Was sind das doch für komische Vögel, dort auf Facebook und anderen Social Media Plattformen! Verschwenden ihre Zeit mit Posten, Verlinken, kleinen Witzchen und halbgaren Analysen. Vor allem sonnen sie sich in dem Gefühl, zu den „Wissenden“ zu gehören, die exklusiv in die Dunkelheit der Zukunft sehen können. Sie gefallen sich als Warner und wollen einfach nicht erkennen, warum niemand außer denen in der eigenen Blase die Warnungen hören will. Klar, das Volk ist dumm. Schlafschafe eben.
Nein, die Menschen sind nicht dumm, sie haben feine Antennen. Vielleicht können sie nicht artikulieren, was sie ahnen oder fühlen, haben keine Analysen über Hintergründe zur Hand, aber sie ahnen sehr wohl, dass etwas Bedrohliches sich zu entwickeln beginnt, dass eine ganze bundesrepublikanische Epoche dem Ende zuströmt. Und das fühlen sie schon seit geraumer Zeit.
Es ist schon lange her, dass ich die ersten Analysen und Umfragen las, nach denen immer mehr Menschen die Ansicht vertraten, dass es ihren „Kindern einmal nicht besser geht“ als Ihnen. Mich hat das schwer schockiert, aber scheinbar war ich einer der wenigen, die das Ungeheuerliche in diesen Umfrageergebnissen erkannten. Dass es den „Kindern einmal besser geht“ ist ein Teil unserer kulturellen DNA! Mein Urgroßvater, mein Großvater, mein Vater und auch ich waren davon überzeugt. Dieses Narrativ umspannte mehrere Generationen und zog sich durch die ganze Gesellschaft. Und damit sollte jetzt Schluss sein? Welche Auswirkungen wird das haben? Ist es vielleicht nur eine self fulfilling prophecy? Kann man die durch etwas ersetzen?
Andererseits war klar, dass es mit wachsendem Wohlstand und ewigem Wachstum nicht immer so weitergehen konnte. Aber darüber dachten die Menschen in der Regel nicht nach. Sie ahnten, dass ein schwerer Sturm aufziehen wird, und dass sie, anderes als ihre Väter und Großväter einmal nicht mit Stolz und Freude auf ihre Sprösslinge blicken werden, die „es geschafft“ haben und denen es besser geht als ihnen. Ein ungeheuerlicher Bruch!
Und die Menschen taten das, was vernünftig war. Sie begannen sich einzurichten und vorzubereiten auf die schweren Zeiten. Sie schmissen vieles über Bord, an das sie sich gewöhnt hatten: persönliche Integrität, Risikobereitschaft, Solidarität, Stolz, Konsequenz und die Bereitschaft für Überzeugungen gerade zu stehen. Mit Wehmut mussten sie feststellen, dass das, was ihnen als selbstverständliche Beigabe der Zivilisation vorgekommen war, nur verzichtbare Luxusgüter aus den Jahrzehnten kontinuierlich wachsenden Wohlstands waren, die jetzt zum Sicherheitsrisiko wurden. Jetzt zählte: Jeder für sich, nur keine Skrupel, wenn man für den Sturm gewappnet sein will.
Besonders deutlich wurde das im Bereich der politischen und wirtschaftlichen Eliten. Jean Paul Sartre schrieb einmal: „Ein politisches System, das dem Untergang geweiht ist, tut instinktiv vieles, was diesen Untergang beschleunigt“. Wahrscheinlich hat er Recht, aber es ist natürlich nicht das „System“, sondern es sind letztlich die Menschen. Wir stellen heute in der Sphäre der Eliten eine erschreckende Zunahme von Schamlosigkeit, Gier und Verkommenheit fest. Es geht nur noch darum, die eigenen Pfründe zu sichern und anwachsen zu lassen. Die Politik hat diesen Namen längst nicht mehr verdient. Politische Überzeugungen oder Programme sind beliebig und werden ausgetauscht, wenn die eigenen Pfründe in Gefahr sind.
