Eines der entsetzlichsten Verbrechen ist in unserem kleinen, idyllischen Ort verübt worden. Ein Säugling wurde entführt. Trotz des skandalösen Ausmaßes der Untat fehlt von den Tätern bisher jede Spur.
Mitten in Mustermannshasen. Mitten unter den sonst so wachsamen Blicken der Ortsbewohnerinnen, schlugen sie zu. Oder waren sie doch nicht aufmerksam? Waren sie zu beschäftigt damit sich an den Keksen und Kipferln gütlich zu tun, aber auch am Weihnachtspunsch und am Eierlikör, dass sie es nicht bemerkten? Aber vielleicht war eine solche Tat auch nur deshalb möglich, weil die Leute sich um die nicht kümmern, die nicht zur Gemeinschaft gehören? Natürlich, es handelt sich um Outlaws, Zuagraste, wie man so schön sagt, die in einem der heruntergekommensten Absteigen unseres Ortes endlich, nach tagelanger Suche, eine Bleibe fanden. Kurz darauf gebar die Frau ein Kind. Dennoch mussten sie bleiben wo sie sind.
„Wenn man die doch nicht kennt“, sagten die einen.
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„Das sind sicher Verbrecher oder so was“, erklärten andere.
„Wer weiß ob die wirklich schwanger ist. Die hat vielleicht viele Bomben da versteckt und tarnt das als einen Bauch“, meinten wiederum andere.
„Da muss man schon ein Auge drauf haben“, sagten manche.
„Die Polizei“
„Die Gemeinde“
„Die Müllabfuhr“
„Der Pfarrer“
„Der Bürgermeister“
Aber all die angegebenen Personen hatten keine Zeit. Schließlich musste Weihnachten gefeiert werden. Die Polizei musste sich um den Weihnachtspunschausschank kümmern. Die Gemeinde hatte über Weihnachten, Sylvester, bis zur Fastenzeit geschlossen. Die Müllabfuhr musste die unverwertbaren Reste des Weihnachtsmahls und die überflüssigen Geschenke samt Papier und Schleifen entsorgen. Der Herr Pfarrer musste sich um die Predigt kümmern. Schließlich waren viele Feiertage und der Herr Bürgermeister musste repräsentieren, was auch immer das bedeuten mag. Und all die anderen waren offenbar auch zu beschäftigt. Erst einige Tage später wurde die Anzeige einer Bürgerin überhaupt ernst genommen. Diese Bürgerin war eine von diesen Alternativen, eine Linke, die in einer Kommune lebt und sich der guten Tradition des Fleischessens und dem Konsum verwehrt. Da muss man dann schon misstrauisch sein.
Man fand jedenfalls, als man letztlich der Anzeige nachging in der Unterkunft der Einwanderer den Vater, immer noch stockbesoffen, an einen Esel gelehnt. Die Mutter in Schockstarre und das Baby fehlte, mitsamt der Krippe, in die sie es angeblich gelegt hatten. Nun gilt es zu sagen, dass wohl der Babybauch weg war, aber niemand hatte den Vorgang des Gebärens verfolgt. Sie hatte auch, eigenen Angaben zu Folge, kein Krankenhaus aufgesucht, und das gibt schon Grund zu Misstrauen, denn niemand kann einfach so mir nichts Dir nichts ein Kind gebären, ohne Anleitung. Dabei handelt es sich schließlich um einen höchst komplizierten, medizinischen Vorgang. Deshalb wurde zunächst der Stall gründlich durchsucht, aber es fanden sich keine Waffen. Auch die Papiere waren in Ordnung, aber was sagt das schon. So unwahrscheinlich die Sache auch anmutet, die Polizei ist gezwungen der Sache nachzugehen.
Falls jemand zufällig ein Baby mit Krippe findet, so möge er dies an der nächsten Polizeidienststelle abgeben. Ohne Krippe gilt es nicht. Es genügt aber völlig im Neuen Jahr. Es hat ja schließlich keine Eile.