Es ist ein Tag wie jeder andere, und doch gemahnt es ein wenig an Ausnahmezustand. Der erste Schultag. Ganz Ostösterreich scheint seine Kinder in die Schule zu bringen. Nicht nur die Tafelklassler. Es ist nicht das erste Mal für mich. Ich erlebe es mittlerweile zum 23. Mal, wenn ich meine eigenen ersten Schultage mitrechne. Das einzige, was sich für mich geändert hat ist, dass ich die Seite gewechselt habe, vom Schülersein zum Muttersein. Als ich damals mit meinem Maturazeugnis die Schule verließ, dachte ich eigentlich, dass ich da nie wieder hin muss. Wie kurzsichtig man doch sein kann. Vor zehn Jahren begann ich nun erneut zur Schule zu gehen, indirekt sozusagen, und diese Jahre sind gepflastert mit guten bis miesen Erfahrungen, so wie so wohl jeder von uns macht, doch ganz gleich wie viel Zeit vergeht, wie viel ich erlebte und wohl noch vor mir habe, viel hat sich seit dem Tag, an dem ich mit meiner Schultüte antrat, nicht geändert. So hatte ich mich über all die Jahre, immer in der letzten Ferienwoche gefragt, warum dieser Schulbeginn so dilettantisch sein muss. Natürlich, als Schülerin freute ich mich, eine Woche mindestens noch Atempause, weil es noch keinen Stundenplan gab und keine Bücher. Die kommen irgendwann.

Hefte mussten besorgt werden. Alles scheibchenweise. „Abo beim Libro“, nenne ich es mittlerweile, und jeder, der Kinder hat weiß was das bedeutet. Jeden Nachmittag in einem Papierwarengeschäft zu verbringen, um wieder das eine oder andere Heft zu besorgen. Dazu jede Menge Umschläge und was es da sonst noch gibt. Man hat ja auch sonst nichts zu tun. Warum nur, so fragte ich mich jedes Jahr aufs Neue, warum nur kann man das nicht in einem Aufwachen erledigen? Irgendwann, es war Unterstufe, ein Lichtblick. Ein Klassenvorstand kündigte an die Kollegen zu bitten alles, was diese Klasse brauchte, in eine Liste zu schreiben und diese zu verteilen. Was für eine Wonne! Das war wie die Verlautbarung, ich wäre für den nächsten Literaturnobelpreis vorgeschlagen worden. Schon am nächsten Tag war ich wieder am Boden. Es war leider nicht möglich gewesen. Dann war ich irgendwann so weit, dass ich meinte, wir lassen alles zusammenkommen, um erst dann einen einzigen Großeinkauf zu tätigen.

Aber auch das gewöhnte ich mir sehr schnell ab. Denn das eine bestimmte quartgeformte, recyclingerprobte Heft mit 20 Blatt, Rand und geschwungener Zierleiste, das musste am nächsten Tag da sein. Was ist denn schon dabei, einmal kurz zum Papierfachgeschäft zu fahren. Alle anderen schaffen es ja auch. Ja, natürlich, das merkte man auch sofort, dass es alle anderen auch machten. Und es blieb ja oft nicht bei dem einen Geschäft. Manches war vergriffen oder nur im Spezialpapiergeschäft erhältlich. Da fragte ich mich schon ob es viel Sinn hatte ein einziges biologisch atmendes Heft zu kaufen, wenn ich dafür dreißig Kilometer mit dem Auto fahren musste. Und es war auch dieser erste Schultag, der meinem Sohn den Rest seiner Schullaufbahn verleidete. Ein ganzes Jahr hatte er sich auf die Schule gefreut, und zwar richtig gefreut, so mit zählen wie oft er noch schlafen müsse.

Dann war er da, der große Tag. Freudestrahlend betrat er das Haus, doch als er es wieder verließ, sah ich auf den ersten Blick, die nächsten Jahre würden traumatisch oder zumindest jeden Tag ein wenig ernüchternder werden. Was war geschehen? Nichts. Eben. Eine Stunde rumsitzen und wieder nach Hause geschickt werden. Das war geschehen. Um den Einstieg zu erleichtern, hieß es. Mein Sohn wollte nichts erleichtern, er wollte machen, doch dann war da einfach nichts. Ehrlicher wäre es, diese erste Woche einfach freizugeben und dann mit einem kompletten Stundenplan, einer gefüllten Schultasche und einem richtigen Programm zu starten. Ehrlicher und konsequenter, in einer Schule, in die Schüler und Lehrer gerne gehen, sie gefordert und gefördert werden, und den Lehrern endlich die Bürde der Janusköpfigkeit abgenommen wird in jedem Moment des Kontaktes mit dem Schüler gleichzeitig wollen zu müssen, dass er sein eigenes Denken einbringt und jeden kleinen Beistrich an dieser Aussage beurteilt. Das ist nämlich verlogen, und das spüren beide Seiten. Jetzt bin ich mittlerweile so weit, dass ich die Tage zähle bis endlich wieder die nächsten Ferien sind und wann endlich dieses Schuljahr zu Ende ist. Eigentlich schade drum.

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Susannah Winter

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