Der gefeuerte Hans-Georg-Maaßen schrieb unlängst: „In der CDU wurden in den vergangenen Jahren viel zu oft die Hacken zusammengeknallt, man hat zu allem Ja und Amen gesagt.“ Es bleibt hinzuzufügen: nicht nur in der CDU. Einen Platz am warmen Versorgungsofen riskiert man nicht, wenn der Sturm aufzieht. Man versucht allenfalls noch mehr abzustauben und die Freunde und Verbündete ins warme, durch Zwangsabgaben finanzierte Zimmer hinein zu holen. Ohne Scham haben die Mitglieder des Berliner Abgeordnetenhauses mal eben ihre Diäten von 3944 Euro auf 6250 im Monat erhöht. Man darf da nicht lange fackeln. Wenn es den Bürgern erst mal wirklich schlecht geht, wird das schwierig. Was man hat, das hat man.
Vor ein paar Tagen konnten wir lesen, dass die Kosten für Verwaltung und Personal in den Bundesministerien in den letzten 5 Jahren um 40 Prozent gestiegen sind. Dort müssen wohl viele verdiente Parteisoldaten noch schnell untergebracht und versorgt werden. Einen erschreckenden Rekord kann der 19. Deutsche Bundestag mit 709 Mandaten vermelden. Er ist damit das größte frei gewählte nationale Parlament der Welt. Deutschland ein Selbstbedienungsladen.
Man braucht wirklich keine tiefschürfenden politischen Analysen, um zu ergründen, warum die SPD in der Schröder-Zeit nach „rechts“ gewandert und die CDU sich heute auf einem strammen linksgrün-Kurs befindet. Nirgendwo stecken mehr Fakten, Wissen oder politische Überzeugungen dahinter. Es geht um das Versorgtsein. Da wird in die Meinungsumfragen geschaut und dann wird zur Not alles über Bord geworfen.
Dieser Parteienstaat ist am Ende. Aber auch international erleben wir Vergleichbares. Für die Macht und die Pfründe tut man alles, denn der Sturm wird ganz Westeuropa treffen. Da sehen wir, wie politische Feinde, deren Programme eigentlich inkompatibel sind, sich plötzlich zusammentun, wie unlängst in Italien.
Der Fisch stinkt bekanntlich vom Kopfe. Und so wundert es nicht wirklich, dass laut einer Umfrage ein Drittel aller Studenten in den Öffentlichen Dienst will. Wo selbst Minderleister wie Frau Chebli um die 14.000 Euro pro Monat abstauben, lässt es sich aushalten. Man muss schon etwas älter sein, um diese Umfrageergebnisse richtig würdigen zu können. Aus meinem Abi-Jahrgang (und ich habe auch meinen zehn Jahre jüngeren Bruder gefragt) wollte niemand in die Verwaltung. Aber wir konnten ja auch relativ sicher sein, dass es uns auch so mal besser geht als unseren Eltern. Hey, es war Wachstum angesagt. Aber dieser Vergleich zeigt, welche dramatische Entwicklung hier vor sich geht.
Man verzeihe mir die kleine Spitze zu Beginn des Textes. Ich wollte niemandem auf die Füße treten. Was ich sagen wollte, ist: Hört auf, Euch was darauf einzubilden, dass ihr Zerfall und Untergang sehen könnt und dass ihr glaubt, begründen zu können, aus welcher „Richtung“ (Migration, Euro-Crash, Wirtschaftsdemontage, Digitalisierung etc.) der Sturm aufzieht.
Jeder ahnt es. Und während ihr hier postet, versuchen andere sich auf den Sturm vorzubereiten, indem sie nochmal richtig abstauben oder sich einen Platz im Warmen sichern. Die alte Bundesrepublik und ihre glückliche wohlstandstrunkene Gesellschaft sind Geschichte.
Viel Glück.