Asylantragsobergrenzen: Dummheit, Wählerverarsche, Populismus oder was ?

Von Dieter Knoflach

Die Regierung hat sich mehr oder weniger oder auch nicht darauf geeinigt, eine Asylobergrenzenregelung, bei der gemäß Mikl-Leitner-Version nur 80 Anträge, gemäß Doskozil-Version 80 Anträge pro Grenzübergang bearbeitet werden, einzuführen.

Von manchen Regierungsmitgliedern wird das gerechtfertigt als „Notwehrakt“ dagegen, dass Griechenland EU-Beschlüsse ignoriert. Per „Dominoeffekt“ sollen damit auch die zwischen Österreich und Griechenland liegenden Länder dazu gebracht werden, dasselbe zu tun.

Dazu meine rechtliche Einschätzung: juristisch wird das wahrscheinlich sowieso nicht halten. Der gemäß Mikl-Leitner-Version 81. Antragstellenwollende, der in Spielfeld ankommt oder gemäß Doskozil-Version 161. Antragstellenwollende in Spielfeld oder einem weiteren Grenzübergang, der wirklich gute Asylgründe hat und Verwandte in Österreich, braucht nur in Sentilj, Marburg/Maribor oder Laibach/Ljubljana zu einem Anwalt gehen und ein Verfahren beim EGMR einleiten, der zahlreiche diesbezügliche Beschlüsse aufhebt.

Für die linkspopulistische-rechtspopulistische Regierung Tsipras-Kammenos ist das natürlich ein gefundenes Fressen: Botschafterabberufung, die Behauptung es existiere eine böse Verschwörung des bösen nördlichen Auslands, das Griechenland in ein Straflager verwandeln wolle, Blockadedrohungen, etc. sind wirklich gut dazu geeignet, erstens die EU lahmzulegen, und zweitens die EU-Befürwortung auf ein Mindestmaß sinken zu lassen.

Der österreichisch-griechische Konflikt heizt den Nationalismus sowohl in Österreich als auch in Griechenland an. Und das war ja auch vorhersehbar, weil es vor ein bis zwei Jahren einen ähnlichen deutsch-griechischen Konflikt mit „Merkel=Hitler“-Vorwürfen von Tsipras bzw. den Medien seiner Partei gab. Für die ÖVP mag das ja erträglich bzw. leicht positiv sein, weil sie eine Patriotismus-Heimatliebe-Landliebe-Tradition hat, die eine Art Soft-Version des Nationalismus darstellt, aber für die SPÖ kommt der angeheizte Nationalismus in einen Widerspruch zum programmatischen Internationalismus, falls das SPÖ-Parteiprogramm überhaupt noch gilt, oder durch das ersetzt wurde, was halt gerade die momentanen Meinungsumfragen als zugkräftig ausweisen. Dass Deutschland derzeit 25-mal so viele Asylwerber aufnimmt wie Österreich, obwohl es nur die 10-fache Bevölkerung bzw. 4-fache Fläche hat, beweist, dass Österreich den moralischen Anspruch verloren hat, und unter den Ländern mit hohem BNP pro Kopf keinesfalls mehr das sozialste und großzügigste genannt werden kann.

Problematisch sind das Bild der Zerstrittenheit, das die Regierung bietet und das die (Innen-)Politikverdrossenheit erhöht, und das Bild der Zerstrittenheit, das die EU bietet.

Österreich hat zuerst die großzügigste Asylrechtsinterpretation in ganz Europa gehabt und sich gewundert, dass es mit der Extremposition nicht durchkommt, und dann einen radikalen Kurswechsel vollzogen und wird sich vielleicht auch noch wundern, dass es damit nicht durchkommt. Und gerechtfertigt wird das von Faymann damit, dass man angeblich eine europäische Lösung anstrebe. Wenn man eine europäische Lösung als oberste Priorität anstrebt, ist folgendes wahrscheinlich die beste Strategie: man schaut sich an, was alle anderen EU-Staaten machen, bildet den Mittelwert und macht genau das. Es ist allerdings nicht meine Absicht, immer die europäische Lösung als oberste Priorität anzustreben. Koalitionen der Willigen haben das, was einer europäischen Lösung oft fehlt: Willigkeit. Man macht diejenigen Dinge am besten, von denen man überzeugt ist, nicht unbedingt diejenigen, zu denen man aufgrund von Brüsseler Vorgaben oder europäischen Beschlüssen gezwungen ist und von denen man innerlich nicht überzeugt ist.

Mein Teil-Alternativvorschlag (in Wirklichkeit schwebt mir ein Riesenpaket vor, das auf die Schnelle nicht geschildert werden kann) zur Asylobergrenzenregelung, die juristisch sowieso nicht halten dürfte, wäre: Möglichkeit für Strafrichter, radikal abzuschieben, wenn Asylwerber oder Asylberechtigte schwere Verbrechen begehen, auch in Herkunftsländer, in denen in Landesteilen, aber nicht hundertprozentig Krieg herrscht. Und dann nach drei Jahren Evaluierung der Judikate. Auch wenn manche Naivmenschen und Willkommenskulturextremisten sagen werden, das ähnle Putins Despotismus, hätte das einen disziplinierenden, generalpräventiven Effekt und würde die Asylmissbrauchsquote wahrscheinlich reduzieren (ich kann die Kosten-Nutzen-Rechnung aus der Ferne nicht beurteilen, aber mir scheint die dem selben Zweck dienende Informationskampagne der Innenministerin grundsätzlich eine gute Idee zu sein). Wenn ich mich recht erinnere, dann gibt es in der Genfer Flüchtlingskonvention kein Verbot der Asylrechtsverwirkung durch schwere Kriminalität, falls in den Herkunftsländern neben Kriegsgebieten auch Friedenszonen existieren. So gesehen könnte das vor den entsprechenden Gerichten halten, auch wenn es ziemlich sehr das sein könnte, was der ehemalige VfGH-Präsident Korinek „Spiel an die Linie“ bzw. „Spiel haarscharf auf die Linie“ nannte. Warum sollen nur Politiker ein schweres Leben haben, und nicht auch Höchstrichter bzw. internationale Richter mit Anträgen, die ganz hart im Grenzbereich sind ? Auch diesbezügliches Verfahren ist mir nicht erinnerlich, was bei einer völlig neuen Idee ja auch unmöglich wäre. Es könnte an der Verhältnismäßigkeit scheitern. Es könnte aber auch von der Art und Beschaffenheit der Friedenszonen abhängen.

