Über den Zauberer Franz, einen einfachen Bürger und den Wolf.
Bei der Butcher Show sind wir sehr liberal was Redaktionsvorschriften betrifft. Sicherlich, das ist uns schon ab und zu auf den Kopf gefallen, es gab zum Beispiel während einer Weihnachtsfeier Probleme mit einer burgenländischen Oasis-Coverband, die auf dem Firmen-WC Kokain aus Staubzuckerdosen konsumierte. Lustige Geschichte, wir dachten bis zum Eintreffen der Polizei, dass wir Opus gebucht hatten, aber ich schweife ab. Gestern hätte ich jedenfalls striktere Regeln gebrauchen können. Ich bediente mich nämlich leider bei einem Stilmittel des österreichischen Privatfernsehens und war bereits zu Mittag betrunken. Sicherlich, das Comeback der Butcher Show soll gefeiert werden, aber eine Benjamin-Blümchen-Schokotorte hätte es ja auch getan.
Passiert ist passiert, ich kam jedenfalls knapp nach 20 Uhr zuhause an und schlief vor dem Fernseher ein. Was dann geschah war reichlich skurril. Vorweg muss ich sagen, dass ich eigentlich selten träume, beziehungsweise meine Träume ohnehin gleich nach dem Aufwachen vergesse. Die wenigen Träume, an die ich mich erinnern kann sind langweilig und plausibel, so träume ich in der Vorweihnachtszeit regelmäßig davon, dass ich einen 20 Meter hohen Roboter-Stalin im verschneiten und menschenleeren Paris besiegen muss, um Weihnachten zu retten. Nichts was uns nicht allen ab und zu passiert. Gestern jedoch war alles anders. Alles fühlte sich so real und doch losgelöst von jeglicher Vernunft an.
Der Zauberer Franz
Mein Hirn wollte mich anscheinend nicht überfordern und begann die erste Stunde damit mir fiktive Singles vorzustellen, deren einzige Anforderung an potenzielle Partner deren Existenz war. Der unbedarfte 0-8-15-Medienkonsument wäre hier schon gescheitert, glücklicherweise konnte ich die Scharade meines Hirns selbst entlarven (ist das Schizophrenie?), da die Altersangaben nie zum optischen Erscheinungsbild der Kandidaten passte. Zusätzlich hatten einige der Kandidaten wüste Fantasienamen, so dass ich meine Kräfte getrost für die nächste Traumphase sammeln konnte.
Denn jetzt wurde es wahrlich atemberaubend. Ein - so meine Interpretation des Traumes - mächtiger Zauberer namens Franz empfing in seinem magischen Turm über Wien einen einfachen Bürger, dem der große Franz erlaubte Fragen zu stellen. Wobei der Zauberer das Konzept mal überdenken sollte, da er sich dann stets das Recht nahm, die Fragen des einfachen Bürgers nicht zu beantworten und in unverständliche Tiraden oder unpassende Vorträge aus seinem Zauberbuch abzugleiten. Wenn mir nichts entgangen ist, müsste der Zauberer Franz dem Bürger keine Audienz im magischen Turm gewähren, warum er es dann tat, wenn ihm die Fragen offensichtlich missfielen, erschließt sich mir bis dato nicht.
Die Heere und der Zauberer
Überhaupt schien Franz nicht seinen besten Tag erwischt zu haben, ständig sprach er davon dass er seine mystischen Armeen in fremde Länder schicken könnte, um dort "Schutzzonen" zu errichten. Denke mal, dass das eine "World of Warcraft"-Anspielung ist, die ich nicht verstehe. Dann warf er das Konzept Bürger fragt, Zauberer antwortet erneut über Bord und zwang den einfachen Bürger seine Fragen zu beantworten, dieser sollte - den Tränen nahe - Zahlen nennen, wie viele Flüchtlinge er aufnehmen wolle. Der einfache Bürger war aber ohnehin nicht gewillt - oder nicht fähig - die gewieften Fragen des Zauberers zu beantworten. Überhaupt war das Thema Flüchtlinge dem Zauberer nicht geheuer, so soll er als junger Knabe in ein fremdes Land gereist sein und dort zu unermesslichem Reichtum gekommen sein ("Wollte die Welt sehen"), anderen ("Wirtschaftsflüchtlingen") wollte er nur seine "Schutzzonen" zugestehen. Schnell ging er aber wieder zu Beleidigungen des einfachen Bürgers über ("wahrscheinlich pragmatisiert"), welche dieser geduldig ertrug. Nur als ihm unterstellt wurde aus der Steiermark zu sein, verlor der einfache Bürger die Contenance: "Na, i bin aus Oberösterreich." Mein Traum drohte zu einer Aneinanderreihung von Belanglosigkeiten zu werden.
