Wäre ich einer von diesen Truthern vom Schlage eines Janich oder Schrang, ich würde der Frage nachgehen, ob Helene Fischer uns mit ihrem Megaerfolg „Atemlos“ nicht im Auftrag der NWO-Granden schon einmal auf Corona, Intubation und Lungenversagen vorbereiten sollte.
Aber als bescheidener Denker, der vor simplen und plakativen Kausalitäten eher zurückschreckt und gerne einmal auf der Ebene der Phänomene verweilt, überlasse ich das Aufdecken der Beziehungen zwischen Helene Fischer, George Soros und Bill Gates u.a. Verdächtigen doch lieber den professionellen Truthern und ihren empörungssüchtigen Followern.
Aber auch ohne den anmaßenden Anspruch, die ultimative Wahrheit verkünden zu wollen, lohnt sich das Sinnieren über die Gegenwart und ihre Absurditäten. „Atemlos durch die Nacht, bis ein neuer Tag erwacht“ – drängt sich da nicht das Bild eines auf dem Bauch liegenden 79-jährigen Intubierten in einem Hospital in Bergamo auf? Wobei natürlich fraglich ist, ob überhaupt noch ein „neuer Tag erwacht“.
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Aber gehen wir weiter. Haben wir nicht der „Atemlosigkeit“ in weitestem Sinne gehuldigt, besoffen von unserem Optimierungs-, Erlebnis- und Genusswahn? Bekommen wir jetzt nicht die Atemlosigkeit, die wir verdient haben? Den ultimativen Adrenalinkick, an den kein Bungee-Sprung und keine Technoparty heran kommen?
Heute las ich in der NZZ einen erhellenden Artikel, in dem es unter anderem über die „breite Gegenwart“ geht. „Das globale Alles umfasste somit auch die Zeit. Hans Ulrich Gumbrecht hat diesen Zustand als «breite Gegenwart» beschrieben: als eine Ära, die nicht mehr spürbar in der Lage ist, die Vergangenheit hinter sich zu lassen und vor allem die Zukunft aktiv zu formen und zu planen.“
Atemlos in einer Gegenwart, die keine Vergangenheit und Zukunft kennt. Eine Herde im Panikmodus des Hier und Jetzt. Eine Gesellschaft, der das rechte Maß abhandengekommen ist. Ich will alles und ich will es jetzt!
„Doch auch die Menschen selber begannen sich zu behandeln, als ob sie gewissermassen glückliche Haustiere in artgerechter Haltung seien. Sie lernten, sich einem Hier und Jetzt hinzugeben – etwa in Form reiner Intensität und Selbsterfahrung (Extremsport und Reisen ins Fremde), in Form von Pflege und Hege (Wellness- und Partyresorts), meditativer Selbsterfahrung (Tai-Chi) oder schierer Flucht aus der eigenen Wirklichkeit und Verantwortung (einsame Inseln).“
Mir fällt ein Text ein, den ich schon öfter hier gepostet habe. Und auch dort ging es um einen „Virus“. Ich schrieb:
„Merkt eigentlich keiner, dass es fast immer um das gleiche Grundübel geht? Diese Welt ist von einem „Virus“ infiziert und der nennt sich "optimize-to-the-max". Jeder, ob Staat, Wirtschaft oder Individuum - optimiert auf Teufel-komm-raus bis zum Maximum nach rein quantitativen Maßstäben.
Wir haben das rechte Maß verloren, denn dies ist ein qualitativer Maßstab. Fangen wir doch bei uns selbst an und schauen mal, was es mit Schnäppchenjagd, Urlaubsangeboten, den Tests neuer Handys und Gadgets, Schönheits-OPs, Fitnesswahn, Erlebnis- und Empörungshunger, Suche nach der optimalen Ernährung oder der zunehmenden Zahl von Scheidungen (nach dem Motto: da geht doch noch was, mir steht doch ein besserer Partner zu..) auf sich hat.“
Heute denke ich: Ja, auch dieser Virus macht atemlos, wie nur die Gegenwart atemlos machen kann. In Träumen, Erinnerungen und Vorstellungen von der Zukunft kommt Atemlosigkeit kau vor. Wir rennen zum Beispiel im Traum an einem Strand entlang, genießen Meer und Palmen, aber der Puls bleibt ruhig.
Ja, wir waren schon eine „atemlose“ Gesellschaft, bevor Corona auftauchte. Wir hetzten durch den Alltag auf der Suche nach dem Mehr und Besser, suchten Erfahrungen, die uns den Atem verschlugen, huldigten den schweigebadeten Influencern, die nach Atem rangen, und die Jüngeren drängte es zum Adrenalinkick, der ihren Puls in ungeahnte Höhen schnellen ließ.
War es da ein Wunder, dass ausgerechnet ein Song mit dem Titel „Atemlos“ zu solch einem Megaerfolg wurde? Ist es wirklich ein Zufall, dass uns heute ein Virus heimsucht, der die Lunge angreift und das Atmen behindert?
Oder könnte man nicht sagen: „Atemlos – wie bestellt, so geliefert“?