(Eine weitere Alternative wären schnellere Asylverfahren und unter gewissen Bedingungen konsequentere Abschiebungen von Menschen, deren Asylantrag abgewiesen wurde)

Alternative B wäre die Definition von Verbrechenskatalogen (z.B. Morde, „Ehrenmorde“ an selbstbestimmten Frauen, schwere Körperverletzung und Raubvergewaltigung wie in der Kölner Silvesternacht) für Direktabschiebungen in Teilkriegsstaaten, u.U. mit vorhergehender Haftstrafe. Apropos Übergriffe auf Frauen wie in Köln: ich habe diese fast hundertprozentig genau vorhergesagt, mit dem einzigen „Fehler“, dass ich dachte, es würde in U-Bahnstationen passieren, nicht vor dem Hauptbahnhof. Als Dschihad-Opfer habe ich mich intensiv mit dem Islam und Kulturen im arabisch-türkischen Raum beschäftigt. Aber es ist wie so oft ein Propheten- und Prophetinnenschicksal: auch die antike Kassandra hat man erst ernstgenommen, als es zu spät war.

Ich kann der Position von Vizekanzler Mitterlehner, die Regierungspolitik sei alternativlos, überhaupt nicht zustimmen. Wenn die Regierungspolitik alternativlos wäre, dann wäre Demokratie ja sinnlos, wir könnten aus Kostengründen Demokratie und Parlament abschaffen und eine Diktatur errichten. Gerade die Abschiebung Schwer-Krimineller direkt in Herkunftsländer, wenn dort neben den Kriegsschauplätzen auch stabile Friedenszonen existieren, ist eine Alternative, auch wenn sie bisher noch niemandem eingefallen sein mag. Man kann es als extreme Alternative bezeichnen, als ausgefallene Alternative, aber es ist eine Alternative, eine Alternative für Österreich. Was dem Namen der deutschen Partei AfD sehr ähnelt. Dass die Herrschenden permanent und wiederholt mit angeblicher „Alternativlosigkeit“ argumentieren (Mitterlehner ähnelt hier Angela Merkel), wenn ihnen die sachlichen Argumente ausgehen, ist einer der Gründe, warum die etablierten Parteien zur Zeit zu zerbröseln scheinen.

Den Vogel abgeschossen hat aus meiner Sicht Österreichs angeblicher Kanzler Faymann mit seinem Sager „Das ist politisch, aber nicht juristisch“. Das klingt fast so, als schiene Österreich einen Kanzlerersatz oder Häupllaufburschen im Kanzleramt zu haben, der glaubt, man könne mit rechtswidrigen, leicht anfechtbaren Gesetzen oder Beschlüssen politische Ziele wie Druckausübung auf Griechenland erreichen.

In meinem Ranking der dümmsten Politikersprüche der letzten 50 Jahre belegt Faymann damit (falls keine mir unbekannte und intransparente Begründung existieren sollte) Platz 2 gleich hinter Ronald Reagans epochal-blödem Sager „Ich denke, das Budgetdefizit ist groß genug, um für sich selbst zu sorgen.“ (Ronald Reagan war republikanischer US-Präsident 1980-1988)

Aber damit nicht genug: das Timing, also der Zeitpunkt war dümmstmöglich: gerade in der absolut heikelsten Syrien-Friedenverhandlungsphase, wo es absolut notwendig gewesen wäre, Einigkeit und Geschlossenheit zu zeigen, fangen Österreich und Griechenland einen diplomatischen Krieg an, der die Friedensverhandlungen gefährdet, weil ISIS (Islamischer Staat in Syrien) oder andere die Zerstrittenheit des Nordens als Schwächezeichen und Aufforderung zum Weiterkriegführen sehen können. Jeder andere Zeitpunkt (1 Jahr früher, zehn Jahre früher, ein Jahr später, zehn Jahre später) wäre besser gewesen. Ich kann mich nicht erinnern, einen Medienbericht, dass unser offensichtlich ebenso unerfahrener wie lernfähiger Außenminister dazu etwas sagte, konsumiert zu haben. Soll mich das jetzt wundern oder nicht ? Auch das Wiederaufflammen und Ansteigen der Intensität der Kämpfe in der Ostukraine könnte damit zusammenhängen, dass die Kriegsparteien die durch Faymann und Tsipras verursachte europäische Zerstrittenheit als Quasi-Erlaubnis betrachten, den brüchigen Frieden total zu zerstören.

Ich möchte mich als Österreicher und als Kleinstaatler und früherer Griechenlandurlauber auch im Namen Griechenlands bei allen an den Friedensverhandlungen beteiligten Großmächten für die Regierungen Österreichs und Griechenlands entschuldigen.

Ja, es stimmt, Kleinstaaten bzw. ihre Regierungen agieren manchmal verantwortungslos bzw. erfahrungslos.

