So lange ich denken kann, habe ich im Kaffeehaus meine Zeit verbracht. Ich habe gearbeitet und geschrieben, gelernt und vergessen, gespielt und geflirtet, gedacht und verworfen, gefunden und verloren, gelacht und geweint. Egal ob morgens, mittags oder abends, ob Wochen- oder Sonntag, ich war im Kaffeehaus. Dem Lärm der Straße fliehend und doch alles beobachten könnend, hinter dem Fenster. Ich kann es nicht lassen. Immer wieder versuche ich mein Glück, doch was sich jetzt findet ist Schnellabfertigungsgastronomie mit McDonalds Niveau. Hastig schütten die Menschen ihre Latte hinunter, hängen in Wohnzimmerfauteuils mit Tischchen, die so klein sind, dass man jonglieren muss, will man nur das Smartphone neben die Kaffeetasse stellen. Dafür gibt es WLan. Nach wie vor gehen die Menschen nicht allein ins Kaffeehaus, oder in das, was sie dafür halten, aber sie verbringen die Zeit allein, im Internet, mit einem Telephonat. Es macht nichts. Die Begleitung tut es auch.
„Franz, einen großen Mokka, extra stark. Oder nein, doch lieber einen Verlängerten, schwarz. Es ist schon spät“, sage ich, und die Bedienung sieht mich verdattert an. Der Herr Franz ist nicht mehr grantig, weil es ihn gar nicht mehr gibt. Er ist ersetzt worden durch eine adrette Bedienung, die zwar den Unterschied zwischen Mokka und Verlängertem nicht mehr kennt, dafür aber ein wunderbares Marketing-Lächeln aufzusetzen weiß. Wenn es denn überhaupt noch eine Bedienung gibt. Wenn man sich nicht überhaupt an der Theke anstellen muss um miterleben zu müssen, wie sich an sich anständige Menschen dazu verleiten lassen einen ausgezeichneten Kaffee mit Vanille-Flavour zu versauen, oder gar mit kalter Milch.
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„Gem’s ma meinen Coffee mit kalter Milch. Der lässt sich schneller trinken“, höre ich eine Stimme neben, und versinke in Wehmut.
„Einen großen, schwarzen Kaffee ohne Milch“, sage ich letztendlich, seufzend. Vielleicht hat sie es verstanden.
Da entdecke ich, nicht weit von mir, eine kleine, schäbige Tür. War die vorhin auch schon da? Neugierig gehe ich auf sie zu. Die Farbe ist abgeblättert und die Klinke verrostet, aber sie ist intakt. Vorsichtig drücke ich die Klinke und spähe neugierig hinein. Dahinter liegt ein kurzer, schmaler Gang. Kurzentschlossen trete ich ein und schließe die Türe sorgfältig hinter mir. Es duftet nach Kaffee und Zimtschnecken. Dicke Rauchschwaden durchziehen die Luft. Der Gang endet in einem Raum mit schummriger Beleuchtung. In der Mitte steht ein Tisch, der voll beladen ist mit Zeitschriften. Leise unterhalten sich die Menschen an den Tischen. Ehrfürchtig nehme ich Platz. Schlurfende Schritte nähern sich.
„Herr Franz?“, frage ich verdattert.
„Wer denn sunst? Die Mitzi Tant? Was derfs sein?“, sagt er schnoddrig.
„Einen großen Mokka“, sage ich, und die schlurfenden Schritte entfernen sich wieder. Die Straße vor dem Fenster ist belebt, doch herinnen ist es ruhig, keine Hintergrundbeschallung, nur vielleicht die eine Melodie, die mir durch den Kopf geistert. Ich kann meine Gedanken wieder hören, meine eigenen Gedanken. Verschämt drehe ich mein Smartphone auf lautlos. Ich will nicht stören. Ich lehne mich zurück, in den weichen Polster und zünde mir eine Zigarette an. Der Herr Franz bringt den Kaffee und ich lasse mir den Duft in die Nase steigen.
„Herr Franz, ich bin so glücklich, dass es noch ein richtiges Kaffeehaus gibt“, sage ich lächelnd. Irritiert hält er inne und sieht mich an.
„Hörn Se, ich habe ja schon viel Unsinn in meinem Leben ghört, aber des ist die Höhe. Uns gibt es nicht“, sprachs, und schlurfte davon.