Eine europäische Lösung. Unmöglich ?

Wie kann eine europäische Lösung aussehen ?

Das ist die Frage, über die ich mir die letzten Tage den Kopf zerbreche. Nicht darüber wie böse Europa ist, ob die Menschen hierhergehören oder nicht, wie ethisch es ist, Bilder von Toten zu zeigen, usw usw...

Nein die Frage die mich beschäftigt ist: Wie kann eine europäische Lösung aussehen. Denn wir haben ein Problem. Deutschland kann nicht alle Flüchtlinge aufnehmen und versorgen, aber es wollen alle nach Deutschland. Sprechchöre "GERMANY GERMANY" oder "ALLEMAGNE ALLEMAGNE" sind uns bekannt aus den Videos von Ungarns Bahnhöfen oder aus den Zügen. Es wär etwas unfair nur von Deutschland zu sprechen, die Ziele sind: Deutschland, Schweden und England. Und selbst diese 3 Länder zusammen können sich nicht um alle kümmern, so wohlhabend sie auch sein mögen. Aber, wie gesagt, alle wollen dorthin.

Wie kann eine europäische Lösung aussehen ? Ich finde es ist keine Lösung, wenn Deutschland und Schweden sich überlegen, wie man die anderen Länder dazu zwingt Flüchtlinge aufzunehmen (und es Gerüchte vom heutigen Treffen gibt, dass Sanktionen im Raum stehen für Länder die sich weigern). Die EU sollte nicht in diesem Ausmaß in nationale Politik eingreifen. Eine europäische Lösung würde heißen, dass alle zusammen an einem Tisch eine Lösung erarbeiten. Aber dies ist ziemlich utopisch. Also nehmen wir mal an, es werden Mechanismen zur Verteilung der Flüchtlinge geschaffen und Länder die zurzeit dem ablehnend gegenüberstehen, lenken ein (warum lassen wir mal außen vor).

Ok was jetzt. Die EU will die Flüchtlinge aufteilen, aber die Flüchtlinge wollen nach GBDS, verzeiht mir diese hässliche Abkürzung. "Hey ihr da, schön ihr habts nach DE geschafft, aber sorry ihr kommt jetzt nach Ungarn, Slovenien, Slowakei, Polen, Bulgarien, Rumänien, Portugal, Zypern, Tschechien, Estland, Lettland, Litauen, Kroatien. Ihr seht worauf ich hinauswill.

Ein Flüchtling der es nach Deutschland geschafft hat, wird es freiwillig nicht verlassen. Wieso auch, wenn man bedenkt wie viel die für Schlepper gezahlt haben und wie hoch die Risiken sind. "ICH BIN HIER ICH BLEIBE HIER". Er wird sich wehren Deutschland zu verlassen, untertauchen/weglaufen. Es werden Menschen gegen die Abschiebungen demonstrieren. "DAS IST INHUMAN DAS GEHT NICHT USW USW", es werden weniger sein, als diejenigen die dafür demonstriert haben Flüchtlinge nach Europa zu lassen oder Druck auf Ungarn gemacht haben, immerhin geht es jetzt um eine europäische Lösung.

Nein ein Flüchtling in GBDS wird von dort nicht weg wollen. Er wird das mit allen Mitteln zu vermeiden versuchen, mal ganz von den logistischen Problemen abgesehen, wie darauf zu achten, dass Familien nicht getrennt werden.

Was tun, wenn ein Flüchtling nun in Bulgarien, Kroatien, ... ist und nicht dort bleiben will ? Ihn festnehmen ? Ins Lager sperren ? Verbieten auszureisen ? Schlepper werden sich freuen, sie bringen ihn über die Grenze, er hat keine Papiere und heißt plötzlich anders. Wie sollen wir verhindern, dass die Flüchtlinge weiter nach Deutschland wollen ? "Das ist Unfair, der kommt nach Deutschland und ich nach Zypern, ich will nicht nach Zypern, zumindest Österreich :(" Was wenn Flüchtlinge anfangen organisiert zu demonstrieren ? Lager verlassen ? Was wenn die 10-20tausend, was auch immer Ungarns Quote sein wird, sich gemeinsam wieder auf den Weg machen und auf der Autobahn marschieren, werden wir sie dann wieder aufnehmen ? Werden wir dann wieder so hilfsbereit sein und sie versorgen ? Werden wir wieder Züge und Busse organisieren ?

Ich sehe da leider keinen Ausweg.

Man mag nun auf die Idee kommen, europaweite Standards in der Flüchtlingsversorgung einzuführen. Die Frage ist nun "Für alle gleich viel ?" oder "Für alle gleich wenig ?"

Für alle gleich wenig.

Es braucht keine hellseherischen Fähigkeiten, um sich auszumalen, was die Reaktion darauf sein wird. Hundertausende in den wohlhabenden EU-Staaten werden dagegen protestieren. Unmenschlich, der reichen EU unwürdig, usw usw. Und gilt das auch retroaktiv ? Was ist mit Flüchtlingen die schon einen Asylbescheid bekommen haben, werden denen jetzt die Gelder gekürzt ? Gilt das nur für neue, haben die Pech, die nicht früher in die EU gekommen sind ?

