Vor dem Brexit-Referendum wiesen alle Umfragen darauf hin, dass eine klare Mehrheit der Briten gegen den Brexit und für den Verbleib in der EU ist.
Und beim Brexit-Referendum kam dann plötzlich eine Mehrheit angeblich für den Austritt aus der EU heraus.
Wie ist das möglich ?
Eine Erklärung wäre, dass erstens der damalige Premierminister Cameron das Referendum missbrauchte für Eigen-PR. So wie er argumentierte, ging es gar nicht um den Brexit, sondern es ging um die Frage, ob er mit der EU nachverhandeln soll, um die Bedingungen, mit denen Großbritannien in der EU bleiben soll, festzulegen. Zusätzlich verknüpfte Cameron seinen Verbleib mit einem Remain-Mehrheit.
Und zweitens gab es zahlreiche Labour-Sympathisanten (darunter auch sehr viele Jungwähler und -innen), die pro-europäisch waren, aber Cameron und die Tory-Regierung ablehnten, die sich dachten, da Referenden in Großbritannien unverbindlich seien und vom Parlament überstimmt werden können, könne man ruhig sich der Stimme enthalten, auch wenn man eindeutig für Remain (also Bleiben in der EU) sei.
Eine gewisse Mitschuld an der Brexit-Mehrheit trägt auch der Labour-Vorsitzende Jeremy Corbyn, der eine eher radikale Opposition gegen die Tories betrieb, und diese vertiefte Kluft zwischen den Parteien machte es vielen pro-europäischen Labour-Mitgliedern und -Sympathisanten schwer, für einen Remain zu stimmen, den der Konservative Cameron für seine Selbstinszenierung gebraucht bzw. mißbraucht hätte.
So kurz und mangelhaft die Ausstiegsklauseln in den EU-Verträgen auch sein mögen, in einem Punkt sind sie klar: es muss ein eindeutiger Beschluss eines Mitgliedsstaates, auszutreten, vorhanden sein.
Aber ein Referendum, in dem es gar nicht eindeutig um den Brexit ging, sondern in dem mehrere Fragen überlagert und vermanscht wurden, entspricht nicht dem, was in den EU-Verträgen als "Beschluss eines Mitgliedsstaates, auszutreten" festgelegt ist.
Eigentlich war die Frage beim Brexit-Referendum: "Sind Sie dafür, dass Großbritannien aus der EU austritt oder sind Sie dafür, dass Premierminister Cameron mit der EU nachverhandelt ?"
Dabei fehlen zahlreiche weitere Optionen, insbesondere wenn man schon das Nachverhandeln anspricht:
"Sind Sie dafür, dass Großbritannien mit unveränderten Bedingungen in der EU bleibt ?"
"Sind Sie dafür, dass ein überparteiliches Verhandlungsteam gebildet wird, das im Falle einer Remain-Mehrheit mit der EU nachverhandelt ?"
"Sind Sie dafür, dass Großbritannien eine Änderungskündigung durchführt, also aus der EU austritt und dann wieder Beitritt unter geänderten Bedingungen beantragt ?"
Alle, die diese letzten drei Fragen bejahten und befürworteten, waren natürlich äußerst unzufrieden, dass ihre Fragen nicht gestellt wurden, dass ihre Lieblingsoption nicht als Antwortmöglichkeit vorgesehen war; und eben deswegen, aus Kritik an der manipulativen Fragestellung und Kampagne, die nur ein Nachverhandeln durch Cameron als Pro-EU-Antwort vorsah und sonst nichts, reagierten zahlreiche dieser mit Boykott, mit absichtlicher Stimmenthaltung, obwohl sie pro-europäisch waren, obwohl sie für Remain gestimmt hätten, wenn Cameron das Referendum nicht so mißbraucht und verdreht hätte.
Mit anderen Worten: die Brexit-Abstimmung war gar nicht valide; sie hat gar nicht gemessen, was sie messen sollte. Diese angebliche Brexit-Abstimmung war eher eine Abstimmung gegen Premier Cameron, als eine Abstimmung über EU-Mitgliedsschaft.
