Ein Aspekt der Wien-Wahl ist bisher sowohl in der Medienberichterstattung als auch in der Bloggerei untergegangen: es gab bei der Wien-Wahl 2020 einen Anteil von 8.6% unwirksame Stimmen, also gültige Stimmen für Parteien unter der (hohen) Wiener Fünfprozenthürde.
Die unwirksamen Stimmen setzen sich zusammen aus 3.3% HC, 2.1% Links, 1.8% Bier, 1.2% SÖZ, 0.17 WIFF und noch ein paar KLeinparteien unter 0.1%
Wenn man das Wahlsystem der zweitgrößten Stadt Österreichs, Graz, auf die Wienwahl anwenden würde, dann würden wahrscheinlich sowohl HC, Links ALS AUCH (!) Bier den Einzug in den Gemeinderat geschafft haben. Und das, obwohl der Grazer Gemeinderat nur 40 Mitglieder hat und nicht 100 wie der Wiener Gemeinderat/Landtag.
Das hängt damit zusammen, dass Wien eine der höchsten Eintrittshürden aller österreichischen Gemeinden/Länder hat, mit 5%.
Durch diese hohe Hürde wird auch die demokratische Vielfalt drastisch verringert, in diesem Fall um vier Parteien (HC, Links, Bier, SÖZ). Das hat auch einen frauenpolitischen Aspekt: unter den Spitzenkandidaten der Über-5%-Parteien war nur eine Frau: Hebein (Grüne). Unter den Spitzenkandidaten der 1%-5%-Parteien wären 2 Frauen gewesen: Svec (Links) und Bissmann (SÖZ). Mit Hürde ergibt sich ein Frauenanteil unter den Spitzenkandidaten von nur 20%, ohne 5%-Hürde hätte sich ein Frauenanteil unter den Spitzenkandidaten von 33.3% ergeben. So gesehen kann man die 5%-Hürde vielleicht auch als Frauenfeindlich betrachten, weil sie den Anteil der weiblichen Spitzenkandidaten im Gemeinderat/Landtag in diesem Fall stark senkt.
Das deutsche Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat einmal nach der Bundestagswahl 2013, bei der ca. 16% unwirksame Stimmen (4.8% FDP, 4.8% AfD, 1.9% Piraten, etc.) entstanden, die Fünfprozenthürde für EU-Wahlen als verfassungswidrig eingestuft und aufgehoben. Seither können auch deutsche Parteien mit 1.3% bis 5% den Eintritt in das EU-Parlament schaffen.
Bei der österreichischen EU-Wahl stehen nur ca. 18 Sitze zur Verfügung, sodass alleine durch die Kleinheit des Landes eine natürliche Hürde in Höhe von ca. 5.5% entsteht.
Man könnte argumentieren, dass die hohe Hürde bei der EU-Wahl und die hohe Hürde bei der Nationalratswahl ähnlich dem Urteil des deutschen BVerfG einen Verstoss gegen das Prinzip des Verhältniswahlrechts darstellt, der nur durch eine Senkung der Eintrittshürde bei der Wienwahl behoben werden kann.
Die 8.6% entsprechen bei den 100 Mandaten von Wien 8.6 Mandataren. Diese 8.6% der Mandate kommen daher den anderen Parteien zugute, die die fünf-Prozenthürde überschreiten, und zwar im Verhältnis ihres Anteils:
insgesamt gab es 663.378 wirksame Stimmen, also Stimmen für Parteien über der Fünfprozenthürde. Davon erhielt die SPÖ 301.967, was einem Anteil von 45.52% entspricht. Von den 8.6 Mandaten, die eigentlich den Kleinparteien zustünden, erhielt die SPÖ also 3.91, also rund Vier. Auch von den 3.3 Mandaten, die der Liste HC ohne Hürde zustünden, erhielt die SPÖ 1.5 Mandate.
Somit hat die Kandidatur der Liste HC primär der SPÖ genutzt, so wie ich das schon vorher prognostiziert hatte.
Also die SPÖ profitiert in Wirklichkeit von der Partei, mit der sie eine Koalition ausschliesst, also der Liste HC.
Aber auch von den 2 Mandaten, die der Liste Links ohne Hürde zustünde, erhielt die SPÖ ca. eines.
Es stellt sich die Frage, ob ein derartiges Wahlrecht nicht der Wahlmanipulation Tür und Tor öffnet und es stellt sich auch die Frage, ob die Liste HC Strache nicht in einem Naheverhältnis zur SPÖ steht, beispielsweise über die SPÖ-nahe Tageszeitung "Österreich" und Philippa Strache, die lange als "Österreich"-Journalistin arbeitete, um die FPÖ zu spalten und damit durch die FPÖ-Spaltung wahlarithmetisch die SPÖ profitiert.
Eine ähnliche Konstellation wie bei HC Strache und Philippa Strache und SPÖ gab es bei der Bundespräsidentschaft Thomas Klestil und Margot Löffler und SPÖ.