Screenshot | aljazeera.com
Bethlehem, "heilige Stadt" im heute nicht mehr ganz so "Heiligen Land". Heimat von König David, Geburtsort von Jesus und Gebetsstätte des Propheten Mohammed — so steht es überliefert in den Heiligen Schriften des Alten- und Neuen Testaments und im Koran. Für Juden, Christen und Moslems ist die Stadt also gleichermaßen ein besonderer Ort — gelegen in einer Region mit Jahrtausende zurückreichender bewegter Geschichte, die schon seit jeher von verschiedenen ethnischen Gruppen und Religionsgemeinschaften geprägt wurde.
Heute zählt Bethlehem gut 30.000 Einwohner, darunter etwa 9.000 palästinensische Christen, die verschiedenen kirchlichen Traditionen angehören. Die beiden größten Gruppen sind die Katholiken und die Orthodoxen — neben einigen Lutheranern, Melkitern und Syrisch-Orthodoxen. Die Mehrheit bilden über 20.000 Muslime.
Die geschichtsträchtige Stadt liegt auf dem Gebiet des heutigen Westjordanlands, das neben Ostjerusalem, dem Gazastreifen und den Golanhöhen im Sechstagekrieg 1967 von Israel erobert wurde und seither unter dessen Besatzung steht. Die Bewohner von Bethlehem sehen sich trotz aller ethnischen Unterschiede mehrheitlich als Palästinenser. Formell wird das Westjordanland von der palästinensischen Autonomiebehörde verwaltet, "das Sagen" haben aber letztlich die israelischen Besatzer...
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Düstere Weihnachten in der besetzten Stadt Bethlehem
Die "Krippengeschichte", ein zentraler Bestandteil des Christentums, lockt jedes Jahr insbesondere in der Weihnachtszeit zigtausende Menschen nach Bethlehem. Viele wollen mit eigenen Augen sehen, wo Jesus geboren worden sein soll. Was Vielen jedoch nicht bewusst ist: diese Geschichte ist untrennbar Teil der Geschichte Palästinas und somit auch der muslimischen Mehrheit der Bewohner Bethlehems, die allerdings seit langem im Schatten einer Mauer leben.
"Scar of Bethlehem" | Installation von Banksy
Sie können sich nicht frei bewegen, kämpfen um ihren Lebensunterhalt und haben von der alljährlich wiederkehrenden "weihnachtlichen" Touristenflut herzlich wenig. Hinzu kommen die ständigen Schikanen der israelischen Besatzer — die häufig nicht nur Muslime treffen, sondern allemöglichen Leute, die die Stadt betreten oder verlassen wollen. Von "Weihnachtsstimmung" kann in dieser Zeit für die Einheimischen wohl kaum die Rede sein.
Für dieses Jahr verzichtet Bethlehem, wie schon im Jahr zuvor aus Solidarität mit den Menschen in Gaza auf festlichen Weihnachtsschmuck und beleuchtete Christbäume. Dazu der christliche Bürgermeister der Stadt, Anton Salman: "Die Welt muss daran arbeiten, unser Leiden als palästinensisches Volk zu beenden, die Besatzung zu beenden und uns unsere Rechte sowie die Möglichkeit zu geben, unsere Identität, unsere Unabhängigkeit und unsere Freiheit zu erlangen und uns vor den Gefahren zu schützen, die durch die andauernde israelische Besatzung entstehen."
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»Als Jesus hier vor 2000 Jahren geboren wurde, wurde er unter ähnlichen Umständen geboren. Betrachten Sie die Terminologie in der Geburtserzählung: ein Reich, eine Volkszählung. Eine Volkszählung ist eine Form der Kontrolle und dient letztlich auch der Besteuerung. Denken Sie nur an diese schwangere junge Frau, die unter schwierigen Umständen reisen musste, nur weil dieser Kaiser in Rom eine Volkszählung machen und mehr Steuern bekommen wollte. Wir sprechen von einem rücksichtslosen Imperium — das sich auch im Massaker von Kindern manifestiert. In diesem Umfeld wurde Jesus geboren.« ~Pastor Dr. Munther Isaac; Evangelical Lutheran Christmas Church, Bethlehem
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Jesus' angeblicher Geburtsort – auch bekannt als "Geburtsgrotte" – befindet sich im Keller der Geburtskirche von Bethlehem und ist mit einem Stern markiert. Nachdem der Ort erst 400 Jahre nach seinem Tod zum heiligen Ort erklärt wurde, dürfte es sich bei der "genauen Ortsangabe" jedoch bestenfalls um eine Annäherung handeln.
