Diagnose Brustkrebs - meine ersten Stunden und Tage

Montag, 23.4.2018 14:55

Echt jetzt!? Klar. Ich hatte eine Mammographie, eine Sonographie, ein MRT. Alles, nachdem ich einen Knoten festgestellt habe. Aber alles doch nur sicherheitshalber. Weil eh nix is. Aber manchmal, bei irgendwelchen Frauen, hin und wieder doch was ist. Aber was soll das mit mir zu tun haben!?

Ich bin gesund und ja nur hingegangen, weil halt da so ein Knubbel war. Ein kleiner. Harmloser. Geht man halt hin. Weil man halt hingeht. Um sich die Bestätigung zu holen, dass eh nix is.

Was soll der Sch… jetzt? Wie „da war was in der Gewebeprobe“ und „ich habe Sie gleich morgen zum CT angemeldet“?? Das war aber nicht ausgemacht. Wer hat das bestellt? Ich nicht. Ich habe keine Zeit dafür. Kein Interesse. Anderes zu tun. „Danke. Fertig. Nächster bitte.“

Wie geht’s dir? Alles gut bei euch. Ja, Danke, super. Bissl Brustkrebs halt, in der Schule passt alles, viel Arbeit im Garten. Und bei dir?

Denke positiv. Schlechte Gedanken nähren den Tumor. Okidoki. Mach‘ ich doch glatt. Positiv Denken on. Alles kein Problem. Humor nicht verlieren. Auch ganz wichtig.

„Heutzutage ist sowas ja kein Problem mehr.“ „Sei dankbar, dass du heute lebst und nicht vor 30 Jahren.“ „Gut, dass du so früh dort warst.“ „Soviele Leute haben das jetzt. Die Frau Huber ist mittlerweile auch schon über 80, die hatte das auch.“

Na dann. Nur her damit, mit dem Lieben. Den tun ma dann mal bissl raus, bissl was draufstrahlen und dann wird hurtig weitergelebt bis 110. Yes. Was Besseres hätt fast nicht passieren können.

15:15

Die Frage, die ich mir stelle: warum? Was will mir das sagen? Was habe ich falsch gedacht und gemacht, dass das Teil gewachsen ist. Wie habe ich mir den *piep* (ich will das Wort noch nicht sagen), herbeigedacht, herbeigelebt, herbei“gewunschen“!? Selber schuld? Weil ich mehr Aufmerksamkeit wollte. Weil ich auch mal so was richtig Schlimmes haben wollte, wo dann alle herschauen und mitfühlen, mitleiden. War es das? Wollte ich auch mal im Mittelpunkt stehen? Unbewusst? Nicht immer nur die Gute, Brave, wo eh alles passt. Pfau. Ich bin echt ein harter Hund.

Ich rauch‘ nix, sauf nix‘, ich krieg gleich mal *piep* mit 42. Da schaut‘s, was ich mich trau‘! Ha! Wenn schon, denn schon. Komasaufen ist was für Anfänger. Frau von Welt legt sich einen gepflegten Knoten in der Brust zu. Das hat Klasse.

15:30

Das coole ist… in einem selbst steht plötzlich alles Kopf. Aber rundherum… alles wie immer. Die Sonne scheint, die Autos fahren, die Kinder fragen tausend Sachen zur Hausübung und jagen mich treppauf, treppab. Als wäre nichts geschehen. Ist es ja eigentlich auch nicht. Eigentlich ist alles wie immer. Das Ding war schon vorher da. Und wäre es auch vermutlich noch eine Zeit lang gewesen. Nur das wir den Schurken halt jetzt entdeckt haben und meinen, ihn entfernen zu müssen. Aber die Welt dreht sich – mit mir und ohne mich. Für manche dann halt mal ein bisschen langsamer, aber sie tut es. Einfach so.

18:04

Ich habe Angst. Angst vor dem, was vor mir, vor uns liegt. Angst vor der Angst, vor Schmerzen – körperlich, seelisch. Angst, die falschen Entscheidungen zu treffen. Soll ich einfach mit mir geschehen lassen? Muss ich mich um Alternativen umsehen? Bin ich selbst schuld, wenn ich mich falsch entscheide und damit …

Es ist so surreal. Vor ein paar Stunden war mein Leben noch in bester Ordnung. Alles war gut.

Hätte ich etwas anders machen sollen? Können?

Es tut mir so leid, dass ich dir/euch das antue. Ich möchte nicht alleine sein und andererseits tut es weh, euch mitleiden zu sehen. Ich kann es nicht alleine tragen. Es tut mir leid.

Mittwoch, 25.4.2018 14:00

Es liegen nur zwei Tage dazwischen und doch kommt es mir vor, als wäre eine kleine Ewigkeit vergangen. So viele Gedanken, Gefühle, Gespräche.

Heute geht es mir gut. Erstens weil heute einfach kein Termin im Krankenhaus angesagt ist und zweitens, weil mir die Gespräche mit der Psychoonkologin und der Hausärztin gut getan haben. Nicht eine schwere, harte Zeit liegt vor uns – nein – eine andere, eine neue Lebensphase. Anscheinend will mir das kleine Sch..ding da drin doch tatsächlich etwas sagen. Ich bin mir nicht sicher, ob ich das so schon ganz verstanden habe bzw. so akzeptieren kann. Dazu braucht es wohl noch ein bisschen.