Das ist aber auch eine Art Henne-Ei-Problem, bei dem unklar ist, was Ursache ist und was Wirkung: schließen die Großmächte Kleinstaaten von wichtigen Entscheidungen aus, weil Kleinstaaten unerfahren und ahnungslos agieren, oder sind Kleinstaaten unerfahren und ahnungslos, weil sie von den Großmächten bei wichtigen Entscheidungen ausgeschlossen und übergangen werden ? (Im Falle Österreichs kommt noch die Neutralität als eine Art institutionalisierte Interesselosigkeit an manchen Aspekten der Welt und Ahnungslosigkeit alle militärischen Fragen betreffend dazu).

Allerdings ist auch das Verhalten Merkels seltsam: dass Deutschland dem Vernehmen nach selbst Tageskontingente hatte, aber Merkel im Namen Deutschlands die österreichischen Tageskontingente kritisiert, und das genau zum Zeitpunkt der Syrienfriedensverhandlungen, ist auch ein Bild der europäischen Zerstrittenheit und Unlogik, die vom ISIS als Signal zum Weiterkriegführen verstanden werden kann.

Aber das Timing ist nicht der einzige zum Kopfschütteln verleitende Aspekt: ein weiterer ist die sonstige Themenlage.

Gerade in dem Moment, wo der Chef des Wirtschaftsforschungsinstituts WIFO, Karl Aiginger, den Vorschlag macht, Vermögenssteuern zur Halbierung der Steuern auf Arbeit einzuführen, startet eine SPÖ-geführte Regierung (die SPÖ befürwortet ja angeblich Vermögenssteuern) einen diplomatischen Krieg, der alle sonstigen Themen (und damit auch das Vermögenssteuerthema) aus den Medien verdrängt ? Das sieht sehr nach absichtlichem Agenda Setting zur Themenverdrängung aus.

Der Hintergrund dafür dürfte der Deal der SPÖ bzw. der Faymann-Leute mit der Kronenzeitung und den Vermögenssteuern scharf ablehnenden Medienmilliardären aus der Dichand-Familie sein. Seit dem sagenumwobenen Kronenzeitungsbrief, in dem sich Gusenbauer und Faymann verpflichteten, bei gravierenden Änderungen auf EU-Ebene Volksabstimmungen durchzuführen, bestehen enge Beziehungen zwischen den Faymannisten und den Dichands. Schön blöd, wenn man angeblich Vermögenssteuern anstrebt, aber in Wirklichkeit Vermögenssteuern verhindern muss, um die Medienunterstützung der Dichands behalten zu können. Mich würde ja interessieren, was der verstorbene SPÖ- und ÖGB-Politiker Franz Olah, der – ohne sich selbst zu bereichern – Gewerkschaftsgelder dazu verwendete, um zur Kronenzeitungsgründung beizutragen, weil die SPÖ in einem von bürgerlichen Medien dominierten Umfeld einen schlechten Stand hatte, dazu sagen würde. Der linke SPÖ-Flügel hat die Kronenzeitungsgründung ebenso wie eine Zahlung an die FPÖ zum Vorwand genommen, Olah zu entmachten; Olah hatte durch Bescheidenheit und Machtverzicht (er verzichtete auf den Vorsitz der Gewerkschaft Bau-Holz, als er Minister wurde) sich selbst verwundbar gemacht. Die wahren Gründe dürften andere gewesen sein: nämlich, dass er zu proamerikanisch war, dass er zu autoritär war, zu katholisch, zu antikommunistisch, zu wenig frauenfreundlich. Wenn Olah die Partei übernommen hätte, wäre der linke Parteiflügel zur KPÖ abgewandert und die KPÖ wäre über die 5%-Hürde gekommen. Das galt es aus Sicht vieler SPÖ-Granden zu verhindern. Vielleicht hatte aber auch Olah einen wirklichen Fehler gemacht: statt dem linken Parteiflügel ein Parteispaltungsangebot zu machen, strebte er die Macht über die ganze Partei an. Olah hatte auch offen unfähige Apparatschiks in seiner eigenen Partei kritisiert, was diese ihm übelnahmen. Er lehnte das bestehende Wahlrecht ab, und wollte mehr Persönlichkeitswahlelemente oder sogar Mehrheitswahlrecht, was diejenigen, die nur durch das bestehende Wahlrecht in Ämter kommen konnten und durch kein anderes, absolut nicht mochten.