Die EU-Verträge sehen vor, dass das Austrittsabkommen erst nach dem Beschluss, auszutreten, erfolgt; allerdings kann ein Austrittsabkommen so sein, dass es bei einer zweiten Abstimmung ein ganz anderes Ergebnis verursacht, was die erste Abstimmung als völlig überflüssig erscheinen liesse.
Eben deswegen kann man aus dem Ergebnis überhaupt nicht das ableiten, was die EU-Verträge und ihre Ausstiegsklauseln vorsehen, nämlich einen "Beschluss eines Mitgliedsstaates zum Austritt".
Und weil dieses obskure Referendum, das nur am Rande mit der Brexit-Frage zu tun hatte, gar nicht dem EU-vertraglich vorgesehenen Beschluss entspricht, hätten EU-Kommission, EU-Rat und auch die österreichische EU-Präsidentschaft (geführt von unserem ahnungslosen oder mutlosen Kinderkanzler Kurz, der sich vielleicht wegen seiner Jugend oder weil Österreich ein Kleinstaat ist, nicht traute ) dieses Votum gar nicht als Austritts-Beschluss betrachten und akzeptieren dürfen.
Das Brexit-Referendum ist so gesehen ein Nullum, nichtig und juristisch völlig substanzlos und ohne Bedeutung für die EU-Verträge. Die ganzen Verhandlungen und alle Rechtsakte beruhen auf der falschen Einschätzung, dieses aufgrund des Procederes und der Kampagne sehr mangelhafte Abstimmungsergebnis sei ein Volkswillen, auszutreten, während es in Wirklichkeit in vielfacher Hinsicht etwas ganz anderes ist: ein Votum, Cameron loszuwerden, ein Protestakt dagegen, dass zahlreiche Antwortmöglichkeiten nicht gegeben wurden, ein Protestakt dagegen, dass Cameron dieses Referendum zur Selbstinszenierung missbrauchte und eine Personenfrage (nämlich seinen Rücktritt) mit einer EU-Frage vermischte; und eine Austrittsabstimmung ohne dazugehöriges Austrittsabkommen, das die Austrittsbedingungen festlegt, weil ein solches erst nach dem Beschluss, auszutreten, verhandelt werden darf. Das Referendum ohne Details und ohne Austrittsbedingungen ist daher reine Projektionsfläche für Hoffnungen und Befürchtungen ohne irgendwelchen festgelegten kontkreten Bedingungen; das Austrittsreferndum ist Emotion ohne Vernunft und ohne konkrete Bedingungen.
Besser hätte man auch mehrere Fragen gestellen:
"1.) Sind Sie für den Verbleib in der EU ? Ja oder Nein ?
2.) Sind Sie dafür, dass Premier Cameron im Falle eines Verbleibs mit der EU nachverhandelt ? Ja oder Nein ?"
Eine solche Stellung zweier Fragen hätte verhindert, dass zahlreiche pro-EU-Briten wegen Cameron und seinem Referendumsmissbrauch angeblich gegen die EU stimmen oder sich der Stimme enthalten.
Falls es Cameron bei der Brexit-Abstimmung darum gegangen sein sollte, sich die Stimmen der UKIP (UK-independence Party von Nigel Farage u.A.) für die nächste Parlamentswahl zu sichern, dann hiesse das zwei Dinge:
a) das sogenannte Brexit-Referendum hatte nur wenig mit dem Brexit zu tun und ist daher wahrscheinlich kein "Beschluss eines Mitgliedsstaates, aus der EU auszutreten", wie in den EU-Verträgen vorgesehen.
b) das britische Mehrheitswahlrecht scheint die Parteien zu brutalisieren, sie stärker dazu zu treiben, direktdemokratische Instrumente zu welchem Thema auch immer (z.B. Brexit) für die Erlangung oder Erhaltung einer Parlamentsmehrheit zu mißbrauchen. Diese These würde auch darauf hinweisen, dass ein Allparteienkonsens (wie in der Schweiz) in vielen Fragen günstig ist, auch für die Versachlichung und Zweckdienlichkeit von Volksabstimmungen.
