Es wird so viel geschrieben in diesen Zeiten, dass ich mich immer frage: Braucht es das? Ist das schon Klugscheißerei oder geht es nur um Aufmerksamkeit und Geldverdienen? Ist der Wahnsinn, dem wir täglich mehr ausgesetzt sind, wirklich so schwer zu verstehen?
Ich bin heute Morgen, noch im Bett, sehr, sehr lange an einem Bild bei Instagram hängengeblieben und mir schossen tausend Gedanken durch den Kopf. Es war ein Foto eines großen Kreuzfahrtschiffes auf offener See, mit einer Drohne aus großer Höhe aufgenommen.
Ist es nicht phantastisch, bewunderungswert? Tausende von Menschen auf engem Raum, eine menschengemachte Insel im Ozean der Unwägbarkeiten. Schon ein paar Meter neben dem Schiff ist kein Überleben möglich. Eine moderne Arche! Ein Ergebnis von rationalem Denken, Erfahrung, Vernunft, Technologie, handwerklichem Können und Disziplin. Hardware und Software, Organisation, Strukturen, Ordnung, intelligente Prozesse und zielgerichtete Arbeitsabläufe. Kampf gegen das Chaos.
Ich dachte: So sollte ein Staat aufgebaut sein und funktionieren. Das kann doch nicht so schwer sein. Das ist das alles keine Rocket Science! Aber als ich mir dann den trostlosen und verwahrlosten Seelenverkäufer „Deutschland“ vorstellte, in dem, im Vergleich mit diesem Schiff, nichts mehr richtig funktioniert, wurde ich fassungslos.
Ein unfähiger Kapitän, der den Kurs nicht kennt und im Zickzackkurs durch die Wellen schippert, eine zerstrittene Crew, der es nur um ihre eigenen Pfründe geht und ein Schiff, das in vielen Sektionen marode ist. Anarchisch zermürbte Prozesse und jeden Tag neue Parolen. Der Wahnsinn hat Methode auf dem Kahn.
Da wird beschlossen, die starken Maschinen abzuschalten und Minisegel zu setzen. Da werden Putzfrauen auf die Brücke beordert, weil man Gleichbehandlung der Geschlechter für sinnvoll hält. Da werden laufend Fremde aus Schiff eingeladen, die kostenlos mitreisen dürfen, weil man fürchtet, dass die Passgiere sterben.
Das Personal, das seinen Pflichten nicht mehr nachkommt, gefällt sich darin, täglich neue Vorschriften für die Passgiere zu erlassen. Die im Maschinenraum Tätigen werden abgestellt, um die Einhaltung der Vorschriften zu kontrollieren. Die Konflikte zwischen den neu an Bord genommenen und den Passgieren nehmen zu und werden zunehmend brutaler.
Ein Teil der Crew in grünen Uniformen fordert gar das Ende der Kreuzfahrt und die Abwrackung des Schiffes. Ihre Propheten buhlen um die Gunst der Passgiere und nicht wenige der Passagiere fallen auf die selbstzerstörerischen Heilsversprechen rein.
Vorbei sind die Zeiten der üppigen Buffets und der großen Unterhaltsshows. Stattdessen macht man den Gästen das Essen mit Predigten über die Ungerechtigkeit der Welt mies. Und statt aufwendiger Unterhaltungsdarbietungen gibt es immer mehr so genannte Talk Shows, in denen sich Mitglieder der Brückenbesatzung die Köpfe verbal einschlagen.
Das lenkt davon ab, dass man von den Passagieren an allen Ecken und Kanten Zuzahlungen und Sonderabgaben fordert. Hier ein paar Euro für das Verlassen der Kabine, dort ein paar Euro für die Benutzung der Toiletten, und so weiter.
Nur wenige Passagiere, die angesichts der mangenden Sicherheit immer häufiger in ihren Kabinen bleiben, bemerken, dass etwas nicht stimmt. Dass das Schiff kaum mehr Fahrt macht, dass der Zerfall offenkundig ist, dass das Personal nur noch mit sich selbst beschäftigt ist, dass es diverse Wassereinbrüche gibt. Die, die das sehen und offen äußern, werden von der Crew und anderen Passagieren als Nazis diffamiert. Man will sich den Urlaub ja nicht verderben lassen.
Na, gut, ich will den Vergleich mit dem Schiff nicht überstrapazieren. Ich werden bei Gelegenheit weiter darüber nachdenken. Eines scheint mir aber gewiss:
Beim ersten größeren Sturm wird dieser marode Kahn „Deutschland“ mit seiner unfähigen Crew absaufen. Man hätte sich vielleicht statt von McKinsey mal von TUI beraten lassen sollen.