Eine zweite Möglichkeit der Themenverdrängung wäre, dass es den Faymannisten nach dem Politikermotto „Feind-Todfeind-Parteifreund“ darum ging, die Forderung der SPÖ-Bildungsministerin Heinisch-Hosek nach mehr Geld wegen der Notwendigkeit, durch die Flüchtlingsankünfte mehr Schüler und –innen zu betreuen, aus den Medien zu verdrängen, und deswegen die Asylobergrenzendebatte und der österreichisch-griechische Konflikt so dominant gespielt wurde. Gerade mir als ehemaligem Nachhilfelehrer liegt der Schulbereich am Herzen, auch wenn ich in vielerlei Hinsicht einen völlig anderen Blick darauf als Heinisch-Hosek habe. Die Forderung von Heinisch-Hosek, die laut Medienberichten wichtige Aspekte ausspart, hat eine gewisse Plausibilität, aber die Ablehnung bzw. Skepsis des Finanzministers auch. Sind Fachminister Fachidioten, deren Aufgabe es ist, für ihr Ressort mehr Geld zu fordern, ohne an eine dadurch entstehen-könnende Staatsschuldenkrise zu denken ? Wahrscheinlich sind es die Wähler und Wählerinnen, die durch ihr Wissen im Wirtschaftsbereich bestimmen, ob Bereichsminister viel mehr Geld fordern ohne Rücksicht auf Staatsschuldenkrisen oder ein bisschen mehr Geld mit dem Hintergedanken einer Staatsschuldenkrise. Intelligente und gebildete Wähler und –innen erzeugen intelligente und gebildete Politiker und –innen. Gerade in diesem Zusammenhang zeigt sich wieder die ultra-langfristige Wichtigkeit des letztjährigen Wirtschaftsunterrichtserlasses. Was für den Finanzminister spricht und was Heinisch-Hosek laut Medienberichten nicht erwähnt, ist folgendes: laut zahlreichen internationalen Vergleichen steckt Österreich viel Geld in das Bildungssystem, aber laut den internationalen Bildungstests ist der Output / die Produktion des österreichischen Bildungssystems mittelmäßig bis unterdurchschnittlich. Eine der möglichen Erklärungen dafür ist, dass ein Problem der inneren Ineffizienz existiert, das nicht dadurch gelöst werden kann, dass man einfach mehr Geld in das System schüttet. Durch die Behebung der inneren Ineffizienzprobleme im österreichischen Bildungssystem könnten u.U. die Mittel freigespielt werden, die für die Betreuung von Flüchtlingskindern gebraucht werden. Manchen Statistiken zufolge sinkt die Schülerzahl trotz Zuwanderung, was ein Argument gegen Heinisch-Hoseks Budgetforderungen wäre. Ein weiterer Erklärungsansatz wäre, dass die österreichische Pädagogik zu nett und zu wenig streng ist: in diesem Zusammenhang auch folgender Vorschlag: Kürzung oder Streichung von Sozialleistungen, wenn Buben oder männliche Jugendliche mit Migrationshintergrund aufgrund einer kulturellen Pascha-Mentalität es ablehnen, von weiblichen Lehrkräften belehrt zu werden oder Ähnliches, wenn 3 oder mehr Lehrerinnen (oder Kindergärtnerinnen) dies einhellig behaupten.

Aber nicht nur die Verhinderung einer Debatte rund um Aigingers Vermögenssteuer-Vorschlag oder Heinisch-Hoseks Schulenbudget macht die SPÖ unglaubwürdig.

Auch die Tatsache, dass die SPÖ Vorschläge von ÖVP oder ihrem Präsidentschaftskandidaten Khol „Bargeld in die Verfassung“ wochenlang nicht konterte, macht die SPÖ unglaubwürdig. Da Bargeld anonym ist und der Besitzer dem Finanzamt unbekannt, sind Bargeldvermögen gar nicht besteuerbar. Bargeld ist ähnlich wie Bitcoins nicht nur ein Mittel zum Handel mit illegalen Waren (Waffen, Drogen, …), sondern auch ein Mittel zur Steuerhinterziehung. Ohne Bargeldverbot keine (konsequenten) Vermögenssteuern. Kann es sein, dass in der SPÖ niemand intelligent genug ist, diesen Zusammenhang zu erkennen ? Und dass deswegen die ÖVP-Vorschläge nach „Bargeld in die Verfassung“ wochenlang unwidersprochen bleiben ? Ein etwaiges Bargeldverbot würde auch die Registrierkassenpflicht überflüssig machen, die gerade für Kleinunternehmer und gerade für ältere Kleinunternehmer eine große Belastung ist. Zahlreiche Ökonomen bzw. leitende Mitglieder internationaler Banken, wie beispielsweise Peter Bofinger (SPD-nah!) oder Kenneth Rogoff, haben sich für ein Verbot von Bargeld ausgesprochen. Bei meinen Recherchen stieß ich auf die Behauptung, ein Bargeldverbot sei in Österreich ohne Verfassungsänderung unmöglich, weil Bargeld bereits in der Verfassung verankert sei. Ich konnte das auf die Schnelle mit meinen mickrigen Möglichkeiten nicht recherchieren. Auch der FPÖ-Bundespräsidentschaftskandidat Norbert Hofer, hat sich für „Bargeld in die Verfassung“ ausgesprochen, was in einen gewissen Widerspruch zum Anspruch der FPÖ, soziale Heimat-Partei sein zu wollen, kommt, weil Bargeld eben Steuerhinterziehung ermöglicht und soziale Umverteilung durch Vermögenssteuern verunmöglicht bzw. nur teilweise und problematisch ermöglicht. "Bargeld in die Verfassung" hieße eine verfassungsmäßig festgeschriebene Ungleichbehandlung von Vermögensformen. Und das wäre ein Verstoss gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz, weil unterschiedliche Personen unterschiedliche Möglichkeiten habe, Bargeldvermögen zu horten. In der Gastronomie beispielsweise ist es einfacher als in anderen Branchen, Bargeld zu horten. "Bargeldzahlungsmöglichkeitspflicht" als einfaches Gesetz wäre wegen der Branchenunterschiede verfassungsrechtlich anfechtbar, "Bargeld in die Verfassung" scheint dazu zu dienen, diese Anfechtungsmöglichkeit auszuschalten.

Das mit der Themenverdrängung stimmt aber genauso für Griechenland. Die EU-Kommission hat gerade versucht, in Griechenland die Steuerhinterziehung durch Bargeldbesitz zu reduzieren, aber die Syriza von Alexis Tsipras (eine angebliche Linkspartei !), deren Wählerschaft zu geschätzten 40% aus Steuerhinterziehern besteht, hat sich konsequent geweigert, Bargeld konsequent zu verbieten, und es bei einer Art völlig harmlosen Bitte an die griechischen Bürger belassen, die die Griechen nach dem Motto „Na, wenn uns die Tsipras-Kammenos-Regierung nur bittet, die Steuerhinterziehung zu beenden, dann signalisiert sie uns ja wohl, dass wir unverändert weiter den Staat und das Finanzamt betrügen dürfen“ ignorierten. Und um diese Steuerbetrügerfliehenlassung zu vertuschen, kam der Tsipras-Kammenos-Regierung der diplomatische Krieg gegen Österreich offensichtlich gerade recht, weil der das Steuerhinterziehungsthema aus den Schlagzeilen und aus den Medien verdrängt; auch das ist eine Art Agenda-Setting, es stellt sich nur die Frage, ob diese österreichisch-griechische Themenverdrängung zwischen Faymann und Tsipras abgesprochen war.

