Alle sind Charlie. Ein wahrer Solidaritätstsunami ist über Europa hinweggefegt. Wer etwas auf sich hält, zeigt Courage und streckt einen Bleistift in die Höhe und ist Charlie. Was, frage ich mich, ist in Paris eigentlich geschehen, das woanders auf der Welt nicht tagtäglich passiert und die kollektive, öffentlich zelebrierte Betroffenheit erklärt? Wo liegt der Unterschied zu Anschlägen in Syrien, Irak, Nigeria, Afghanistan, bei denen unschulidge Menschen auch im Namen von irgendetwas getötet werden und sich in Europa niemand so engagiert mit den Opfern und den Hinterbliebenen solidarisiert?
Die Anschläge von Paris seien nicht ein Terroranschlag gewesen, sondern ein Angriff auf die Presse- und Meinungsfreiheit und damit auf die europäischen Werte der Aufklärung wird die kollektive Betroffenheit von Experten erklärt und begründet. Ein Satiremagazin mit einer Auflage von sechzigtausend Exemplaren wird zu einem unverzichtbaren Medium in der Tradition der Aufklärung hochstilisiert. Sogar Voltaire wird bemüht. Die Auflage der nächsten Ausgabe steigt auf drei Millionen Exemplare. Kein Unglück, wo nicht auch ein kommerzieller Nutzen.
Sind all die Millionen Charlies inklusive der europäischen Politelite auch syrische, irakische, nigerianische, ukrainische, russische, indonesische, palästinensische, kurdische, afghanische oder sonstwo auf der Welt zu Schaden gekommene Terroropfer? Die sind scheinbar Kollateralschäden politischer Meinungsverschiedenheiten und hatten eben Pech zum falschen Zeitpunkt am Falschen Ort gewesen zu sein und keiner offiziellen Solidaritätsbekundung wert.
Ich bin nicht Charlie! Ich bin Pierre, Michele, Farid, Rahel, Ivan, Svetlana, Igor, Mihail, Ukrainer, Russe, Donezker, Palästinenser, Israeli, Nigerianer, Afghane und all die Opfer, die bei Anschlägen und politischen und militärischen Konflikten zu Schaden kommen und wünsche mir, dass all die Millionen Charlies dies ebenfalls wären. Meine Anteilnahme gehört allen Opfer der Anschläge von Paris und deren Angehörigen.