Warum sollte ich nicht genießen können!? Klar kann ich das. Organisierter Genuss. Kinder checken, ordentlich planen und dann geht’s auch schon los. Nur rein ins spontane Vergnügen.

Leichtigkeit… was ist das? Heißt „Leichtigkeit“ einfach ohne Hirn durch’s Leben zu rennen, zu tun, was, wo und wann man will? Bedeutet „Leichtigkeit“ durchgeknallt, crazy zu sein? Was ist das? Darf ich das? Bin das dann überhaupt noch ich?

Wie heißen die berühmten und wichtigen vier Worte?

Einen. Scheiß. Muss. Ich.

Irgendwann, vielleicht in einem Jahr oder in fünf oder in fünfzig werde ich mit einer Freundin sitzen und an diese Zeit zurückdenken. Wir werden uns jetzt vielleicht nicht gerade vor Brüllen auf die Schenkel klopfen, aber wir werden feststellen, wie gut die Zeit vorübergegangen ist, was wir seitdem schon alles Tolles erlebt haben und was wir doch für ein geiles, langes Leben hinter und vor uns haben. Yes, Ma’am. Oder... wie sagt doch Bob, der Baumeister: Jo, wir schaffen das! (wobei der eher nicht so mein Fall ist, aber den Spruch kann man ja nehmen)

Donnerstag, 26.4.2018 07:50 Tag 4

Rede an die Nation:

Vor wenigen Tagen hat mich das Leben aus der Bahn geworfen und in eine neue gesetzt. Das mag jetzt für einige vielleicht schockierend klingen, aber glaubt mir, keiner kann überraschter sein als ich es war. Brustkrebs. (Mit dem Wort habe ich mich übrigens noch immer nicht recht angefreundet.)

Weil ich ein sehr offener und ehrlicher Mensch bin und keine Gerüchte in meinem Umfeld brauchen kann, die meine Familie oder mich eventuell negativ beeinträchtigen, sage ich es hiermit gleich selbst. (So weiß der Mark Zuckerberg wenigstens auch Bescheid. ;) )

Meine Reise führt mich nun also auf einen längeren Heilungsprozess. Ich weiß noch nicht, was alles auf mich zukommt, aber ich weiß, dass ich stark bin und die beste Unterstützung durch meine Familie und Freunde erhalte. Dafür bin ich unendlich dankbar. Wir stehen das gemeinsam durch!

Wenn mich die neue Situation bis jetzt schon eines gelehrt hat: Sch.. auf „wir sollten uns unbedingt mal treffen“… Ruft eure Freunde JETZT an, macht einen Ausflug, geht was trinken, quatschen… whatever… Drückt eure Lieben und macht euch bewusst, dass schon morgen alles anders sein könnte.

Mit vielen lieben Grüßen, K.

Montag, 30.4.2018 17:23 Tag 8

Morgen geht’s also los. Zuerst mal ja noch recht harmlos. Nur Port setzen und Spirale raus. Und da lässt sich der kleine Hosenscheißer noch eine Vollnarkose setzen. Sorry. Mein kleiner Luxus.

Die letzten Tage waren ziemlich durchwachsen… einmal geradezu gutgelaunt und superoptimistisch, dann doch eher betrübt und traurig. An DAS Schlimme denke ich nach wie vor nicht. Es sind eher die Kleinigkeiten, die mir Angst machen. Bekomme ich meine Narkose? Darf ich jetzt wirklich ein halbes Jahr nur zu den Ausgehzeiten raus? Tut der Port dann weh?

Sprüche der Kinder der letzten Tage:

- Wenn du tot bist, helfen dir die Haare auch nichts mehr.

- Ich bin froh, wenn der Krebs bald vorbei ist.

- J.s Oma hat auch Brustkrebs gehabt. Der haben sie die ganze Brust abgeschnitten. Ohne Narkose. Ohne Spritze.

- Wenn jetzt die Mama von einem Kind sterben würde, würde das Kind dann ganz normal in die Schule gehen?

- Ich habe geträumt, mein Bruder wird von Raubtieren gefressen… Oma wird erschossen…

- Weiß xy das mit dem Brustkrebs?

- Ist das lebensgefährlich?

- Tut das weh?

- Wer lernt dann mit mir?

Ich bin froh, dass es morgen endlich losgeht. Dieses Kopfkino die ganze Woche macht mich schon ziemlich mürbe. Nimmt einen irgendwie bissl die Kraft.

Morgen geh ich da rein und dann lass ich mich einfach treiben. Die werden hoffentlich wissen, was sie tun.

Und dann wieder das Wartezimmer bei der Onko... wie eine Aufbahrungshalle!! Grauenhaft. Aber vielleicht gewöhnt man sich ja an den Anblick.

Liste #1 – Was ich will!

- (Sonnentatoo) bin doch noch unschlüssig…

- keine ungebetenen Besuche

- nach Schweden (inkl. der geplanten Tour)

- eine Putzfrau für die Fenster – inkl. Rollo und Raffstore

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