Für alle gleich wenig, wäre eine pragmatische und wirtschaftliche Lösung. Moralisch ? Darüber ließe sich lange Diskutieren, ich neige aber eher zu nein.

Für alle gleich viel.

Es mag auf den ersten Blick unwirtschaftlich und moralisch richtig wirken, diese Lösung in Betracht zu ziehen ("Klar kostet uns das mehr, aber es ist besser für die Menschen!" — Die Bankenvergleiche lasse ich mal weg, das sind schlechte Argumente und nicht lösungsorientiert, es geht bei denen in erster Linie um Spaltung und Streit).

Aber diese Lösung wird es nicht spielen. Werden die Flüchtlinge auf die EU Staaten aufgeteilt und bekommen diese dann überall die Standards die sie in Deutschland oder Schweden bekommen, gibt es eine Katastrophe. Brennende Flüchtlingsheime und Übergriffe werden da noch als Kavaliersdelikte von früher erscheinen, ich prophezeie Tote und Vertreibungen. Politisches und menschliches Chaos in Europa.

Wieso ?

Wie viel bekommt ein Flüchtling in Deutschland (Quelle) ?

-) Flüchtling lebt in einem Heim/Lager alleine: 143€ Bargeld für persönliche Bedürfnisse. Dinge des alltäglichen Bedarfs (Kleiderspenden, Hygieneartikel,...) und Verpflegung werden zur Verfügung gestellt.

-) Flüchting lebt als Familie im Heim/Lager: 129€ Je Partner, wer noch im Haushalt lebt 113€ (sind wahrsch. Geschwister gemeint ? Keine Ahnung genau) Je Kind gibt es, je nach Alter zwischen 85 bis 92€. Nehmen wir mal Mutter, Vater und 2 Kinder an, sind dies 435€ + Verpflegung + Dinge des alltäglichen Bedarfs. Minimal wären es 258€, nach oben je nach Haushaltsgröße offen. Wobei es wahrscheinlicher ist, dass Erwachsene sich eigenständig melden werden, da dies doch 30€ mehr im Monat sind.

-) Flüchtling der nicht mehr in Gemeinschaftsunterkünften lebt (sprich die Leistungen entfallen) und alleine ist: 216€ + Anfallende Wohnkosten

-) Flüchtlinge in Familien: Der Artikel ist da etwas unklar. Es scheint als ob der erste Erwachsene 216€ erhält und weitere Haushaltsmitglieder und Kinder zwischen 133 und 194€ bekommen. Nehmen wir eine Familie mit Vater, Mutter + 2 Kinder wären das: 679€ + Wohnkosten (wenn wir Annehmen, die Mutter kriegt 194 und je Kind 133).

-) Kinder von Flüchtlingen haben dieselben Ansprüche wie Kinder von Hartz 4 Empfängern und kriegen Gutscheine für Schulausflüge, Sportverreine und ähnliches.

-) Lebt ein Flüchtling länger als 15 Monate im Land, stehen ihm Leistungen auf dem Niveau der Sozialhilfe zu. Sprich Hartz 4 oder in Zahlen 392€ für einen Alleinstehenden Erwachsenen (+Wohnkosten+etwaige Familie)

Worauf will ich hinaus ? Ein paar Zahlen (mit Quellen bzw Links).

Bulgarien:

Arbeitslosenquote 12,9%

Durchschnittseinkommen: 302€ Durchschnittliches Haushaltseinkommen: 425€ Jede fünfte Familie lebt unter der Armutsgrenze von 95€/Person. (Quelle)

Kroatien:

Arbeitslosenquote 15,9%

Durchschnittseinkommen: 1026€ (Brutto) (Quelle)

Rumänien:

Arbeitlosenquote 7,3%

Durchschnittseinkommen: 351€ Gesetzlich vorgeschriebener Mindestbruttolohn: 238€ (Quelle)

Ähnliche Zahlen lassen sich für die meisten der ärmeren EU Länder finden. Hohe Arbeitslosenzahlen und/oder niedrige Durchschnittsgehälter.

Nehmen wir Kroatien, ein relativ wohlhabendes Land am Balkan, mit einem ziemlich hohen Durchschnittsgehalt. Der Genderpaygap beträgt rund 8.5% (Quelle). Nehmen wir eine Durchschnittsfamilie und ziehen den Genderpaygap einfach als 8.5% ab (ignorieren wir einmal Arbeitslosigkeit, branchenbedingte Unterschiede usw.) Kommen wir auf ein Einkommen von 1965€ Brutto. Netto bleiben 812€ vom Mann und 751€ von der Frau, bei 2 Kindern im gemeinsamen Haushalt macht 1563€ (Genaue Zahlen zur Steuerentlastung eines Ehepaares habe ich auf die Schnelle nicht gefunden, wir können annehmen, dass die Zahl ein bisschen höher ist.) (Steuerrechner den ich verwendet habe)

Nehmen wir nun das Beispiel der Flüchtlingsfamilie mit 2 Kindern, sie würden 679€ bekommen + Wohnkosten. Der Einfachheithalber ignorieren wir einmal den Fall, dass ein Flüchtling Anrecht auf die Sozialhilfemenge hat. Die Wohnkosten in Kroatien sind teilweise sehr hoch, ausgenommen der ärmlichen ländlichen Gebiete. Mieten in den großen Städten sind teilweise auf einem österreichischen/deutschen Niveau. Machen wir einfach eine Bierdeckelrechnung und nehmen für die Wohnkosten 600€. Der Vergleich wären: 679€ zu 963€. Und selbst wenn es eine ländliche Gegend ist wo die Wohnkosten viel niedriger sind, so sind dort die Durchschnittseinkünfte genauso niedriger und es würden sich ähnliche Zahlen ergeben.

