„Also ein bisschen Farbe ins Gesicht, das musst Du schon machen, überhaupt in Deinem Alter. Da kann man nicht mehr ungeschminkt aus dem Haus gehen!“, versucht es eine mir nahestehende Person immer wieder, und ich winke immer wieder ab. Zu meist gelassen, manchmal weniger, nämlich dann, wenn sie beginnt es wie ein Mantra zu wiederholen.
„Doch das geht“, erkläre ich dann ebenso häufig, „Ganz leicht sogar. Ich setze einen Fuß vor den anderen, und so komme ich aus dem Haus, ganz einfach. Die Schmiererei im Gesicht würde es weder schwerer noch leichter machen.“
Mir persönlich wahrscheinlich schwerer, da sich mein Gesicht, aus Nicht-Gewohnheitsgründen wie zugekleistert anfühlt, wenn ich mich doch mal überreden lasse. Nein, es ist nicht meins, und nachdem ich vor einem Vierteljahrhundert damit aufgehört habe, trotzdem gut gefahren bin, werde ich das auch nicht mehr ändern.
Es ist zu spät. Mittlerweile bin ich zu alt dafür.
„Wenn alle so dächten wie Du, dann würde die Kosmetikindustrie in Konkurs gehen“, erklärt mir jene Dame, und ich muss ihr recht geben.
Sofort schleicht sich das schlechte Gewissen ein. Was tue ich der Menschheit nur an!
Nicht nur, dass sie mich ungeschminkt sehen muss, nein, ich gefährde tausende von Arbeitsplätzen. Wenn das Schule macht!
Keine Sorge, es macht nicht Schule – und ich bin auch keine Meinungsmacherin.
So bleibe ich ungeschminkt, zeige meine Falten, und all die anderen Erscheinungen des Alters, offen und ungeschönt.
„Willst Du denn wirklich so alt aussehen wie Du bist?“, kommt die weitere dringende Mahnung.
Vor mir baut sich das Bild eines runzelübersäten Rübezahl auf – aber das bin ich ja nicht. So schlimm ist es nicht, und wenn, ja, dann wird es eben so sein.
Ich schaue tatsächlich so alt aus wie ich bin. Und ich persönlich finde daran nichts Verwerfliches, denn es ist nun mal so wie es ist.
Auch ansonsten entspreche ich ganz und gar nicht dem, was uns als Norm verkauft werden soll.
Wer sich auch immer diese Norm ausgedacht hat – und vor allem, wer sie übernimmt, der hat wohl übersehen, dass jeder Mensch, ja, auch jede Frau, anders ist, und das ist gut so.
Ich will keine uniformen Menschen, keine gleichgemachten, wie gebügelt, sondern echte, mit Falten und ungeformten Körpern, denn ich habe den Verdacht, dass diese Normierung am Äußerlichen nicht halt macht, sondern auch auf die Gedanken übergreift, damit auch diese in die Norm passen.