Deutschland ist dasjenige Land, in dem wegen des Holocaust und wegen des Nationalsozialismus die strengste strafrechtliche und sonstige politische Verfolgung von auch nur ansatzweise antisemitischen Tendenzen erfolgt. Und das geht soweit, dass bereits die Kritik an einem einzigen Juden in Deutschland als rechtsextremer und nationalsozialistischer Exzess eingestuft wird, oft schon, bevor klar ist, ob die Kritik sachlich gerechtfertigt ist oder nicht.
"Die bedingungslose Unterstützung Israels als deutsche Staatsräson", wie ein Politiker einer deutschen Regierungspartei das nannte, geht in Deutschland soweit, dass alle Parteien (auch die AfD !) einen streng pro-jüdischen und pro-israelischen Konsens aufweisen, den es so in keinem anderen Land der Welt auf diese Art gibt.
Und genau das könnte als Demokratiemangel und als Pluralismusmangel das Problem sein, das antisemitischen Terror oder Verbaläußerungen, die als antisemitisch einstufbar sind, mitverursacht.
Denn der Schutz jüdischer Objekte erfolgt in Deutschland wie in Österreich längst schon in einer Intensität, von der andere bedrohte Gruppen und Menschen nur träumen könnten.
D.h. die politische Elite Deutschlands gewährt jüdischen Objekten einen Schutz, den sie anderen Gruppen nicht gewährt, und genau das kann neuen Antisemitismus erzeugen, statt ihn zu bekämpfen.
Wenn ein islamischer Dschihadist einen Christen oder einen nicht-jüdischen Atheisten schwer körperlich verletzt, so wie das mir passierte, z.B. unter Berufung auf den von Erdogan verwendeten Slogan "Die EU ist ein Christenklub, der Muslime ausgrenzt" oder "inspiriert" durch den anti-weissen Rassismus der Gangster-Rap-Gruppe "Public Enemy", dann sind diese Christen oder Atheisten nicht schutzwürdig, denn sie sind ja keine Juden, die laut deutscher oder österreichischer Staatsdoktrin besonders schutzwürdig sind oder im Nationalsozialismus Holocaust-ähnlicher Verfolgung anheimfielen.
Ähnlich sieht es mit der Moderierung und Mäßigung Rechtsextremer aus: während früher die Armee (deutsche Bundeswehr oder österreichisches Bundesheer) Mittel waren, manche Rechtsextreme und Waffennarren zu mäßigen und durch Einbindung zu moderieren, gingen sowohl deutsche als auch österreichische Regierungen dazu über, bei den Armeen eine strikte Politik der Ausgrenzung gegenüber Rechtsextremen zu praktizieren, womit die Armee diese auch nicht mehr mäßigen und moderieren kann.
Es ist wirklich Politikwissenschaft Erstes Semester, dass es die Aufgabe von politischen Parteien ist, Extreme zu moderieren und zu mäßigen. Einzig und alleine deutsche Parteien sind hier anders: keine einzige deutsche Partei mäßigt Antisemiten und rechtsextreme durch Einbindung, und das könnte ein Mitursache für neuen antisemitischen Terror sein.
Aus guten Motiven möglicherweise, aber wie schon Johann Wolfgang von Goethe sagte, "Gut gemeint ist oft das Gegenteil von Gut getan".
Auch ein weiteres Indiz ist bemerkenswert: junge Israelis lachen heute über junge Deutsche und junge Österreicher, die glauben, sich als heutige Teenies und Twens gequält von schlechtem Gewissen über die Zeit des Nationalsozialismus (also vor 80 Jahren) permanent entschuldigen zu müssen.
Wenn die Deutschen etwas machen, dann machen sie es eben oft übergründlich und übertreiben es, bis es dann kontraproduktiven Effekt hat und das Gegenteil des Intendierten bewirkt.
Die typisch deutsche Übertreibung hat in Deutschland Tradition: als Folge des Nationalsozialismus glaubte die politische Elite Deutschland, sich maximal vom Nationalsozialismus abgrenzen zu müssen, und eine Folge davon war die Abschaffung des Gesetzes zur staatlichen Registrierung von Behindert-Geburten, weil man glaubte, darin einen Aspekt des Nazi-Euthanasie-Programms erblicken zu müssen.
Allerdings wirkte sich die Abschaffung dieses Gesetzes, das durch Nazinähe belastet war, katastrophal aus:
denn dadurch könnten Behindert-Geburten wie die Contergan-Kinder nicht schnell erkannt werden als systemisches Problem, und so forderte der Kontergan-Skandal wegen des Fehlens eines als nazistisch betrachteten Behindert-Geburten-Registrierungsgesetzes speziell in Deutschland extrem viele Opfer.
Auch hier wieder Goethe: "Gut gemeint ist oft das Gegenteil von Gut getan".
P.S.: der Täter von Halle dürfte übrigens kein klassischer "Nazi" sein, wie von zahlreichen Medien behauptet, sein, denn indem er den englischen Begriff "Loser", insbesondere für sich selbst verwendete, also die Sprache des "Kriegsfeinds" aus dem zweiten Weltkrieg, tat er etwas für wirkliche Nazis eigentlich ziemlich unübliches.
Auch der Feminismus-Aspekt des Programms klingt eigentlich eher nach Incel (unfreiwillig Zolibatärem) und nicht nach Nazi.
Womit sich die Konstruktivismus-Frage stellt: schaffen Medien eine erfundene Wirklichkeit oder berichten sie die wirkliche Wirklichkeit korrekt ?
Und reagiert die Politik konstruktivistisch auf von Medien geschaffene Scheinwelten ?
Und entsteht die kontraproduktive Wirkung, also die entgegen der ursprünglichen Absicht gerichteten Wirkung, eben weil die Politik nicht auf die wirkliche Welt, sondern auf eine von den Medien geschaffene Scheinwelt reagiert ?
In diesem Sinne könnte auch eine Rolle spielen, dass laut Studien sowohl in Deutschland als auch in Österreich die JournalistInnen-Szenen zu zwei Drittel bis drei Viertel von Rot-Grün-Sympathisanten dominiert werden, die natürlich die "Rechtsextreme Gefahr" überbetonen und die Linksextreme herunterspielen.