Selbst, wenn Richtwert 37.500 und Tagesgrenze 80 juristisch sowieso auf schwachen Füssen stehen, und selbst falls wegen dem möglicherweise bevorstehenden Syrien-Frieden sowieso keine Flüchtlingskrise mehr da sein sollte, die man lösen müsste, die Regierungsparteien haben ihr offensichtlich wichtigstes Ziel erreicht: ihre Werte in den Umfragen steigen, während die der FPÖ sinken bzw. stagnieren. Ob das Ganze nachhaltig ist, oder langfristig kontraproduktiv (also langfristig schädlich), wird man sehen. Auch die jüngsten Gemeinderatswahlen (Tirol) sprechen eine andere Sprache als die Umfragen, sind aber auch nur ein Indiz. „Lügen haben kurze Beine“, sagt der Volksmund.

Der Vorschlag von Ostermayer, viel Geld zahlen, um wenig oder gar keine Flüchtlinge nehmen zu „müssen“ ist auch pikant, wenn nicht rechtlich problematisch (ich kann mich nicht erinnern, dass es laut Genfer Flüchtlingskonvention erlaubt ist, sich von der Pflicht zur Aufnahme von Kriegsflüchtlingen, die wirklich gute Asylgründe haben, freizukaufen). Zusätzlich auch hier wieder die Tatsache, dass in manchen Fällen gute und für den Steuerzahler billige Integrationschancen dort bestehen, wo schon Verwandte leben, und das kann in vielen Fällen auch Österreich heißen.

Was auch erstaunt, ist die relative Kritiklosigkeit der Opposition: Eva Glawischnig kritisierte in einer Radiodebatte die Wortwahl und sonst nichts (auch nicht, dass der Vorschlag leicht anfechtbar ist), Peter Pilz sprach in etwa davon, die Grünen müssten „rechter“ werden und die Sorgen der Wähler, die seinem offensichtlichen Gefühl nach immer stärker zu AfD und FPÖ abwanderten, was eine aus seiner Sicht wohl anstrebenswerte rot-grüne Mehrheit verhindert, ernst nehmen.

In einem „Österreich“-Interview kritisierte Glawischnig zwar richtigerweise, dass Obergrenzen nicht gingen, forderte aber einen europäischen Verteilungsschlüssel. Ich zweifle stark daran, dass so ein europäischer Verteilungsschlüssel erstens praktisch durchsetzbar ist und zweitens rechtlich hält. Um einen europäischen Verteilungsschlüssel durchzusetzen, bräuchte es in manchen Fällen Polizei- oder Militärgewalt, um diejenigen zwangsumzusiedeln, die die Verteilungsschlüsselquoten überschreiten. Asylberechtigte mit verfestigtem Aufenthalt, die in einem familiären Umfeld leben, zur Erfüllung der europäischen Verteilungsschlüsselquoten zwangsumzusiedeln, erscheint mir juristisch wackelig zu sein. Glawischnig, angeblich Juristin, bewegt sich hier meiner Einschätzung nach auf dünnem Eis.

Die FPÖ macht in der Flüchtlingskrise das, was sie so oft macht: sie fährt eine Schlummerstrategie, sagt gar nichts zum Thema und wartet nur ab, dass die Regierung sich im Dickicht der realen Probleme verstrickt und selbst-legt. Gudenus kritisiert stattdessen lautstark die islamischen Kindergärten in Wien und die Missstände dort, durchaus mit Berechtigung. Allerdings stehen auch viele der Positionen von Gudenus auf tönernen Füssen, weil die katholischen oder protestantischen Kindergärten, die die FPÖ befürwortet bzw. nicht kritisiert, wegen der Gleichbehandlung der Religionen (der Staatsneutralität zwischen den Religionen) Präzedenzfall und Legitimation der islamischen Kindergärten sind.

Eine meiner Alternativideen wäre: völliges Verbot aller konfessioneller Kindergärten, egal, welcher Religion (oder multikonfessionelle Kindergärten, in denen die Kinder Kontakt mit allen Religionen bekommen, wobei dann auch Atheismus als Quasi-Religion gelten könnte). Damit würde man sich teure und aufwändige, noch dazu laut Medienberichten angekündigte und daher wirkungslose und leicht zu umgehende Kontrollen, die sowieso nur einen klitzekleinen Teil der Missstände entdecken, ersparen.

Eine weitere Möglichkeit (so sage ich als Rand-Katholik) wäre ein Verbot des Kinderkopftuchs und der katholischen Babytaufe, die sowieso nicht durch die Bibel gedeckt ist; in der Bibel ist – wenn ich mich recht erinnere - kein Fall einer Taufe unter dem Alter von 14 erwähnt, aber sehr viele Fälle von Taufen von über 14-Jährigen. Das Urchristentum war eine Entscheidungsreligion, keine Aufzwingungsreligion bzw. Unterwerfungsreligion. Polemisch und übertrieben gesagt: Die totalitären Aspekte im Katholizismus (der durchaus auch positive Aspekte hat) legitimieren wegen der Gleichbehandlung der Religionen bzw. „Religionen“ die totalitären und Unterwerfungsaspekte im Islam.

