Die Tage gehen dahin. Immer ist irgendetwas zu tun. Du nimmst Dir vor früher aufzustehen, dann kann vielleicht alles gelassener vor sich gehen. Aber wenn Du früher aufstehst und ein wenig Zeit mehr hast, dann könntest Du doch etwas machen, was Du Dir schon lange vorgenommen hast, aber nie dazugekommen bist. Und wieder ist die Zeit, die Du gewonnen hast, verplant. Du würdest so gerne einmal auf der Terrasse sitzen, bloß zehn Minuten und nichts tun, als die Blumen und Bäume zu betrachten und den Schmetterling beim Fliegen. Durchatmen, ein und aus, und nichts weiter. Doch Du wagst es nicht. Vertane, da ungenutzte Zeit. Es macht Dich nervös, wenn Du sagen müsstest, Du hättest jetzt nichts gemacht als so vor Dich hingelebt, und sei es auch nur für diese wenigen Minuten. Doch die Tage gehen dahin, und am Abend fällst Du todmüde ins Bett und fragst Dich, wo er hin ist der Tag, einfach weg, und Deine Hände sind leer. Zum Glück fragst Du Dich nur selten, denn Du meist zu müde um noch irgendetwas zu denken.

Die Tage gehen dahin, und niemals ist etwas gut genug. Es funktioniert und klappt und es geht voran, und alles was so funktioniert, das wird von Dir nicht beachtet. Es ist allzu selbstverständlich, das Funktionieren. Und dann passieren Fehler, kleine unbedeutende, oftmals so minimal, dass sie niemandem außer Dir auffallen, aber Du weißt es, und selbst vom gelungensten Tag bleibt Dir nichts im Gedächtnis, als dieser eine kleine Fehler, der selbst den besten Tag in Deinem Erinnern zu einem verlorenen verkommt. Und Tag reiht sich an Tag. Nichts bleibt, bis auf das Versagen.

Doch an diesem Morgen, als Du es nicht mehr schaffst aus dem Bett zu kommen, beschließt Du Perlen zu sammeln. Für jeden schönen Moment, für all das was Dich glücklich machte, steckst Du Dir eine Perle in die Tasche, sie allabendlich auf eine Kette zu fädeln. Anfangs sind Deine Taschen noch leer, doch endlich findet sich eine, und dann mehr. Bald schon ist Deine Kette lang, und Du sammelst weiter, Kette um Kette, wirst aufmerksamer und achtsamer, auf den Moment und das Gelingen, wendest Dich ab vom einheitlichen Dahinfließen und Versagen, und so findest die Muse zwischen dem Tun, findest das Lächeln zwischen dem Ernst, findest die Berührung zwischen der Trennung, findest das Lebendige zwischen dem Funktionalen, findest das Glück zwischen dem Einerlei.

Tag um Tag geht dahin, doch nicht mehr unbenannte, sondern Tag um Tag als je gelebter, zugänglich und erfreulich, und wenn Du jetzt des Abends ins Bett gehst, so kannst Du Dir sagen, ja es war ein guter Tag.

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Silvia Jelincic

Silvia Jelincic bewertete diesen Eintrag 14.12.2015 23:17:09

fischundfleisch

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