Bedenken wir, dass es sich um Durchschnittszahlen handelt, dass es in Kroatien eine Arbeitslosenquote von fast 16% gibt, so wird es einen sicher nicht überraschen, wenn die Kroaten über diesen Umstand sehr gefrustet wären, dass Flüchtlinge in ihrem Land leben würden und dabei besser als zumindest 16% ihrer Landsleute leben würden. Irrelevant ob das Geld dafür nun aus EU-Koffern, aus Deutschland oder aus Kroatien selbst kommt (wobei letzteres die negativsten Reaktionen auslösen würde).

Kroatien ist trotz der hohen Arbeitslosenquote relativ wohlhabend, nehmen wir aber nun ärmere europäische Länder her, so braucht man nichtmal genau anfangen zu rechnen oder Mietkosten nachzuforschen. Flüchtlinge in Deutschland erhalten mehr Geld als die Durchschnittsfamilie in diesen Ländern verdient (was wiederum erklärt, warum es noch immer Menschen aus den West-&Ostbalkanländern versuchen, Asyl in Westeuropa zu beantragen). Wie glaubt ihr, würden die Menschen in diesen Ländern reagieren, wenn nun (gegen den Willen der Politiker und/oder der Bevölkerung) Menschen in ihrem Land angesiedelt werden und die dann noch finanziell so gut versorgt werden, dass sie für die Verhältnisse dort überdurchschnittlich gut leben können ?

Wie schon erwähnt, brennende Unterkünfte wären das geringste Problem.

Was tun wir nun also ? Alle gleich viel wäre eine "Lösung" die gesellschaftliche und politische Ausschreitungen und Veränderungen auslösen würde, die wir kaum erahnen können. Alle gleich wenig (=arm) ist für viele menschlich keine akzeptable Lösung und auch nicht durchsetzbar.

Solange es aber so ist wie bisher, werden Flüchtlinge weiterhin alles daran setzen in die wohlhabenden Länder zu kommen und sich nicht damit abfinden in den ärmeren zu bleiben.

Ich sehe keine europäische Lösung auf europäischem Boden. Die einzige Möglichkeit die ich sehe ist folgende: Europa beziehungsweise der Westen (USA/NATO) muss das geringste Übel wählen. Und dieses ist es wieder der imperialistischen Tradition zu fröhnen. Militärischer Einsatz gegen den IS inklusive dem Einsatz von Bodentruppen. Vernichtung des islamischen Staates, Rücksiedlung, permanente UN-Schutztruppe.

Aber das wird es nicht spielen.

"Gutmenschen" - Wir haben schon genug Schaden angerichtet / Gewalt ist keine Lösung / Wir können denen nicht unseren Willen aufzwingen / Wir haben hier genug für alle / ...

"Nazis" - Wieso sollen wir deren Probleme lösen ? / Alle Abschieben, sollens selber kämpfen

Politiker - Inoffiziell: Wir können es nicht verantworten, dass unsere Soldaten sterben und dort zum Ziel von Anschlägen werden, wir verlieren automatisch die nächste Wahlen.

Wirtschaftlich - Es würde gigantische Mengen an Geld kosten, wahrscheinlich mehr als ihre Versorgung innerhalb Europas. Aber sie wären in ihrer Heimat, sicher, könnten sich dort ein Leben aufbauen, funktionierende soziale und wirtschaftliche Strukturen aufbauen, gleichzeitig würde man soziale und politsche Probleme in Europa vermeiden (und wer glaubt die wird es nicht geben der irrt. Brandanschläge in Deutschland. Schwedendemokraten in Umfragen #1, usw usw).

Soldaten - Wieso zur Hölle soll ich dort kämpfen ?

Die Liste lässt sich fortsetzen.

Eine Lösung ist nur möglich, wenn wir die Probleme in den Herkunftsländern lösen (Islamischer Staat, Boko Haram, Bürgerkriege, etc) und wer glaubt diese Probleme ließen sich politisch und friedlich lösen, den beneide ich um seinen Glauben an die Menschheit oder um seine Naivität.

"Wir sind der Grund, dass es diese Probleme dort überhaupt gibt." Dann lasst uns Verantwortung übernehmen und Verantwortung heißt, wir lösen diese Probleme auch und lösen heißt nicht: "Wir warten darauf bis sie sich von alleine lösen, kümmern uns nur um die Symptome und führen politische Grabenkriege."

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fischundfleisch

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