Wir leben in einem kapitalistisch dominierten Gesellschaftssystem, anerkannt und praktiziert. Wobei der Kapitalismus in Österreich so seine Eigenheiten und Fallstricke aufweist, vor allem, wenn er sich mit guten Taten ins Bett legt.

Geld verdienen bedeutet für seinen Lebensunterhalt zu sorgen. Wer genug davon erwirbt, der liegt der Öffentlichkeit nicht auf der Tasche. Das ist gut und richtig so. Geld verdienen ist an sich und für sich gesehen noch nichts Schlechtes, nicht einmal in Österreich mit seiner verschrobenen Form des „Austro-Kapitalismus“, so lange die Menge des Geldes entsprechend ist. Wenn jemand mehr verdient schlägt der angeborene Mechanismus aus und sagt uns, das kann nicht mit rechten Dingen zugehen. Da muss irgendeine Linke dahinter stecken. Reichtum wird grundsätzlich mit Misstrauen betrachtet, denn der kann nur aus dubiosen Quellen stammen, so weit er nicht vererbt ist oder solide im Lotto gewonnen wurde.

Der Gipfel der Unverfrorenheit ist jedoch, wenn jemand eine gute Tat vollbringt und dabei Geld verdient. Die gute Tat – soweit kennen wir unseren Schiller, aber auch Brechts guten Menschen, bei dem der Ausgang immer noch ungeklärt ist – hat ein bestimmtes Aussehen zu haben. Sie hat mit Büßerhemd einherzuschreiten, selbstlos, ja bis zur Selbstaufgabe alles zu investieren und völlig auf sich selbst zu vergessen. Denn der gute Mensch hat keine irdischen Bedürfnisse zu haben, muss kein Dach über dem Kopf haben und keine Miete bezahlen und nicht essen. Er ist einfach gut. Das hat ihm verdammt nochmal zu genügen. Es gibt nur ein entweder oder. Entweder ist man selbstlos. Dann vollbringt man eine gute Tat. Oder man ist auf den eigenen Vorteil aus. Dann kann es keine gute Tat sein. Immer wieder ein Totschlagargument, in dem schnell einmal aus der Verquickung von guter Tat und eigenem Vorteil, selbst wenn der noch so gering ist, ein Monstrum konstruiert wird, das ausschließlich auf diesen eigenen Vorteil bedacht ist und die gute Tat als Mittel zum Zweck missbraucht. Schließlich müsste es dem guten Menschen genügen, dass er das gute Gefühl erntet, das die Vollbringung der guten Tat mit sich bringt. Halten wir uns an Schiller dürfte nicht einmal das sein. Vielmehr müsste er zutiefst leiden darunter. Ein hehres Ideal, das sich gut auf einem hohen Sockel macht, wo es auch bleiben soll.

Die gute Tat, die ich vollbringe, die andere und auch mich selbst befördert, die ist an sich nichts Schlechtes und nicht verwerflich. Natürlich gibt es Menschen, die diesen Weg zur persönlichen Profilierung wählen. Aber das kann auch durchaus vorkommen, wenn man daran nichts verdient. Doch wer beurteilen will welche Motivation wirklich dahinter steckt, wie die Beweggründe aussehen und was für Auswirkungen das Getane hat, der möge herabsteigen von seinem hohen Ross und genauer hinsehen, möge sich ein vollständiges und vor allem wertfreies Bild machen, und dann, ja dann kann er sich eine Meinung bilden, auch wenn einem die innersten Beweggründe eines Menschen für immer verborgen bleiben werden. Nichts weiter als eine Ahnung kann ich davon bekommen, aber auch nur dann, wenn ich dazu bereit bin mitzugehen und nachzuvollziehen.

Allen anderen, denen ein kurzer Blick genügt, die immer vorgeben sofort alles zu wissen, die vielleicht auch nur eine kleine Momentaufnahme sehen, all denen möchte ich – mit allem Respekt und aller Höflichkeit, aber dessen ungeachtet nicht minder dringlich – ans Herz legen, haltet einfach den Mund, denn wenn man keine Ahnung hat, dann hat man auch nichts zu sagen. Dieses Vorgehen käme jenem gleich, bei der ein Richter aus einer Fülle von Informationen einen Aspekt herausgreift und den gesamten Fall nach diesem einen Aspekt beurteilt. Eine juristisch unzulängliche Vorgangsweise, doch im alltäglichen Umgang tolerieren wir sie sehr oft gerne, ohne uns Gedanken um die Folgen zu machen. Vielleicht wäre es ratsam doch ein klein wenig nachzudenken bevor man urteilt, denn wer weiß, vielleicht werden wir selbst mit den gleichen Mitteln abgeurteilt. Doch das wäre dann wahrscheinlich ganz etwas Anderes.

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