In meinem Text „Hingabe“ habe ich eine sanfte, romantische, ein wenig erotische Szene beschrieben. Zwei Menschen finden zueinander, in Vertrautheit und Einigkeit. Ich belasse es bei einem unverfänglichen Du und Ich. Alles andere lasse ich ganz bewusst offen. Natürlich habe ich meine eigenen Bilder im Kopf, gebe dem Du und dem Ich Körperlichkeit, doch welche, das bleibt mein Geheimnis. So wollte ich den Lesenden die Möglichkeit geben sie mit ihren eigenen Bildern zu verkörperlichen, und auch das darf ihr Geheimnis bleiben. Am nächsten Tag bekam ich folgende Rückmeldung: „Es ist schon schade, dass Du lesbisch bist.“ Zweierlei fällt mir daran auf. Erstens könnte ich mich nicht daran erinnern auch nur angedeutet zu haben lesbisch zu sein und zweitens habe ich nicht verstanden was es daran zu bedauern gäbe, wenn es so wäre. Offenbar hat dieser Leser in diesem Text zwei Frauen gesehen, und das ist wohl auch sein gutes Recht, ganz gleich wie er auf diesen Gedanken kommt. Aber was auch immer man sieht, es hat eine Vorbedeutung, denn es wird eine Entscheidung getroffen wie ich dieses Paar sehen will. So wie ich einen Menschen ansehe und sofort kategorisiere. Das erste, naheliegendste Merkmal ist wohl die Zuordnung zu einem der beiden Geschlechter. Mit dieser Zuordnung verknüpfen wir anschließend bestimmte Anforderungen. Wenn diese nicht erfüllt werden, so gilt es als untypisch. Wir sind im besten Fall irritiert. Oft wird in diesem Zusammenhang der Satz ausgeworfen: „Es gehört sich nicht.“ Wie viel mehr muss es dann irritieren, wenn diese erste Kategorisierungsmöglichkeit wegfällt, wenn uns dieser Mensch die Möglichkeit nimmt sofort zu entscheiden.
Ich denke, dass das einer der wesentlichsten Gründe ist, dass es so viele unserer Art gibt, die Transgender ablehnen. Sie wollen eine Welt der Eindeutigkeit, der Berechenbarkeit, doch wenn ich plötzlich einen Menschen vor mir habe, der durchgehend weibliche Attribute trägt, diese feminine Figur, die durch die Kleidung auch noch betont wird, diese großen, sanften, dunklen Augen, perfekt unterstrichen mit Lidstrich und Wimperntusche, und was auch immer sonst noch, was sich Frauen so auf die Augen schmieren, diese glänzenden, seidig wirkenden langen Haare, und dann der Bart. Irritation. Verärgerung, und dann die Ablehnung dessen, was ich nicht kenne. Ich kann nicht sagen ob es ein Mann oder eine Frau ist, sondern nur, dass es ein Mensch ist. Das scheint nicht genug zu sein. Der, der den Mensch erblickt will seine vorgefassten Kategorien nicht aufgeben. Aber der, der sich derart darstellt will sich eben jener Kategorisierung entziehen. Dabei können wir noch nicht einmal sagen, was eine Frau oder einen Mann jenseits des Körperlichen ausmacht. Sicherlich, es gibt reihenweise Attribute, die als weiblich und männlich vermittelt werden, doch warum muss ein Mann sich sagen lassen, dass er hart und aktiv und fordernd sein muss. Der Mann hat die Schöpferkraft und den Geist zu Innovationen. Frauen hingegen sind weich und passiv, hingebend und annehmend. Sonst verlieren sie ihre Weiblichkeit, womit jener Bestsellerautor (dessen Name ich mich weigere auch nur in die Finger zu nehmen) erklärt, dass Frauen immer schmalhüftiger und flachbrüstiger werden.
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Ich will als Mensch sein dürfen, aktiv oder passiv, fordernd oder hingebend, hörend oder sprechend, draufgängerisch oder zurückhaltend, ohne deshalb sofort meine geschlechtliche Identität zu verlieren. Ich habe die Vision von einer Begegnung, in der man keine Kategorien braucht, außer der Zuordnung Mensch, und ich gehe deshalb nicht zum Arzt. Es ist dabei nicht nur ein Zugeständnis an die Zeit, sondern vor allem an mich selbst, dass ich mich überraschen lassen kann wie dieser Mensch ist, als er selbst.