Kennt ihr das Gefühl? Wenn man sich morgens im Halbschlaf noch einmal umdreht und das Bewusstsein langsam, immer wieder stockend, aus den Tiefen der Traumwelt hochfährt, wenn man das erste Mal eine kurzen Blick auf die Außenwelt riskiert, während man das Kopfkissen noch einmal bequem zurechtrückt. Wenn der Blick dann an den Möbeln vorbei zum Fenster wandert und man durch den Spalt im Vorhang die grünen Pflanzen sieht, die schon seit Jahren dort stehen, und man weiß, dass die Welt noch da ist, dass die Kontinuität weiter waltet und man sich beruhigt noch ein paar wohlige Minuten gönnen kann.
Und dann, ähnlich einem alten Fahrstuhl, mit einem Ruck und Knirschen, fährt das Bewusstsein eine weitere Etage hoch. Und du fühlst eine leise Unruhe in dir aufsteigen und eine Ahnung, dass irgendetwas mit der Kontinuität, die dich dein ganzes Leben begleitet hat, nicht stimmt. Dass da draußen etwas anders ist, dass dort etwas Monströses lauert, das deine Welt so gewaltsam und voller Irrsinn zerstört, dass sie niemals wieder sein wird, wie sie war. Aus der Traumwelt tauchen Bilder auf, von einer bösen, hässlichen Hexe, die die Züge von Angela Merkel trägt und kreischend lacht. Sie ist umgeben von einer Schar giftiger Zwerge, die alle Anzüge tragen und ihren Speichel lecken.
Beunruhigt drehst du dich um und ziehst die Decke höher. Neue Bilder gespenstischer Szenen, die du am Vorabend gesehen hast, tauchen auf. Randalierende Schwarze in Ventimiglia an der französischen Grenze und in Süditalien, Muslimhorden, die in England die Polizei attackieren und das Bild des Priesters, der in Frankreich massakriert wurde. Die Bilder schwellen an zu einem Strom des Grauens, in dem alles miteinander verschmilzt: Der Friedhof, auf dem eine 72-jährige Frau von einem Eritreer vergewaltigt wurde, die S-Bahn, in der ein Asylant mit der Axt wütete und die entstellten Gesichter der Mädchen, die in Schweden brutal vergewaltigt wurden. Du ahnst, dass es ein Fehler war, dass du dir gestern auf der Seite der italienischen Marine die hochauflösenden Fotos der überladenen Flüchtlingsboote angesehen und auch noch hinein gezoomt hast. Diese dunklen Gesichter, in denen du so etwas wie aggressive Entschlossenheit, Gier und dumpfe Brutalität zu erkennen glaubtest, tauchen jetzt aus der Erinnerung auf. Und über allem liegt das kreischende Lachen der alten Hexe.
Gnädig fährt dein Bewusstsein weiter hoch ins Licht der Realität und erlöst dich von dem Gewitter alptraumhafter Bilder. Du schaust auf die Uhr und beschließt, langsam aufzustehen. Und während du mit offenen Augen an die Decke starrst, realisierst du, dass das alles kein Traum war. Dass hier, in der so genannten Wirklichkeit, etwas Schreckliches, unsagbar Monströses geschieht, das keiner aufzuhalten vermag. Das in der Weltgeschichte ohne Beispiel ist, und für das es kaum Worte gibt. Und du weißt, dass all die klugen Artikel, die Analysen und Statistiken, die du in letzter Zeit gelesen hast, nicht annähernd den Wahnsinn der Ereignisse erklären können. Eine Walze rollt über das Land und unter dem Jubel Weniger und dem Schweigen Vieler macht sie alles platt, was vorher war. Es schüttelt mich,
Ich reibe mir die Augen und stehe auf. Ich bin wieder in der Realität, die auch nicht viel besser ist als ein Alptraum. Wenigstens kann ich hier mit Rationalität und Erklärungen versuchen, den Schrecken in Zaum zu halten. Ich denke an die unsägliche Pressekonferenz der Bundeskanzlerin und den tumben Starrsinn, der aus ihrem Auftritt sprach. An das unterwürfige Verhalten der so genannten Journalisten, die Hofschranzen vergangener Jahrhunderte glichen. Ich denke, dass es eine Erklärung für alles geben muss, und dass man sie irgendwann finden wird und dann in der Lage ist, der Anarchie auf dem letzten Meter Einhalt zu gebieten.
Während ich mir im Badezimmer die Zähne putze, muss ich an Col. Kurtz aus „Apocalypse Now“ denken, der hintergründig sagte: „Das Grauen, das Grauen hat ein Gesicht.“ Heute weiß ich: Es ist das Gesicht einer alten Frau.