ist doch hübsch, so wie Bäume, die in den Himmel wachsen, und wer gut klettert holt sich das Gold des Riesen.

In Wirklichkeit ist Anna über 50 und das Unternehmen, in dem sie bisher arbeitete, immerhin seit 22 Jahren, musste Insolvenz anmelden. Anna begann sofort sich um einen neuen Arbeitsplatz umzusehen, doch mit über 50, da ist nichts mehr mit neuer Stelle. „Viel zu alt!“, war der Tenor, „Viel zu teuer!“, ging es weiter. Dann saß sie also da, und wusste nicht ein noch aus, so dass sie die Selbständigkeit als einzigen Ausweg sah. Es ließ sich auch gut an, doch bis sich die Anstrengungen auch konkret am Bankkonto niederschlagen, das dauert seine Zeit. Anna drosselte ihre Ausgaben auf das absolute Minimum. Nicht, dass sie bisher wie ein Krösos gelebt hatte, doch wenn sie den Gürtel enger schnallte, dann würde sie finanziell über die Runden kommen.

Da flatterte eines Tages die Vorschreibung der Kirchensteuer ins Haus. Es war nicht besonders viel, doch es würde ihr helfen, wenn sie einen Zahlungsaufschub erhielte. Sie wolle sich gar nicht drücken, nur ein wenig Aufschub. Mitsamt ihres letzten Einkommenssteuerbescheides schickte sie ihr Ansuchen an die zuständige Stelle. Antwort erhielt sie keine. Vorerst. Stattdessen kam einige Zeit später eine Mahnung. Nicht einmal ein Bezug auf ihr Schreiben. Sie müss fristgerecht zahlen. Anna war enttäuscht. War das die Barmherzigkeit? War das die große Liebe zu seinem Nächsten, die in der Not half? War das die Kirche, die sich in der Nachfolge Christi sah?

Anna war enttäuscht, so enttäuscht, dass sie einen Schritt tat, den sie für sich nie für möglich gehalten hatte, denn sie war in der katholischen Kirche verwurzelt, sah sie als Teil ihrer Identität. Aber das war nicht die Kirche, die ihr Heimat war. Nie hatte sie etwas gebraucht, nie gefragt, doch jetzt, da sie etwas brauchte, da war nur Schweigen und Pochen auf Recht. Sie trat aus. Einige Tage später fand sie einen weiteren Brief vor. Er war von ihrem Bischof. Wie bedauerlich es doch wäre, dass sie der Kirche den Rücken zuwendete. Unter anderem stand darin auch zu lesen, wenn es finanzielle Hintergründe hätte, so könnte man doch darüber reden.

Plötzlich konnte man darüber reden? Sie hatte es versucht, zu reden, hatte sich entblößt und ihre Notlage geschildert, aber all das fruchtete nicht. Sie hatte es erlebt, dass von all den großen, salbungsvollen Worten, letztendlich nicht viel bleibt.

Aber wie sagte schon Jesus über die Pharisäer? „Alles nun, was sie euch sagen, das tut und haltet; aber nach ihren Werken sollt ihr nicht handeln, denn sie sagens zwar, tuns aber nicht.“ (Mt. 23,3)

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