Stellt Euch vor, ihr möchtet gerne ein paar Kätzchen, so süße, kleine, drollige, verspielte, knuffige Kätzchen. Deshalb geht ihr zum Nachbarn, weil die ansässige Katze gerade Junge bekommen hat und nehmt sie mit nach Hause. Zu Recht werden jetzt (hoffentlich) alle empört sein, denn ich kann mir schließlich nichts aneignen, was mir nicht gehört. Sachen, die jemand besitzt, die darf kein anderer nehmen. So weit, so folgerichtig.

Stellt Euch aber nun einmal vor, es handelt sich um einen Bauernhof, der von einem alten Mann besessen wird, der nicht mehr in der Lage ist sein eigenes Leben in die Hand zu nehmen und deshalb einen Sachwalter bekam, geschweige denn sich um die Tiere zu kümmern. Dementsprechend wurde in dem Stall auch halbverhungerte Schweine und Kühe gefunden, verletzte oder tote Hühner und auch Katzen. Unter anderem befanden sich auf diesem Hof ein paar Kätzchen, die ebenfalls schon halb verhungert waren. Die Nachbarin nahm sich der Kätzchen an und diese mit nach Hause. Man merke, sie nahm sie mit ins Nachbarhaus, päppelte sie auf und ließ sie vom Tierarzt versorgen. So weit die Geschichte.

Ich persönlich fand es toll, denn die Frau hat spontan gehandelt und damit die Kätzchen vor einem qualvollen Tod gerettet. Doch was passierte? Jene Frau musste sich vor Gericht verantworten. Die Anklage lautete auf „dauernden Sachentzug“. Dabei handelt es sich um ein Vermögensdelikt, das im § 135 StGB geregelt wird und einen Strafrahmen von bis zu sechs Monaten beinhaltet. Dabei wird dem Gewahrsam eines anderen eine fremde, nicht wertlose Sache entzogen. Die Frau wurde freigesprochen. So weit, so gut.

Eigentum geht über alles. In unserer Gesellschaft, so zeigt mir allein die Vorgangsweise, ist das Recht auf Eigentum das höchste Gut. Ganz gleich wer darunter leidet oder wer daran krepiert, es darf nicht verletzt werden. Leib und Leben und dessen Unversehrtheit zählen demgegenüber viel weniger. Natürlich bin ich nicht der Meinung, dass Eigentum nicht geschützt werden sollte. Doch hier geht es auch um eine Interessensabwägung.

Und allein die Tatsache, dass ich vor Gericht zitiert werden kann, weil ich das Recht auf Leben höher bewertete als die Belassung des Eigentums in den Händen eines Menschen, der gelassen zulässt, dass es leidet, ist gelinde gesagt grotesk. Daran ändert auch der Freispruch nichts.

Zivilcourage wird bestraft und abgeurteilt. Feigheit und Unterwerfung gelobt und unterstützt. Das sind völlig falsche Signale, die da ausgesendet werden. Es wird Zeit so manche Grundsätze unseres Rechtssystems zu überdenken – so weit man noch zu denken wagt. Vielleicht auch zu diskutieren. Denn viel Unrecht geschieht, weil wir es zulassen.

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