„Viele Österreicher sind träge geworden, haben wenig Kinder, leisten sich eine globalisierungskritische Attitüde und vergessen dabei, dass wir im Paradies leben – noch. Auch wenn aus ideologischen Gründen oft anderes erzählt wird: Der Wohlfahrtsstaat Österreich sorgt für Gerechtigkeit. Sollte in nächster Zeit die Kluft zwischen Arm und Reich steigen, dann ist das nicht das Versagen raffgieriger Eliten, sondern eine Folge von Migration.“

[1]

Sehr geehrte Frau Salomon[2]!

Man mag mich für kleinlich halten, ja kapriziert gar, aber als ich diesen „Leitartikel“ las, fragte ich mich denn doch, ob ich die einzige von fast 150.000 Kurierlesern war, die über diesen Satz stolperten und ernsthaft in Erwägung zogen sich nicht weiters mit jenem Medium zu beschäftigen, denn was da in einem einzigen Satz, noch dazu in einem „Leitartikel“ verbrochen wird, schlägt die härtesten Aussagen eines Milton Friedman bei Weitem. Die Trägheit der Österreicher hätte ich zur Not noch hingenommen, allerdings wird träge, nicht nur, wem es zu gut geht, sondern auch derjenige, der gegen Gummiwände rennt und keinen Sinn sieht. So bei der Politik, die alle paar Jahre vom Wähler verlangt, dass er sie abnickt, und dann geht es weiter wie bisher. Doch es all das Engagement in sozialen Bereichen, bei Attac, WWF, AI und wie die Initiativen alle heißen, entstammen purer Trägheit. Aber gut, lassen wir es dahingestellt. Geschenkt.

Und doch führt wohl auch die Trägheit zu weniger Kinder, und hat sicher nichts mit dem kinderfeindlichen Umfeld zu tun, nichts mit der miserablen Schulsituation. Eine ganze Nation beschließt weniger Kinder zu bekommen, weil es anstrengend und wir zu träge sind. Geschenkt. Aber die globalisierungskritische Attitüde leiste ich mir. Bei dem Wort steigt sofort das Bild des gespreizten kleinen Fingers vor meinem Auge auf, also eine affektiert wirkende Geste. Damit wird in einem Wort gesagt, Globalisierungsgegner in einem reichen Land machen das wohl, weil ihnen gerade fad ist, und weil es ja sonst nichts zu bekritteln gibt. Dies gilt besonders im Land der Nörgler und Raunzer, in einem Paradies der Nörgler und Raunzer. Und ja, das Paradies, in dem immer noch Obdachlose und Straßenkinder zu finden sind. Das sind wohl Kollateralschäden. Oder einfach die, die sich stur dagegen wehren das Paradies zu erkennen.

So bösartig kann man sein, dass man das gebratene Hähnchen auch dann nicht sehen will, wenn man angeblich schon darauf herumkaut, nachdem es einem direkt ins Maul geflogen ist. Und ja, die Gerechtigkeit des Wohlfahrtsstaates. Wobei mir ad hoc einfällt, wie unser guter Landespapa allen Schulanfängern (ich spreche gerade vom Burgenland) € 100,-- zukommen ließ, und zwar wirklich allen, was natürlich gerecht ist. Ja, gerecht ist es natürlich auch, dass nach wie vor Arbeit höher besteuert wird als Kapital, und bis nach Wien scheint es sich immer noch nicht herumgesprochen zu haben, dass die Kluft zwischen Arm und Reich aufgrund von arbeitslosem Einkommen aufgeht, und zwar auf Seiten der Reichen, bei denen die Zinseinkünfte stärker steigen, als es jedes realwirtschaftliche Wachstum je könnte. Vielleicht wäre ein Grundkurs zu wirtschaftlichen Zusammenhängen angeraten.

Raffgierige Eliten, die der Realwirtschaft den Boden entziehen, gewinngeile Aktionäre, die große Konzerne dazu bringen, dass die Erzeuger sündhaft teurer Textilien noch mehr ausgebeutet werden. Nicht die Migranten kosten viel Geld, sondern die Form eines Neoliberalismus, der den sowieso schon Reichen erlaubt mit aller Macht in den freien Wettbewerb einzugreifen, wohingegen die Armen desto eifriger ausgebeutet werden können. Aber dazu kann man manchmal auch im eigenen Blatt was nachlesen. Wenn nicht, dann empfehle ich mal ein wenig über die Grundbegriffe unseres Geldsystems nachzulesen.

Ja, ich leiste mir meine globalisierungskritische Attitüde, nur ob ich mir den Kurier weiter leiste, das ist eine andere Frage.

Hochachtungsvoll,

Daniela  Noitz

4
Ich mag doch keine Fische vergeben
Meine Bewertung zurückziehen
Du hast None Fische vergeben
6 von 6 Fischen

bewertete diesen Eintrag

Claudia Tabachnik

Claudia Tabachnik bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:15

Paradeisa

Paradeisa bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:15

fischundfleisch

fischundfleisch bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:15

Petra vom Frankenwald

Petra vom Frankenwald bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:15

6 Kommentare

Mehr von Daniela Noitz