Es war im Frühling 1945, meine Mutter arbeitete als Bauernmagd in einer Nachbargemeinde. In dem Bauernhaus waren einige französische Kriegsgefangene (als Zwangsarbeiter) einquartiert. Sie hatten sonst noch Flüchtlinge im Haus.

Eine Frau aus Wien – sie war ausgebombt und ausgehungert – lebte auch in dem Haus. Sie gab sich als zum Mittelstand gehörig und nicht zur Sozialen Unterschicht. Indem die Frau ausgehungert war, hatte sie den ganzen Tag das gute Essen im Kopf. Sie sagte, sie ißt nur Schnitzel vom Kalb, Schweinsschnitzel mag sie nicht. An einem Sonntag nach dem Schweine Schlachten gab es Schnitzel. Die Bäuerin sagte zur Wienerin: „Du bekommst ein Kalbsschnitzel!“. Die Wienerin aß das Schnitzel mit Appetit und fragte nachher die Anwesenden, ob sie das Teller ausschlecken dürfe, weil es so gut geschmeckt hat. Sie erkannte nicht, dass es ein Schweinsschnitzel gewesen ist.

In einer anderen Gemeinde hat eine volksdeutsche Flüchtlingsfrau ein Mädchen geboren. Sie wollte das Kind nicht behalten, sah sich außerstande, für das Kind auf der Flucht sorgen zu können. So gab sie den Säugling zur Adoption frei. Die Hebamme hat das organisiert. Sie vermittelte das Mädchen an eine kinderlose Bäuerin, die es zur Adoption bekam. Gut 20 Jahre später sah sie aus wie ein hübsches Bauernmädchen, blond, ein rundes Gesicht, etwas kräftiger gebaut. Niemand hätte am Phänotyp erkannt, dass ihre Mutter von den Siebenbürger Sachsen oder von den Banater Schwaben gekommen ist. Ich habe sie gekannt, hatte aber nie persönlichen Kontakt mit ihr.

Auf dem Bauernhof meines Großvaters waren in den letzten Kriegswochen mehr als 40 Personen einquartiert. Ein Oberst? Und ein Hauptmann der Deutschen Wehrmacht waren dort. Sie haben die Bauernstube als Hauptquartier beschlagnahmt. Von den Hausleuten und von den Flüchtlingen durfte niemand eintreten. Die Offiziere hielten über Melder Verbindung zu anderen Militär-Einheiten.

Wenige Wochen vor Kriegsende hielt eine Pferdekutsche an der nahe gelegenen Durchzugsstraße. Die Personen in der Kutsche waren hoffnungslos und harrten der Dinge, die da kommen werden. Mein Großvater ging zu den Leuten und sprach mit ihnen. Das war eine Bankiersfamilie aus Ungarn auf der Flucht vor den Russen. Mein Großvater erlaubte den Leuten, auf seinem Bauernhof zu bleiben. Die Kutsche wurde untergestellt.

Der Oberst erteilte den Befehl, eine Kuh zu schlachten, damit die vielen Leute was zu essen haben. In großen Töpfen – eine Art Feldküche – wurde das frische Rindfleisch gesotten. So hatten die Leute was zu essen, jeden Tag Rindfleisch. Es waren noch Kartoffeln da, die Möhren waren schon alle aufgegessen, das Brot war Mangelware.

Wenige Tage vor dem Kriegsende sagten die Offiziere zu meinem Großvater: „Morgen kommen die Amerikaner!“ Sie nahmen die letzten Habseligkeiten und setzten sich ab. Nun waren sie selber auch Flüchtlinge.

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