Auch zu klären wäre das seltsame, heimlichtuerische Treffen von Bundespräsident Fischer, Kanzler Faymann, Vize Mitterlehner, Minister Mikl-Leitner, Doskozil, Landeshauptleute Häupl und Haslauer und VwGH-Präsident Thienel, über das die Medien am 25.2.2016 berichteten. Demokratie bedeutet Öffentlichkeit. Einen Staat, in dem die Bürger nicht erfahren dürfen, welcher Politiker wofür ist, nennt man üblicherweise Diktatur und nicht Demokratie. Intransparenz und Heimlichtuerei praktiziert man üblicherweise, wenn man etwas zu verheimlichen hat. Es sieht so aus, als hätte der Rechtsexperte Thienel die Regierung darüber aufgeklärt, dass Asylantragsrichtwerte und Asylantragsobergrenzen ohnehin rechtswidrig und leicht anfechtbar sind, und als hätte die Regierung, Rechtsexperten ignorierend, trotzdem Richtwerte und Asylantragsobergrenzen beschlossen. Das Volk hat ein Recht auf Information und sollte wissen, was bei diesem Treffen, das verheimlicht wurde, beschlossen bzw. besprochen wurde. (Für mich als Historiker wäre natürlich ähnlicherweise das intransparente, berühmt-berüchtige SPÖ-Grandentreffen, bei dem die „Wahl“ Gusenbauers zum neuen SPÖ-Parteiobmann und Spitzenkandidaten beschlossen wurde, interessant, aber der Nebel der Geschichte dürfte sich schon soweit darüber gesenkt haben, dass öffentlicher Druck unherstellbar ist. Umso interessanter könnten diesbezügliche Memoiren abtretender Bundespräsidenten sein, die vielleicht offenlegen werden, dass sie Gusenbauer nur deswegen zugestimmt haben könnten, weil sie bei anderweitigem Handeln den Verlust der Bundespräsidentschaftskandidatur befürchteten).

Ein mutmaßliches Gespräch bei diesem Treffen wäre wie folgt:

Thienel: Meine geschätzten Herren, diese Richtwerte und Obergrenzen sind juristisch sehr fragwürdig. Wenn man nicht einmal mehr einen Antrag stellen darf, dann sieht das eher nicht nach Rechtsstaat aus. Wenn die Antragsobergrenzen jemals erreicht werden, werden sie sicherlich leicht zu kippen sein.

Faymann: Ja, das weiß ich eh, Herr Präsident, das ist politisch und nicht juristisch. Wenn der Syrienfrieden kommt und die 80er-Grenze niemals erreicht wird, dann wird keinem der Wähler und Wählerinnen, die wir ansprechen wollen, auffallen, dass das juristisch leicht zu kippen sein wird. Drum sage ich ja immer: “Das ist politisch, aber nicht juristisch“.

Häupl: Schaun´S, Herr Präsident, machen Sie Ihre Arbeit und lassen Sie uns unsere machen. Es ist, wie ich immer sage: „Wahlkampf ist die Zeit fokussierter Unintelligenz.“

Thienel: Aber das hat doch irgendwie entfernt den Beigeschmack von Wählerverarsche.

Häupl: Jo, eh, auch mit den manipulierten Umfragen vor der Wienwahl haben wir die Wähler voll verarscht. Die haben Kopf-An-Kopf publiziert, während die SPÖ in Wirklichkeit am Ende 9% voraus war. Aber g´kostet hat uns bzw. den Steuerzahler das einen echten Haufen Geld. Wär´S Ihnen denn lieber, der Strache hätt´ g´wonnen ?

Thienel: Also, ich weiß nicht, da fällt mir die Wahl wirklich schwer.

(Gespräch Ende)

Ich würde Faymann´s „Das ist politisch, aber nicht juristisch“ vielleicht abwandeln wollen zu „Das ist scheißpolitisch, aber nicht juristisch“ oder a la Norbert Blüm zu „Das ist pferdeapfelpolitisch, aber nicht juristisch“.

Kanzlerersatz Faymann behauptet ja, europäische Lösungen anzustreben. Europäische Lösung in der Frage des Frauenpensionsalters bzw. in der Frage des allgemeinen Pensionsantrittsalters hieße, den Mittelwert der anderen Staaten, was das Pensionsantrittsalter der Frauen betrifft, zu ermitteln, und das dann zum österreichischen Pensionsantrittsalter zu machen. Das hieße eine beträchtliche Erhöhung. Wegen des Umlageverfahrens stünden dann Mittel für die Senkung der Lohn- und Einkommenssteuern zur Verfügung. Je mehr die Pensionisten bekommen bzw. je früher sie in Pension gehen, umso mehr müssen die Berufstätigen an Steuern und Lohnnebenkosten abgeben. Statt Arbeit zu entlasten, wie im Vorschlag des WIFO-Chefs Aiginger, wird Arbeit belastet und den Arbeitenden bleibt weniger im Börsel. Und das wird beschlossen von einer Partei, die sich früher einmal die Partei der Werktätigen nannte, während SPÖ heute wohl eher „Sozialistische Pensionisten Österreichs“ oder „Sharia-Partei Österreichs“ heißt.

Auch die Forderung von Faymann und Doskozil, Deutschland solle schnell und direkt Flüchtlinge von Griechenland/Türkei/Syrien nach Deutschland bringen, erscheint mir falsch: der Seeweg (z.B. Istambul-Hamburg) wäre länger als der Landweg, ein Transport per Flugzeug unökologischer. Durch die Schnelligkeit, Leichtigkeit, Direktheit und Automatik würden sich mehr Menschen auf den Weg machen, die Asylmissbrauchsquote würde steigen. Ganz abgesehen davon: Flüchtlinge, die Verwandte in Österreich haben, was die Integration erleichtert und verbilligt, würden ja dann erst wieder von Deutschland nach Österreich kommen, ein neuer Flüchtlingsstromumweg entstünde: erst per Schiff oder Flugzeug von der Türkei nach Deutschland, dann auf welchem Weg auch immer von Deutschland nach Österreich.

