Ehe wir uns trauen

Ehe wir uns trauen ...

Ein wunderschöner, sonniger Tag im Mai. Zwei Menschen, traditionell gekleidet, die Frau im langen weißen Kleid und der Mann im schwarzen Anzug. Ob die Braut auch etwas Neues, etwas Altes, etwas Geliehenes und etwas Blaues hat. Auch das soll Glück bringen. So wie das Wetter als Omen genommen wird. So wie das Wetter am Hochzeitstag, heißt es, wird auch die Ehe sein. Und plötzlich sehe ich meine Großmutter neben mir, die seufzend sagt, „Die arme Braut, ihr letzter schöner Tag.“ Ich habe es lange Zeit nicht verstanden, was sie damit sagen wollte, doch es ist noch gar nicht so lange her, da war die Ehe vor allem eine Zweckgemeinschaft, jenseits von allem romantischen Geplänkel, diente sie dazu zu „wirtschaften“, wie es meine Großmutter ausgedrückt hätte, sich etwas aufzubauen, das dann an die Kinder weitergegeben werden konnte, um ihnen einen guten Start ins Leben zu ermöglichen. Keine besonders hehre Vorstellung, abseits von der großen Liebe und viel Geseufze, und doch auch in seiner Pragmatik bestechend. So hatten die Ehen einen fundierten Grund, eine Legitimität, die über das schwankende Gefühlspathos – bei allem Respekt auch davor – hinausging. Es war etwas Verbindendes, ein Ziel und eine Herausforderung. Der letzte schöne Tag war es wohl auch, da es Sitte war ab da die alten Kleider aufzutragen und sich auf die Arbeit zu konzentrieren. Das war der eigentliche Lebenszweck. Auch wenn es uns in seiner Ausschließlichkeit befremden mag, so war es wohl auch immer ein Anker, der einen hielt, auch in schweren Zeiten.

„Beim Heiraten muss man ans Sterben denken“, war ein weiterer Ausspruch meiner Großmutter, und neben der Wirtschaftsgemeinschaft im Hier und Jetzt, ist es auch rechtlich eine Gemeinschaft, die darauf abzielt den Partner zu versorgen und zu unterstützen, wenn der andere stirbt. So erhält der Hinterbliebene eine Rente vom Partner und hat ein Recht die gemeinsame Wohnung zu behalten. Das mag auch der eigentliche Grund sein, warum sich die bürgerlichen Kräfte immer noch so sehr gegen die gleichgeschlechtliche Ehe aussprechen – es geht um die Witwen- bzw. Witwerpensionen, die dann zusätzlich fällig wären, auch wenn großartig vom Erhalt der Familie getönt wird. Letztlich versteckt sich hinter jeder ideologischen Argumentation eine ökonomische Wahrheit.

Bei der Ehe im rechtlichen Sinne handelt es sich um einen zivilrechtlichen Vertrag zwischen Personen unterschiedlichen Geschlechts, deren Wille darauf gerichtet ist eine unzertrennliche Gemeinschaft zu begründen, Kinder zu zeugen und zu erziehen und sich gegenseitig Beistand zu gewähren (ABGB § 44). Nirgendwo ist da die Rede von Monogamie oder Treue. Es geht um so pragmatische Dinge wie die gemeinsame Erziehung der Kinder und des gegenseitigen Beistandes. Bis zur Zeit der Romantik spielte die Treue auch nur insofern eine Rolle, als dass durch Untreue nicht garantiert werden konnte wer der legitime Vater eines Kindes war. Demzufolge war es auch nur logisch, dass ausschließlich Frauen Ehebruch begehen konnten. Legitimität der Erben war das Zentrum, und keine verbrämte Romantisierung eines exklusiven Besitzanspruches. Nicht, dass ich grundsätzlich etwas gegen Romantik und hochhehre Gefühle habe, aber um eine Ehe zu begründen, bedarf es mehr als dieser.

Ehe Du Dich traust, Dich trauen zu lassen, bedenke, dass neben den Hochphasen auch Tiefs kommen, Zeiten, in denen man meint, den anderen nicht zu kennen, Zeiten, in denen man keinen Zugang zueinander findet, wo sich Gräben auftun, die unüberwindlich scheinen. Vielleicht entwickelt man sich auch anders, als man das dachte, denn die Jahre können auseinander führen. Doch wenn es so ist, bin ich dann bereit den Weg auf mich zu nehmen, bis ich eine Stelle gefunden habe, an dem der Graben schmal genug ist um ihn zu überwinden, bereit, über all diese Differenzen die Hand zu reichen, bin ich bereit zu vergeben und das Vergebene ruhen zu lassen? Wie jedes menschliche Miteinander ist eine so enge Partnerschaft eine permanente Herausforderung, ein Wagnis mit ungewissem Ausgang. Aber es zahlt sich allemal aus diese Herausforderung anzunehmen.

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Silvia Jelincic

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