Was für schönes Bild! Noch vor ein paar Tagen sah ich eine Doku über die Industrialisierung Amerikas und dort eine der alten Maschinen in einer Baumwollspinnerei. Lange und breite Transmissionsriemen aus Leder übertrugen dort die Kräfte. Das machte alles einen sehr wackeligen Eindruck, alles ruckte, aber offensichtlich funktionierte es, wenn man den Riemen öfters mal nachjustierte.
Diese Videosequenz hatte ich immer noch vor Augen als Matthias Matussek gestern schrieb: „Es ist offensichtlich geworden - der Transmissionsriemen zwischen Volk und regierender Kaste ist längst gekappt, die Räder drehen ins Leere, und alle vier Jahre geisterhafte Placebo-Urnengänge, und Kugelschreiber an den Wahlständen.“
Auch ein sprachliches Bild sagt manchmal mehr als tausend Worte. Man kann sich vorstellen, wie die Maschine unter Hochdampf immer höher drehend läuft, wie die Vibrationen stärker werden, die abgerissenen Riemen bedrohlich in die Leere schlagen, wie es stampft und klopft und der Lärm immer stärker wird. Wie sich die Befestigungen im Fundament zu lösen beginnen und alle angstvoll auf das sinnentleerte Ungestüm starren. Niemand weiß, was als nächstes passiert, es wird lamentiert, prognostiziert und gejammert.
Ja, so will ich Deutschland sehen. Der Transmissionsriemen ist gekappt, der Bezug zwischen Volk und regierender Kaste hat sich gelöst. Ich staune über die Gestalten in den Talkshows und Wahlkampfveranstaltungen und frage mich immer öfter: Wer zum Teufel sind die? Sind das noch reale Menschen, gewählte Volksvertreter oder authentische Persönlichkeiten, die zu ihrer Überzeugung und Verantwortung stehen? Oder sind das Ikonen des Versagens, vielleicht Avatare, Sprechblasenabsonderer oder Marionetten des Ungeheuerlichen? Ich habe da jeden Bezug zu verloren.
Es würde mich nicht wundern, wenn in der nächsten Neujahrsansprache nicht mehr Angela Merkel auftritt, sondern lediglich eine animierte Raute auf dem Screen zu sehen ist, die sich im Rhythmus der ausgestoßenen Worthülsen zusammenzieht. Welchen Unterschied würde das machen?
Die spannende Frage ist nun: Was passiert im nächsten Jahr? Matthias Matussek meint: „Und wenn es tatsächlich erneut eine GroKo gibt, wird, das meine Prophezeiung, die Straße brennen“. Ich denke, niemand kann das letztlich wissen, auch wenn viel für diese Annahme spricht.
Aber ist es nicht erschreckend genug, dass alles möglich erscheint? Heute Morgen kritisierte jemand auf VK meinen Post von gestern und schrieb: „Es bleibt nur ein geduldiger Marsch durch Institutionen, für den die Buntblödel 50 Jahre brauchten“. Ich wollte ihm antworten, dass es mutmaßlich aber in ein paar Jahren islamische Institutionen sein werden, und dass sich unsere Erfahrungen da in Grenzen halten.
Alles ist möglich. Ich frage mich, ob nur ich allein den Reiz spüre, der darin liegt. Vor meinem Auge ziehen Bilder von Kriegstaumel zu Beginn des 1. Weltkriegs vorbei. Diese Begeisterung und Entfesselung, diese Erleichterung wieder kollektiven Sinn zu spüren, Teil von etwas Größerem zu sein, von einer gewaltigen Welle getragen zu werden und von den Unpässlichkeiten und Sorgen des individuellen Daseins befreit zu sein. Ja, darin liegt ein gefährlicher Reiz. Der „Firnis der Zivilisation“ ist dünn.
Aber noch stehen die meisten eher achselzuckend und staunend vor dem rumpelnden Ungetüm, das sich Deutschland nennt. Noch produziert der Apparat ja. Die Mahner werden diffamiert und ausgelacht.
Wir werden erleben, wie es weiter geht.