Doskozil´s Vorschlag, Kasernen nicht für Flüchtlinge zu öffnen, aber gleichzeitig die Neutralität beizubehalten, erschließt sich mir nicht ganz. Österreich ist gemeinsam mit Schweiz und Liechtenstein eine neutrale Insel, die zu 100% von der NATO umgeben ist. Auch an friedensschaffenden Kriegen beteiligt sich Österreich nicht. Österreich verschiebt die Kriegsabschreckungskosten auf die NATO, aber weigert sich gleichzeitig, großzügig humanitäre Hilfe zu leisten. So gesehen hat Merkel, auch wenn ich als Dschihad-Opfer ihre Aussage „Der Islam gehört zu Deutschland“ als ziemlich unerträglich und beängstigend empfinde, ein starkes Argument auf ihrer Seite: wer Kriegskosten nicht mitträgt, aber von den positiven Kriegsfolgen profitiert (Deutschland hat sich an keinem der Bündniskriege der letzten Jahrzehnte beteiligt, die Kriegskosten auf andere abgewälzt, von den positiven Kriegsfolgen aber profitiert), ist daher quasi verpflichtet, im humanitären Sektor eine größere Last zu tragen. Und ähnliches gilt auch für Österreich. Aber wegen der Neutralität betrachten die Österreicher und –innen es als ihr automatisches Recht, die Kriegskosten auf Andere abzuwälzen, von den positiven Kriegsfolgen zu profitieren, ohne im Ausgleich dafür im humanitären Sektor großzügig sein zu müssen. Das ist keine europäische Politik, sondern eher nationalistischer Chauvinismus. In Österreich existiert eine Art pazifistischer Extremismus, der davon ausgeht, dass es prinzipiell keine positiven Kriegsfolgen geben kann. Man feiert das „Denkmal gegen Krieg und Faschismus“, so als ob Faschismus und Nationalsozialismus ohne den Zweiten Weltkrieg bzw. die Alliierten in dieser Geschwindigkeit beendet hätte werden können. Ähnliches gilt auch für den Irakkrieg, der für Österreich und Deutschland positive Folgen hatte, an dessen Kosten sich Deutschland und Österreich aber überhaupt nicht beteiligten. Der Irakkrieg 2003, der von einer breiten Koalition der Willigen (in EU und USA) getragen wurde, beendete die Irak-Sanktionen, brachte wieder irakisches Öl auf den Markt, was den Ölpreis senkte, bzw. die Ölpreiserhöhung verhinderte. Und dieses irakische Mehr an Öl durch den Irakkrieg kurbelte die Wirtschaft weltweit an, auch in Deutschland oder Österreich. Die Krise von 2008 an wäre ohne den Irakkrieg so gesehen wahrscheinlich schlimmer ausgefallen. Aber für große Teile der österreichischen Linken kann der Irakkrieg ja scheinbar a priori und ideologisch prinzipiell nur böse sein, alleine schon deswegen, weil die hauptverantwortliche Gruppe erstens US-Amerikaner und zweitens Neocons bzw. Republikaner waren. Weitere positive Folgen des Irakkriegs waren die verfassungsmäßige Föderalisierung des Irak, der damit eine Leuchtturmfunktion für Föderalismus in der ganzen Region übernehmen kann, die Beendigung des Terrorregimes von Saddam Hussein (der ein Sunnit war und seine Macht auf Sunniten stützte), der Befreiungsaspekt, insbesondere für Schiiten im Süden (der Iran hat sich übrigens viel zu wenig für die Befreiung der schiitischen Glaubensbrüder im Irak bedankt) und Kurden im Norden, sowie die Beendigung der bis 2003 geltenden UN-Sanktionen im Irak, die für die irakische Bevölkerung extrem hart waren und denen laut zahlreichen Schätzungen mehr Menschen zum Opfer gefallen sein könnten als dem Irakkrieg.

„Unfair burden sharing“ (also ungerechte Lastenverteilung) kann auch argumentiert werden in Bezug auf den Kalten Krieg (ca. 1948-1991). Plausibel ist die These, dass die USA während der Reagan-Administration in den 80er Jahren die Sowjetunion totgerüstet habe und bei den sowjetischen Eliten den Eindruck schaffte, technologisch und wirtschaftlich nicht mehr mithalten zu können, den Wettlauf (auch Rüstungswettlauf) mit den USA aufgeben zu müssen. Die Rüstungspolitik der US-Republikaner in den 80er Jahren war möglicherweise der Grund, warum die Sowjet-Elite einen totalen Kurswechsel beschloss hin zu Gorbatschow, Glasnost und Perestroika. Die Friedensdividende, die aus dem Ende des Kalten Kriegs erwuchs, kam auch und sehr wesentlich westeuropäischen Staaten zugute, die nicht dazu beigetragen hatten, die Sowjetunion totzurüsten. Deutschland hat allerdings im Zuge der deutschen Vereinigung unter Kanzler Kohl großzügige Zahlungen an die Sowjetunion geleistet.

Dem Politikversagen gesellt sich ein Medienversagen hinzu: Armin Wolf, angeblich kritischer beinharter Interviewer beschränkt sich darauf, Doskozil zu befragen, ob die 80er Grenze an einem oder mehrere Übergängen gilt, bemerkt aber nicht, dass es juristisch egal ist, weil es an der Anfechtbarkeit nichts ändert.

