DeepThought_2024
"In den Augen des Imperiums beging Julian Assange die schlimmste aller Sünden: Er entlarvte es als kriminelles Unternehmen. Er dokumentierte deren Lügen, gefühllose Missachtung der Menschenwürde und des menschlichen Lebens an sich, zügellose Korruption und unzählige Kriegsverbrechen. Und Imperien lassen nun mal gerne diejenigen töten, die ihnen allzu schmerzhafte Wunden zufügen."
Manchmal auch langsam, wenn es gerade ins politische Konzept passt.
Im Fall Assange sind es die Briten, die mit dieser Aufgabe betraut wurden. Und sie erledigen diese nicht kurz und schmerzlos, sondern in Superzeitlupe – wie es das nunmehr über 13 Jahre dauernde Martyrium des Wikileaks-Gründers bitter zeigt.
Die ergebnislose Berufungsanhörung am 20. und 21. Februar vor dem High Court in London sorgt indes dafür, dass das auch erstmal so bleibt. Nämlich, dass sich das bange Warten des gesundheitlich schwer angeschlagenen Journalisten – fast fünf Jahre im Kerker von Belmarsh haben sichtlich Spuren hinterlassen – auf eine finale Entscheidung bezüglich seiner Auslieferung an die USA wohl noch um einige weitere zermürbende Monate hinziehen wird.
Womöglich sogar bis nach den US-Präsidentenwahlen, nach denen der "schwarze Peter" dann an den voraussichtlich kommenden Wahlsieger Trump – so er denn nicht vorher Opfer eines tragischen "Unfalls" wird – zurückgeschoben werden könnte. Dem senilen Biden bliebe es somit erspart, dieses schmutzige Kapitel amerikanischer Geschichte auch noch zu seinem Vermächtnis hinzufügen zu müssen. Vorausgesetzt natürlich, der vermeintliche und der echte Delinquent halten noch so lange durch...
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Dass das langsame Sterben des Julian Assange einem persönlichen Rachfeldzug des ehemaligen CIA-Chefs und Außenministers unter Trump, Mike Pompeo, geschuldet sein könnte, ist zwar nicht zu belegen, liegt aber durchaus im Bereich des Denkbaren. Schließlich war es neben den im Oktober 2010 geleakten "Iraq War Logs" vor allem die bis dato umfangreichste Veröffentlichung vertraulicher CIA-Dokumente – Codename: "Vault 7" – im März 2017, welche die CIA vor der Weltöffentlichkeit ziemlich nackt dastehen ließ.
Ausgerechnet in dem Jahr, zu dessen Beginn Pompeo Chef der Schnüfflertruppe in Langley wurde, passiert dieser Fauxpas — das größte Datenleck in der Geschichte der CIA. Naiv zu glauben, dass der so brüskierte Mike nicht vor Wut schäumte.
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Es mag daher auch kaum verwundern, dass Assange in den USA, sollte er denn ausgeliefert werden, keine "normale" Anklage erwarten kann, da man plant, ihn unter dem "Espionage Act" von 1917 anzuklagen – einem Gesetz, demnach er als Spion, also als politischer Täter, der im Auftrag einer ausländischen Macht agiert (was nicht der Fall ist), behandelt würde. Dies allerdings würde seine Auslieferung schon allein deshalb verbieten, weil nach britischem Recht und aufgrund eines 2003 geschlossenen Auslieferungsabkommens zwischen den USA und den Briten politische Häftlinge nicht ausgeliefert werden dürfen. Zudem wäre bei einem Spionageprozess in den USA automatisch die CIA beteiligt — die Institution, die seinerzeit sogar Assanges Entführung bzw. Ermordung erwogen hatte.
Da man Assange keine Straftat(en) auf britischem Boden vorwirft und auch kein internationaler Haftbefehl gegen ihn vorliegt, hätten die Briten ihn niemals festsetzen dürfen. Und auch den USA fehlt die strafrechtliche Grundlage, Assanges Auslieferung zu fordern — auch dort konnten ihm faktisch keine Straftaten nachgewiesen werden.
