Morgenstund hat goldene Gedanken im Mund. Jedenfalls die heutige, die mir – noch im Bett – einige interessante Überlegungen schenkte.

Mich beschäftigt seit Tagen – eher abstrakt - der Zusammenhang zwischen Perspektive/Abstand und Erkenntnis. Vor vielen, vielen Jahren behauptet einmal ein ziemlich bekiffter Freund: „Alle Probleme dieser Welt sind geografische Probleme“. Ich erinnere mich, dass wir beide dem Gedanken sehr viel abgewinnen konnten und aus unserer Begeisterung kein Hehl machten. Ganz im Gegensatz zu den drei Monteuren, die uns beim Trampen an der Raststätte Nürnberg-Feucht aufgelesen hatten, und in deren Opel wir es uns in dieser Regennacht bequem gemacht hatten. Denen wurden unsere Dope-Erleuchtungen offenbar unheimlich und angesichts der erkenntnistheoretischen Wucht unserer Thesen, komplimentierten sie uns alsbald aus dem Auto hinaus.

Jedenfalls, heute Morgen tauchte vor meinen noch halb geschlossenen Augen das Bild eines Hochhauses, das dem Empire State Building ähnelte, auf. Ich stellte mir vor, dass die Menschen, die sich innerhalb – in den Räumen in der fensterlosen Mitte oder an der Außenseite - und außerhalb des Gebäudes befinden, relativ leicht Konsens über eine gemeinsame Beschreibung des Hauses erzielen. Es sind klare Strukturen, die sich oft wiederholen. Außerdem gib es zahlreiche Entsprechungen zwischen Innen- und Außerperspektive. Wer mit dem Aufzug in den 30. Stock gefahren ist oder dort aus dem Fenster blickt, wird sich vielleicht sagen: „verdammt hoch“. Ähnlich wird jemand denken, der von der Straße zum 30. Stock hinaufblickt. Auch über die Stabilität des Gebäudes oder Relationen, etwa, dass der 30. Stock 10 Etagen über dem zwanzigsten liegt, wird Konsens herrschen.

Dann stellte ich mir vor, wie das Gebäude wie in Zeitlupe langsam in sich zusammenbricht. Ganze Räume oder Etagen sacken nach unten, an der Außenfassade bröckelt es, und Steine fallen auf das Pflaster. Wieder stellte ich mir Aussagen der Menschen innerhalb und außerhalb des Gebäudes vor. Die draußen, von denen schon einige von herabfallenden Bauteilen getroffen wurden, riefen: „Scheisse, das Gebäude stürzt ein“. Und manche, die meinten, eine Explosion in der ersten Etage erkannt zu haben, oder dass sich das Erdreich absenkte, lieferten auch gleich eine Begründung für den Zusammenbruch, etwa: „Das Haus stürzt ein, weil man fahrlässig bei den Bauarbeiten für die U-Bahn war“.

Ganz anders sahen das die Menschen in dem Gebäude. Einen Konsens mit den Außenstehenden gab es nicht mehr. Die, die sich in den innenliegenden Räumen befanden (wir erinnern uns: Alles geschieht zeitlupenhaft und ganze, noch intakte Räume und Etagen senken sich ab), verstehen das Geschrei auf der Straße, von dem man ihnen berichtet, überhaupt nicht. Es ist doch alles wie sonst, es ist lediglich etwas stürmischer heute, oder vielleicht ist es ein Minierdbeben, wie man es schön öfters erlebt hat.

Die in den äußeren Räumen, in stetem visuellem und akustischem Kontakt mit der Außenwelt, erkannten natürlich schon, dass sich etwas dynamisch veränderte, dass Strukturen aufbrachen und die Menschen auf der Straßen hysterisch reagierten. Aber sie fühlten sich sicher in den oberen Stockwerken. Was sollte dort oben schon passieren? Ein bisschen Veränderung und Wandel haben noch nie geschadet. Das nennt man Fortschritt.

Und manche öffneten das Fenster und riefen der langsam immer panischeren und erbosten Menschenmenge auf der Straße zu: „Was soll das Geschrei? Ihr Einfaltspinsel, ihr Konservativen, ihr begreift ja gar nichts von der Welt, die sich immer schneller wandeln muss. Das ist doch geil. Was meint ihr? Explosion im Erdgeschoss? Ihr mit euren einfachen Erklärungsmodellen! Ihr seid doch gar nicht in der Lage, die Komplexität der modernen Welt zu erfassen! Ihr Ewiggestrigen. Ihr Nazis“

Lange lauschte ich im Halbschlaf dem Stimmengewirr und sah das Gebäude immer weiter zusammenbrechen. Mir fiel die Fahrt in regennasser Nacht mit meinem Freund wieder ein und ich dachte, dass wir eigentlich gar nicht so falsch lagen. Irgendwie sind Probleme doch meist geografisch oder räumlich oder zumindest durch unterschiedliche Standpunkte zu erklären.

Mir schien, dass ich ein recht gutes Gleichnis für die Vorgänge in Deutschland gefunden hatte. Klar, die Politiker und Bürokraten in den Innenräumen Gebäudes bekamen gar nicht mit, was wirklich geschieht und zeigen nichts als Unverständnis. Die in den „Fensterbüros“ unserer Gesellschaft, zum Beispiel in den Medien, die Eliten und Wohlhabenden, die froh sind über ihren komfortablen Platz und sich in relativer Sicherheit wähnen, wiegeln ab und verschanzen sich hinter immer absurderen Erklärungsmodellen. Für sie sind die Menschen auf der Straße nichts als Störenfriede und Dummbeutel.

Und die auf der Straße, die am Rande der Gesellschaft, von denen einige schon von herabfallenden Bauteilen getroffen wurden ,- ihr Rufen wird immer leiser, denn aus einem Seiteneingang des Gebäudes lässt ein gewisser Heiko Maas …….

Ach, lassen wir das. Man darf es mit Gleichnissen auch nicht übertreiben. Zeit zum Aufstehen.

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devils grandma

devils grandma bewertete diesen Eintrag 07.08.2016 21:17:42

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