Die Fragen, die der angeblich beinharte Interviewer Armin Wolf stellen hätte sollen, aber meiner Beobachtung nach nicht stellte, sind:

„Herr Bundesminister Doskozil, welchen Unterschied macht es überhaupt aus Sicht der leichten juristischen Anfechtbarkeit, ob die 80er Grenze jetzt an einem oder an mehreren Übergängen gilt ?“

„Herr Bundesminister Doskozil, ist der ganze Regierungsbeschluss zu Richtwerten und Asylobergrenzen nicht ohnehin völlig sinnlos, weil wegen der anscheinend bevorstehenden Verhandlungslösung für den Syrienkrieg sowieso nie mehr 80 Syrien-Flüchtlinge pro Tag nach Österreich kommen werden ?“

„Herr Bundesminister Doskozil, ist der Zeitpunkt der Asylobergrenzendebatte nicht saublöd, weil er einen EU-internen Streit auslöst, der von Islamischen Staat in Syrien als Signal verstanden werden kann, die Syrien-Friedensverhandlungen zu torpedieren und den Krieg fortzusetzen ?“

Ein weiteres Medienversagen ist, dass der Standard bzw. der Online-Standard, ein angeblich intellektuelles Medium, das Nationalismus verhindern zu wollen vorgibt, punktgenau in der heißen Phase des österreichisch-griechischen diplomatischen Kriegs die Waldheim-Affäre wieder in Erinnerung ruft (Waldheim, Bundespräsident von 1986-1992, war Oberleutnant in der Heeresgruppe E in Griechenland im Zweiten Weltkrieg) und damit Gefahr läuft, den Nationalismus auf beiden Seiten wieder anzuheizen. Tsipras oder Kammenos könnten die Waldheim-Affäre spielen ähnlich wie die „Merkel=Hitler“-Vergleiche, was die Zusammenarbeit in Europa schwer beeinträchtigen könnte.

Zahlreiche österreichische Medien behaupten, dass die harte Asyllinie der Regierung Wirkung zeige, weil die Zahl der Asylanträge zurückginge. Die Möglichkeit, dass die Zahl der Asylanträge zurückgeht, weil sich ein Syrienfrieden abzeichnet, erwähnen sie nicht.

Ich bin, was Griechenlands Schuldenkrise betrifft, ein Anhänger der These der geteilten Schuld zwischen Griechenland und Deutschland, insbesondere in Anbetracht der Rüstungslieferungen zwischen 1990 und 2008; wofür sowohl rot-grüne als auch schwarz-gelbe als auch schwarz-rote Deutschland-Regierungen die (Mit-)Verantwortung tragen. Andererseits: ohne die schuldenkrisenverursachende griechische Hochrüstung 1990-2008 hätte die Türkei ihre militärischen Expansionsabsichten bzw. ihre militärischen Einflußnahmen möglicherweise auf Griechenland gerichtet, nicht auf Syrien. Griechenlands außenpolitische Think Tanks hatten durchaus Recht, seit 1990 eine Gefahr im Nahen Osten und im Zusammenhang mit Islam bzw. Islamismus zu wittern. All diese Zusammenhänge erwähnen Tsipras und Kammenos nicht; sie erwähnen nicht, dass ohne die Schulden und ohne die Rüstung Griechenland heute möglicherweise teilweise eine türkische Kolonie oder Kriegsschauplatz oder ein Opfer von Erpressungen durch die Türkei Erdogans wäre; sie erwähnen nicht, dass Nea Democratia und PASOK durchaus einige gute Argumente für Rüstungspolitik und damit zusammenhängende Verschuldung hatten. Tsipras und Kammenos schieben alle Schuld auf die Deutschen, seit der Nazi-Zeit ist es wohl in vielen Kreisen eine Art verfestigtes Vorurteil, dass die Deutschen (oder die Österreicher) immer an Allem schuld seien.

Ob das jetzt Dummheit oder Absicht oder mit irgendwem abgesprochen ist, sei dahingestellt, es bleibt nur das Gefühl, in einem Schildbürgerstaat oder einer Schildbürgerunion zu leben, in dem alle Parteien und Medien irgendwie dysfunktional/fehleranfällig zu sein scheinen. Es ist irgendwie wie in dem Buch von Barbara Tuchman: „Die Torheit der Regierenden“.

Dieter Knoflach, Bundesparteivorstand der realpolitischen Sozialdemokratie (die eine parteienbündnisorientierte Partei ist).

P.S.: es erscheint mir ziemlich problematisch, um nicht zu sagen skandalös, dass die Tageszeitung „Die Presse“ zwar ausführlich über die Vereinsgründung der „progressiven Sozialdemokraten“ (die die SPÖ von innen erneuern zu wollen behauptet) Anfang März 2016 berichtete, die sich an Tony Blair orientieren, aber überhaupt nicht über die Gründung der „realpolitischen Sozialdemokraten“ (die eine neue Partei Mitte-Links etablieren wollen) im Vorjahr, die auch Tony Blair als einen ihrer Quasi-Leitsterne betrachten. Und das, obwohl ich die „Presse“ in den vergangenen Jahren mehrmals (auch im Namen der realpolitischen Sozialdemokratie) kontaktierte.

Das sieht fast so aus, als würde die ÖVP-nahe „Presse“ im Auftrag des bzw. in Absprache mit dem Koalitionspartner(s) politische Start-Ups mit aller medialer Gewalt an die Wand drücken wollen. Was sehr problematisch aus Sicht der demokratischen und Parteien-Vielfalt ist. Die Vereinsgründung der „Progressiven Sozialdemokraten könnte dazu dienen, den „realpolitischen Sozialdemokraten“ zu schaden. Aber bitteschön, vielleicht können die Mitglieder dieses Vereins ja ein paar plausible Argumente für ihre Vorgehensweise vorbringen.

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julbing

julbing bewertete diesen Eintrag 04.03.2016 16:44:18

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