Wie dem auch sei, falls Sie planen sollten, Bethlehem irgendwann zu besuchen, machen Sie auf jeden Fall nicht allzuviel Wind darum. Sie könnten ebenfalls Opfer von Schikanen werden, wie die Journalistin Lisa Jackson zu berichten weiß:
"Wenn Sie vom Flughafen Tel Aviv abfliegen, erinnern Sie sich nicht laut an Ihren Besuch in Bethlehem. Da Bethlehem in Palästina liegt, werden Ihnen die israelischen Sicherheitskräfte nicht gerade freundlich gesonnen sein. Laden Sie Ihre Fotos auf GoogleDrive hoch und löschen Sie die Speicherkarte Ihrer Kamera sowie die E-Mails über Ihre Reise. Es besteht die Möglichkeit, dass die Flughafensicherheit Ihre elektronischen Geräte durchsucht. Das mag extrem erscheinen, aber nehmen Sie es von jemandem, die durchsucht und festgenommen wurde."
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"Im Schatten der Mauer"
Die 700km lange Mauer, die Israel 2002 zu bauen begann und die 2004 vom Internationalen Gerichtshof (ICJ) sowie der UN-Generalversammlung als illegal bzw. völkerrechtswidrig eingestuft wurde, durchschneidet seither palästinensische Gemeinden, Städte (auch Jerusalem und Bethlehem) und landwirtschaftliche Flächen, die seit Jahrhunderten von Palästinensern bewirtschaftet wurden.
Rund 85 Prozent dieses "Bollwerks" verlaufen tief im Westjordanland und nicht an der sogenannten "Green Line" – der 1967 festgelegten Grenze zwischen Israel und dem Westjordanland. International wird ihr Bau schlicht als israelische Maßnahme zur schleichenden Annektierung und illegalen Besiedlung weiterer palästinensischer Gebiete betrachtet. Der zionistische Traum von einem "Eretz Israel" (Groß-Israel) wird hier zur tragischen Wirklichkeit.
Sämtliche Aufforderungen seitens der internationalen Gemeinschaft, diesen illegalen "Grenzwall" zu beseitigen, wurden – wie auch zahlreiche weitere UN-Resolutionen zu Israels "Siedlungspolitik" – von Israel geflissentlich ignoriert. Bis heute ohne jegliche Konsequenzen. In ihren Reden vor der UN und dem UN-Sicherheitsrat bezeichnen stattdessen Vertreter Israels bis hin zu Staatschef Netanjahu jegliche Kritik am israelischen Vorgehen (nicht nur) im Westjordanland als Antisemitismus.
Die Mauer durch Abu Dis, östlich von Jerusalem | aljazeera.com
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"Hoffnung auf Frieden" oder schlicht völlige Ignoranz der Realität?
"Jedes Jahr entzündet ein Kind in Bethlehem das Friedenslicht. Von dort aus wird es in die Welt getragen. Wegen des Konflikts in Gaza kommt es in diesem Jahr aus Österreich – und von dort nach Bayern. […] Eigentlich wird das Friedenslicht jedes Jahr von einem Kind in der Geburtskirche in Bethlehem entzündet. In einer Speziallampe wird es dann per Flugzeug nach Österreich gebracht. Dort entzünden Pfadfinder ihre eigenen Kerzen und bringen es damit in viele Kirchen in Europa, den USA und Südamerika als Zeichen der Hoffnung auf Frieden. Eigentlich. […] In diesem Jahr kann das Licht nicht neu in Bethlehem entzündet werden. Grund dafür ist der Krieg in Gaza. […] Bis 2019 hat immer ein Kind aus Österreich die Kerze entzündet. In der Pandemie und auch im vergangenen Jahr hat ein Kind aus Bethlehem diese Aufgabe übernommen." (Quelle: br.de)
Weniger euphemistisch ausgedrückt: "Deutschland" unterstützt als ein Land von vielen den Apartheidstaat Israel und sein massenmordendes Regime, rechtfertigt dies mit "Israels Recht auf Selbstverteidigung" und besorgt sich dann zur "Absolution" ein "Friedenslicht" aus dem von Israel illegal besetzten Bethlehem (genaugenommen eigentlich aus Österreich), um so "den Frieden in die Welt zu tragen" — mehr "christliche" Heuchelei ist kaum vorstellbar.
Im Zuge dieser ewigen, letztlich ergebnislosen Friedensduselei frage ich mich auch, was genau an den ganzen "Heiligen Schriften" eigentlich heilig sein soll, wenn diese doch buchstäblich mit dem Blut unzähliger unschuldiger Opfer geschrieben wurden und es bis zum heutigen Tage trotz aller "Heiligkeit" und "unermüdlichen Friedensbemühungen" eben eines (nicht nur) in dieser Region nicht gibt: Frieden.
Mit stille Nacht, heilige Nacht ist es in Bethlehem jedenfalls nicht weit her. Und vielleicht halten Sie in der "staden Zeit", wie man in Bayern sagt, einmal kurz inne und machen sich bewusst, dass diese Zeit für viele Menschen im "Heiligen Land" alles andere als still und besinnlich ist.
»An den Frieden denken heißt, an die Kinder denken.« ~Michail Gorbatschow