Wähler und Wählerinnen populistischer Rechtsparteien sind wahrhaft geheimnisvolle Wesen.
Sie geben zwar ihre Stimme ab, aber nicht aus Überzeugung, sondern aus Protest. Sie sind eben Protestwähler. Gewählt wird scheinbar am liebsten der, der am lautesten schreit, jedoch ohne sich mit dessen Gesinnung und Zielen zu identifizieren. Größten Wert legen Protestwähler darauf, dass ihre Wahlentscheidung absolut nichts, aber schon gar nichts mit der Ideologie des Gewählten zu tun hat, sondern lediglich Protest ist und nicht mehr. Sie lassen sich keine Überzeugungsecke drängen. Immer diese Ideologiekeulen. Nein, ich bin kein Was-auch-immer. Ich habe nur protestiert, den Herrschenden eben einen Denkzettel verpasst, mehr auch schon nicht. Und außerdem: Alle zur Wahl stehenden Parteien sind doch demokratisch.
Ja, das stimmt.
Auch für die NSDAP, die war in diesem Sinne auch eine demokratische Partei, deren Wahlerfolge anfangs zwar durchaus bescheidenen waren, die aber schlussendlich stärkste Partei wurde und die Macht übernahm. Obwohl sie nie eine absolute Mehrheit bei Wahlen erzielen konnte, haben die Nationalsozialisten mit Hilfe sympathisierender Kleinparteien die Demokratie dann eben einfach abgeschafft hat, damit sie ihr Ruhe hatten. Viele derer, die sie wählten waren sicherlich auch "nur" Protestwähler. Nach dem von dieser "demokratischen" Partei zu verantwortenden Desaster, wusste natürlich niemand auch nur von Irgendetwas und schon gar nicht, dass die so etwas machen würden.
Sie haben sich anfangs doch wie versprochen um uns gekümmert, es ging uns besser, als vorher. Wir konnten uns wieder etwas leisten, wir waren wieder wer, konnten stolz auf unsere Heimat sein, und sie haben für Recht und Ordnung gesorgt, haben sich um uns, den kleinen Mann, gekümmert. Und die Autobahnen … äh, ja. Wir wurden auf das Schändlichste getäuscht und belogen. Ja, es ist auch Schlimmes geschehen. Manche Menschen mussten auch Furchtbares erleiden, aber davon wussten wir nichts und überhaupt: Kann man nicht endlich einmal aufhören dauernd darüber zu sprechen. Das war doch eine ganz andere Zeit und ist doch mit heute überhaupt nicht vergleichbar.
Wirklich nicht?
Es wird wieder gehetzt, wie damals. Gegen das System, gegen Andersdenkende, gegen Gutmenschen, gegen Flüchtlinge, Sozialschmarotzer, Arbeitslose, dunkle, alles lenkende Mächte. Ja, schon, aber das wird man wohl noch alles sagen dürfen, oder nicht?
Mit der genau gleichen hetzerischen, menschenverachtenden, alles Fremde ausgrenzenden Masche wie damals sind populistische Parteien auch heute unterwegs, um Wähler zu ködern. Sie schüren Angst, sie hetzen, sie spalten, sie betonen das Nationale, verteidigen mutig die scheinbar vor dem dräuenden Untergang stehende Heimat, wettern gegen die EU, wollen Zäune und Mauern bauen, sich abschotten, versprechen endlich wieder für Recht und Ordnung zu sorgen und vieles mehr. Das gibt Sicherheit und Zuversicht für all Frustrierten, Enttäuschten, Abgehängten unter der Wählerschaft, für die oftmals schon das Fremde, das Unbekannte im Nachbarort beginnt. Sie fühlen sich irgendwie verstanden. Sie wählen diese Gaukler, aber natürlich, wie sie betonen, nur aus Protest.
Tatsächlich gibt es vieles an unserer Gesellschaft zu kritisieren, wogegen man protestieren kann und sollte. Ungerechte Verteilung von Vermögen, zunehmende Verarmung, ausbeuterische Arbeitsbedingungen und noch vieles mehr. Aber warum die all die dringend notwendigen Veränderungen ausgerechnet mit den rechten Populisten erreicht werden sollten, die genau betrachtet alle dafür sind, dass es im besten Fall bleibt wie es ist, erschließt sich dem staunend Fragenden nicht.
Aber: Sollte es wieder einmal schiefgehen, dann haben halt die Meisten schon einmal vorsorglich nichts davon gewusst und eh immer gesagt, nicht so zu sein! Man kann doch nicht ernsthaft Protestwähler dafür verantwortlich machen, was die, die sie gewählt haben, mit der Macht, die sie dadurch bekommen tun, oder?