Trotzdem haben sie Assange in 17 Fällen nach dem Spionagegesetz und in einem Fall wegen des Versuchs, sich in einen Regierungscomputer zu hacken, angeklagt. Wobei letzteres schon längst widerlegt wurde:
"Der Vorwurf des Hackens ist für die USA von großer Bedeutung, da er, obwohl er die geringste Haftstrafe nach sich zieht, aber entscheidend ist, um seine Arbeit von der eines Journalisten zu unterscheiden. Man weiß, dass sie (die USA, MM) versucht haben, die Anklage aufzustocken, aber diese Bemühungen sind gescheitert, weil der Hauptzeuge, der verurteilte Pädophile Siggi Thordarson, sich unglücklicherweise öffentlich geoutet und zugegeben hat, dass er das FBI über Assange belogen hat.
Chelsea Manning hat unmissverständlich erklärt, dass sie allein für den Zugang zu den Dokumenten verantwortlich war, und es ist erwiesen, dass sie über die entsprechende Sicherheitsfreigabe verfügte, um dies zu tun." -Mary Kostakidis | consortiumnews.com
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Klingt kompliziert? Ist es aber eigentlich nicht, wenn man begreift, dass die Causa Assange weder etwas mit Strafverfolgung noch mit Spionage oder Hochverrat zu tun hat, sondern ein Politikum ist. Die Weltmacht USA und ihr Geheimdienst wurden einmal mehr als das entlarvt, was sie sind: Skrupellose Verbrecher, die im Auftrag des globalen Finanzimperiums jegliches Recht mit Füßen treten und über Leichen gehen, wenn es um ihre geopolitischen Interessen geht.
Das fatale an der Sache ist zudem, dass an Julian Assange ein Exempel statuiert werden soll, welches in der Folge und mit Blick auf die zuletzt immer weiter zunehmenden Anstrengungen des Imperiums die Meinungs-, Informations- und Pressefreiheit einzuschränken bzw. besser noch gänzlich abzuschaffen, als mahnendes Beispiel für kritische Journalisten und zukünftige Whistleblower dienen soll, es sich in Zukunft doch genau zu überlegen, ob sie Regierungskriminalität wirklich aufdecken wollen.
Ich schließe diesen Beitrag mit einem treffenden Fazit von Martin Sonneborn:
»Am Ende dieses prozessualen Bandwurms, den das britische Gerichtssystem um Julian Assange produziert, wird sich zeigen, ob der Westen seinen moralischen Abstieg ins Mittelalter weiter fortsetzt. In diesem Verfahren geht es nur an der Oberfläche um Julian Assange. Es geht um Recht, Demokratie, Gesetz und Freiheit. Es geht um Regierungskriminalität und Kriegsverbrechen. Es geht um die Kriminalisierung von Journalismus, die Abschaffung der demokratischen Rechenschaftspflicht und die Zerschlagung bürgerlicher Freiheiten.«
Screenshot | mondediplo.com
»Assange hat uns unter enormen persönlichen Opfern gewarnt. Er hat uns die Wahrheit gesagt. Die herrschende Klasse kreuzigt ihn für diese Wahrheit. Mit seiner Kreuzigung werden die schwachen Lichter unserer Demokratie dunkel.« ~Chris Hedges
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Interessante Links zum Thema:
"Die drakonische (Straf-)Verfolgung von Julian Assange" | von Mary Kostakidis
"The Crucifixion of Julian Assange" | von Chris Hedges
"Entscheidung über Assange’s Auslieferung vertagt..." | Pressenza Berlin
"Assange" (Broschüre; 32 Seiten; pdf) | Claudia Latour, Martin Sonneborn
"Wiedersehen mit Julian" Mein Besuch beim Wikileaks-Gründer im Belmarsh Prison | von Charles Glass
➜ "FreeAssange.eu" | für alle, die selbst aktiv verden wollen: Aktionen, Material, Veranstaltungen, News usw.
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