Ein Blauwal, tönt es aus dem Fernseher, braucht durchschnittlich vier Tonnen Nahrung pro Tag. Scheißspiel, denke ich, wie oft muss der wohl hungrig zu Bett gehen? Größe allein macht auch nicht glücklich.
Seltsamer Tag heute. Bewölkt und Regen. Kalt. Fühlte mich etwas erkältet und habe um 15 Uhr eine Stunde geschlafen. Tagsüber schlafen ist Gift für mich, denn nach dem Aufwachen finde ich für gewöhnlich nicht mehr in die Wirklichkeit zurück und muss den Rest des Tages eine Art Zombiedasein fristen.
Und so geistere ich durch die Wohnung und mache mir aus großer Entfernung zum Gewöhnlichen merkwürdige Gedanken. Die Absurdität hält mich gefangen und will mich nicht loslassen.
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Seltsam, denke ich, all diese kritischen Geister, die tagtäglich ihre berechtigte Skepsis gegenüber den Medien zum Ausdruck bringen und deren Bezeichnung „Lügenpresse“ wohl einige Berechtigung hat. Haben die wohl begriffen, dass all die medial vermittelten, die direkte Erfahrungen übersteigenden Inhalte interessen- oder profitgesteuertes Teufelswerk sind?
Aber dann erinnerte ich mich an die kollektive Trauer um Tamme Hanken, den Knochenbrecher aus Ostfriesland. Niemand, dessen Trauerbekundungen man im Netz liest, kannte ihn persönlich. Nur Bits und Bytes, medial Inszeniertes. Aber da werden aus den Lügenpresseskeptikern plötzlich Gutgläubige mit ergiebiger Tränendrüse. Medienjunkies.
Am PC fiel mein Blick auf den gefühlt einmillionsten Artikel, der sich mit Deutschland und den Begriffen „rechts“ und „links“ beschäftigte. Angewidert wende ich mich ab. Lohnschreiber auf der Jagd nach Aufmerksamkeit und Klicks. Schuldbewusst denke ich daran, dass ich über dieses lästige Thema längst mal was Finales schreiben wollte. Die Begriffe haben sich doch längst über ihre ursprüngliche, historische Semantik erhoben und geistern als Schimären durch die Medien. Dabei ist es doch so einfach, vergegenwärtigt man sich, dass die Rechten heute die Konservativen, die Bewahrenden sind. Und die Linken halt die Dynamischen, die Verändernden. Jeder mit einem Funken evolutionärem Verständnis müsste doch begreifen, dass beide Kräfte absolut notwendig sind. Aber in dem Verhältnis, in dem sich die Zahl der korrekten Replikation der DNA zur Zahl der Mutationen bewegt. Primäres Ziel der Evolution ist das Bewahren des Erreichten. Und wichtig ist der Sprung zu weiteren Entwicklungsstufen. Die Verdammung der einen Seite durch die andere ist kindisch und unwissend. Welch lächerliche, hasserfüllte Gefechte werden hier ausgefochten? Intellektuelle Idioten.
Ja, Idioten, denke ich. Eure Anmaßung – individuell, kollektiv, global - stinkt zum Himmel, umweht diesen Planeten wie eine stinkende Abgasfahne. Diese Menschheit, die sich selbst in ihren Alpträumen – Klimawandel und Atomkrieg – noch als allmächtiges Subjekt feiert, das die Macht hat, diesen Planeten zu zerstören, diesen Planeten, der mehrfach für Jahrtausende von einem Eismantel umgeben war. Ähnlich den Erfolgreichen, die ihren Erfolg allein ihren Fähigkeiten zuschreiben und vergessen, wie oft sie schlicht zur richtigen Zeit am richtigen Ort waren, stinkt auch kollektiv alles nach Anmaßung. Dass ihr nur ein Instrument seid, in dem sich die Evolution vervollkommnet, das fällt euch partout nicht ein. Ihr werdet den Preis dafür bezahlen, denn die Evolution hat – im Gegensatz zu euch – Zeit. Ein paar hunderttausend Jahre spielen keine Rolle.
Ja, und dann der „alte weiße Mann“, den ihr so verachtet. Er war die Krone der Schöpfung. Der Wissenschaftler, der Ingenieur, der Mediziner. Er hat euch gezeigt, wie man Krankheiten heilt, wie man auf fernen Asteroiden landet und wie man die Menschheit vernetzt. Ihr hättet ihm huldigen und dafür sorgen sollen, dass der zivilisatorische Fortschritt Schritt hält mit dem technologischen. Aber ihr habt versagt, ihr Intellektuellen, und gebt nun ihm die Schuld. Ihr betet tumbe Ideologien an: Grüne, Linke, Religiöse. Ihr wollt den Rückschritt und entfesselt in grenzenloser Naivität alte Kräfte.
Die zerstörerischen Kräfte der Physis, der Biologie, die die zivilisierte Menschheit längst gebannt glaubte: Ficken. Vergewaltigen. Schwängern. Begrapschen. Zustechen. Physische Gewalt. Auf Köpfe treten. Mit Äxten und Macheten zuschlagen. Hälse durchtrennen. Hände und Füße abschneiden. Auspeitschen. Körper verletzen und zerstören. Hass. Rauben und in Besitz nehmen. Die biologische Matrix gewinnt langsam Oberhand. Nimm dir, was du brauchst. Zerstöre, was dich hindert. Folge deinen niederen Instinkten.
Der Fernseher tönt: Der Blauwal verbringt oft Tage ohne Nahrung zu finden. Und dann frisst er tonnenschwere Krillschwärme auf einmal. Ich denke, man sollte ihm mal etwas Toleranz gegenüber dem Krill predigen. Ich nehme mir – wie so oft – vor, tagsüber nicht mehr zu schlafen. It’s all about evolution. Und die Verblödeten haben keine Zukunft.