Manchmal, oft am frühen Morgen, wenn ich noch müde bin von all den schlechten Nachrichten, dem zähen Widerstand und dem quälenden Unverständnis, wenn es mich angesichts des Wahnsinns in diesem schrecklichen Land fröstelt und ich mir vornehme, heute nicht online zu gehen, steigt eine bittere Traurigkeit in mir hoch und der Wunsch, ein anderer zu sein.
Einer von den guten und hellen Menschen, für die die Sonne einer grenzenlosen OneWorld nie aufhört zu scheinen. Einer von den modernen, den fortschrittlichen Menschen, denen die segensreiche Zukunft gehört. Einer von denen mit einem honigsüßen Grinsen der Gutmenschlichkeit um die Augen, moralisch überlegen oder zu mindestens unbedenklich, keimfrei, multitolerant und mit eingebautem Diskriminierungsblocker von Geburt an.
Wie gerne würde ich mitsingen können beim großen Welcome-Choral und mit unbeirrbarem Vertrauen den neuen, linksgrünen Priestern und Ideologen in eine Welt folgen, in der Logik und Fakten nichts mehr bedeuten. In der alle Menschen von der Bürde der Freiheit erlöst und mit Gleichheit gesegnet sind. Mit Freuden würde ich mein Bargeld abgeben und einen hippen RFID Chip implantieren lassen, der je nach Optimismus-Level in unterschiedlichen Farben durch die Haut strahlt und gleichzeitig meinen derzeitigen Genderstatus möglichen Partnern signalisiert.
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Es muss befreiend sein, statt abends mit Zornesfalten und zusammenballten Fäusten dann mit freudiger Erregung und Dankbarkeit die öffentlichen Medien zu schauen. All diese intelligenten und politisch korrekten Menschen, die sich bemühen, gegen einen lächerlichen Zwangsbeitrag unseren beschränkten Horizont zu erhellen. Wie viel Zeit könnte man sparen, die man bisher mit Grübeln und Kritik vergeudet hat.
Schluss mit der Eigenbrötlerei und der bohrenden Nachdenklichkeit. Auf den Straßen wimmelt es von Brüdern und Schwestern, und täglich bekommen wir neue geschenkt. Ja, es stimmt: Sie ist wertvoller als Gold, diese neue Vielfalt, bunt wie ein veganer Gemüseteller. Ich bin du, und du bist ich. Und falls nicht, halt ich die andere Backe auch noch hin.
Die Welt – ein bunter Ringelreigen. Wie irregeleitet bin ich doch! Steht nicht schon in der Bibel, Matthaeus 18:3, „Wahrlich, ich sage euch, so ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, werdet ihr nimmermehr in das Reich der Himmel eingehen“. Wann begreife ich endlich: Der Mainstream ist dein Freund! Er ist eine große, warme Woge, auf der du mit anderen ausgelassen surfen darfst. Und am Ufer, auf den weißen Holztürmchen, passen die ideologischen Baywatcher auf, dass dir nichts passiert und du nicht erneut in einen Strudel kritischer Nachdenklichkeit gelangst.
Ja, eine neue Welt zieht auf. Und die linksgrünen Ideologen – wie alle Verführer der Menschheitsgeschichte zuvor - preisen sie uns als das Himmelreich auf Erden an, in dem die Logik, die Fakten und die Schwerkraft keine Macht mehr haben. In dem in jedem Saulus ein Paulus steckt und sich die bösartigen Klingen der südländischen Eroberer ganz von selbst in Daunenfedern verwandeln.
In dieser Welt, so scheint es mir dann, wäre ich lediglich ein lebendes Fossil aus dunklen Zeiten. Mögen sie sein wie die Kinderlein. Himmel und Hölle liegen nicht so weit voneinander entfernt, und man verläuft sich schnell.
Ich weiß: Ihr erregendes Morgengrauen ist meine melancholische Abenddämmerung. Und das ist gut so!