Ein sogenannter Wordrap sollte die Situation retten. Doch als der Bürger den alten Zauberer Franz zu eben diesem bat, ging dieser zuerst willig in den dafür vorgesehen Bereich des Turmes mit, nur um dann groß zu verkünden, den Wordrap zu verweigern. Was mich erneut an der Intention des Zauberers zweifeln ließ, dem einfachen Volk diese Audienz zu gewähren, ich denke nicht, dass allmächtige Zauberer in magischen Türmen, mit mystischen unbesiegbaren Heeren an ihrer Seite irgendjemand Rechenschaft schuldig sind, aber bevor ich diese Gedanken intensivieren konnte, antwortete der Zauberer entgegen seiner Ankündigungen ohnehin. Konsequenz war seine Sache nicht. Mein Unterbewusstsein schien sich zu langweilen, und ließ den Zauberer nun beleidigend werden. Frauen seien - so der Zauberer - "Menschen wie wir". Ob Frauen im Reich des Zauberers Autofahren dürfen? Ich konnte es nicht eruieren, so dass ich diese Phase des Traumes anscheinend unterbewusst beendete.
Die Zwei Türme
Doch leider wechselte das Geschehen nur vom Turm des Zauberers in einen anderen mysteriösen Turm über Wien, wo ein sprechender Wolf ankündigte, das Interview des einfachen Bürgers mit dem Zauberer minutiös zu analysieren. Um Spannung aufzubauen sprach der Wolf zuvor noch mit einem Schauspieler, der offensichtlich vorgab Politiker zu sein, sich aber benahm wie ein Fußballtrainer. Sicherlich einer der lustigeren Teile meines Traums, denn der Schauspieler war sehr unterhaltsam und talentiert. Erstens imitierte er perfekt das Gehabe des zynischen Berufspolitikers, stets bemüht die Rolle nahe am Typ Gebrauchtwagenhändler zu positionieren. Beeindruckend an seiner Performance war dabei die Leistung, jeden Satz so darzubieten, dass das Publikum spürte, dass er nicht aussprach was er dachte. Dabei rühmte er sich mit der Verpflichtung einiger Parlamentarier von einer rivalisierten Fraktion, als hätte er Cristiano Ronaldo für den FC Barcelona verpflichtet. Die Karikatur einer Demokratie, in der man die Mandate von 100.000 Wahlberechtigten einfach auf dem Transfermarkt verpflichten kann, wie ein kolumbianischer Erstligist, der zu wenig Innenverteidiger aber zu viel Geld aus der "Staubzuckerherstellung" hat.
Abgeschlossen wurde mein Traum dann mit der Analyse des Zaubererinterviews aus dem Munde eines eiligst eingeflogenen Jesolo-Touristen, dessen eiskalte Scharfzüngigkeit nur von seiner schon absurden Gesichtsbräune übertroffen wurde. Der Mann musste allerdings selbst auch über große Macht verfügen, denn er zeigte keinerlei Scheu davor den Zauberer Franz zu verhöhnen. Meiner Einschätzung wohl ein antiker Held nach dem Vorbild des Achill, der nur durch UV-Licht an seinem Hinterkopf verwundet werden kann. Gerade als er und der Wolf wohl herzhaft auf Kosten des Zauberers Franz loslachen wollten, erwachte ich schweißgebadet aus meinem Traum. Ich putzte mir die Zähne und lag danach noch lange wach in meinem Bett. Zu real erschien mir das Geträumte. Knapp bevor ich dann endlich in einem - traumlosen - Schlaf versank, fragte ich mich, was ich wohl im Fernsehen versäumt habe...