Lesen ist Abenteuer im Kopf. Lesen bedeutet Unabhängig-keit und die Möglichkeit sich eine eigene Meinung zu bilden, indem man nicht darauf beschränkt ist, anderen zu glauben – aber gibt es nicht mittlerweile andere Möglichkeiten, effizienter und praktischer?
Natürlich ist lesen wichtig, für uns selbst, für unsere geistige Gesundheit und wohl auch, um einfach auf dem Laufenden zu bleiben. Pathetisch heißt es auch, Lesen ist Abenteuer im Kopf. Das wissen wir alle. Es wird auch überall propagiert, aber, einmal Hand aufs Herz und Herz auf die Zunge, was haben wir denn wirklich davon, dass wir uns stundenlang in die Einsamkeit verkriechen und uns in abstrakte Zeichen verstricken, gerade in einer Zeit, wo wir doch sämtliches Wissen anstrengungsfrei auf dem Flatscreen serviert bekommen?
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So gesehen hat das Lesen doch eine eindeutig antisoziale Seite, denn um fremde Worte zu verstehen, müssen wir uns Zeit nehmen und die Einsamkeit suchen. Und selbst wenn wir unter Menschen sind, bildet ein Buch eine natürliche Barriere zwischen mir und der Umwelt, und das gerade in einer Zeit, in der das Soziale angeblich so groß geschrieben wird.
Noch dazu verschafft uns das Lesen eine Möglichkeit der Realität zu entfliehen, so dass kraft- und willenlose Menschen einen Ausweg aus dem echten Leben finden. So die Menschen der Tat und der ständigen Betriebsamkeit, frei nach dem Motto, ich weiß zwar nicht wozu das gut ist, was ich mache, aber wichtig ist, dass etwas geschieht, selbst wenn es nichts anderes ist als ein Loch nach dem anderen auszuheben und wieder zuzuschütten. Irgendwo zwischen den beiden Extremen der Weltabge-wandtheit und der Dauerablenkung durch Pseudotätigkeit findet sich ein gangbarer Weg.
Zunächst ist das Lesen ein Akt der Emanzipation. Indem es mir möglich wird Gedanken aufzugreifen, die mir sonst nicht zugänglich gewesen wären oder gar unter Verschluss gehalten werden möchten. So werden durch das Lesen aus dem dummen Wahlvolk, mündige Bürger, was nicht unbedingt im Sinne der Wahlwerber ist. Doch Zusammenhänge, die vorher nicht sichtbar waren, werden aufgedeckt, Widersprüche entlarvt und hinterfragt.
So gesehen ist Lesen ein politischer Akt, ein Akt des Vorantreibens der Demokratie. Wobei die Aufnahme neuer Gedanken dazu führt, dass ich diese weiterführen kann und neue Erkenntnisse gewinne, die ich letztlich wieder mit anderen teilen kann, so dass das zunächst Asoziale in das Soziale zurückfindet, wodurch es durch die Auseinander-setzung mit Anderen zu einer weiteren Vertiefung dieser Gedanken kommt. Und so kann der Same eines Satzes zum Erblühen eines ganzen Rosengartens führen. Und selbst, wenn ich nichts anderes tue, als mich in Abenteuer entführen zu lassen, so kann ich bereichert in die Alltäglichkeit zurückkehren. Es ist wie eine Reise auf eine exotische Insel, die ich jedoch jederzeit wieder verlassen kann, gestärkt und mutig. Und wer würde behaupten, Menschen, die auf Bali Urlaub machen kommen mit dem Alltag nicht zurecht?
Fremde Welten, fremde Gedanken eröffnen sich dem, der liest, so dass er vielleicht nicht mehr vom Leben hat, aber mehr Leben, mehr Möglichkeiten und mehr Zugänge, denn die Freiheit beginnt im Kopf, und das Lesen verschafft dem Kopf die Freiheit zu denken und seine Gedanken zu formulieren.
Lesen macht das Leben bunt und lebendig.