CC / z.g. GFDL https://de.wikipedia.org/wiki/Nigel_Farage#/media/File:Nigel_Farage_MEP_1,_Strasbourg_-_Diliff_(cropped).jpg
UKIP-Wortführer Nigel Farage: in Kombination mit dem sehr volatilen britischen Mehrheitswahlrecht Auslöser einer Kettenreaktion, die letztlich zum Mißbrauch eines direktdemokratischen Instrument (nämlich des Brexit-Referendums) für Parlamentsmehrheiten und zu einem politisch-juristischen Super-GAU führte ?
Auch wenn die EU-Verträge, insbesondere die Ausstiegsklauseln, in der Frage des "Beschlusses eines Mitgliedsstaates, auszutreten" klar sind, dass ein solcher vorliegen muss, so wurde die Gelegenheit verabsäumt, die Validitätskriterien von Referenden und Abstimmungen in den Verträgen festzulegen.
Dabei ist dies bei Weitem nicht das erste mal, dass ein solcher Abstimmungswahnsinn passiert, dass ein völlig anderes Abstimmungs-Ergebnis behauptet wurde, als den wirklichen Motiven entspricht.
Auch bei der österreichischen AKW-Zwentendorf-Abstimmung verknüpfte der damalige Kanzler Kreisky seinen Rücktritt mit einem negativen Ausgang. Zahlreiche ÖVP-Wähler und -sympathisanten haben damals (1979), obwohl sie für Atomkraftwerke und für Zwentendorf waren, entweder dagegen gestimmt oder sich der Stimme enthalten, in der Hoffnung, auf diese Weise Kreisky loszuwerden, der im Nein-Fall seinen Rücktritt angekündigt hatte, diese Ankündigung aber nicht wahr machte.
Auch die dänische Maastricht-Abstimmung 1992 , die mit Nein ausging, wurde wiederholt, und es kam ein Ja heraus. Es ist völlig unplausibel, jetzt auf dem angeblichen Brexit-Votum zu beharren, obwohl es kein wirkliches ist, und eine zweite Abstimmung auszuschliessen, während man im Falle des französischen Maastricht-Votums und ähnlicher sehr wohl Wiederholungen machte.
Im krassen Widerspruch zu den zahlreichen Referendums-Wiederholungen steht die jetzige Tendenz, ein Referendum über das Austrittsabkommen wegen angeblichem Zeitmangel auszuschliessen. Wobei die langen Verhandlungen wohl ausschlaggebend waren, dass nun so ein "Zeitmangel" besteht.
CC BY SA 3.0 / Chris McAndrew https://de.wikipedia.org/wiki/Jeremy_Corbyn#/media/File:Official_portrait_of_Jeremy_Corbyn_crop_2.jpg
Labour-Vorsitzender Jeremy Corbyn machte es zahlreichen Labour-Mitgliedern und -sympathisanten durch seine Fundamentalopposition schwer, für ein Cameron begünstigendes Remain zu stimmen.
Vielleicht dachte Corbyn auch, ein Brexit sei die einzige Möglichkeit für ihn, den beliebten Cameron loszuwerden und selbst Premier zu werden. Vielleicht hegt er die Hoffnung, das Brexit-Referendum könne wie das dänische Maastricht-Referendum wiederholt werden, vielleicht heuchelt er diese Hoffnung aber auch nur, um zu verbergen, dass es ihm eigentlich darum ging, Cameron loszuwerden.
Eines der Hauptwahlkampfthemen Corbyns ist die "Bekämpfung der Steueroasen" (z.B. die Kanalinseln Jersey und Guernsey), die besonders bei jungen Leuten beliebt ist. Das Schlimmste wäre für Corbyn wahrscheinlich folgendes gewesen: Cameron ist mit seinem Remain-Referendum erfolgreich, verhandelt mit Brüssel (dem diese beiden Kanalinseln wegen ihrem exterritorialen Status auch ein Dorn im Auge sind) nach, und Cameron kommt dann mit dem Ergebnis "Ich konnte die Indexierte Kinderbeihilfe und anderes durchsetzen, aber den Sonderstatus der Kanalinseln nicht" nach Lobdon zurück. Dann kann Corbyn wahrscheinlich einpacken, weil er sein Hauptwahlkampfthema verliert; dasss die Tories weiterregieren, wäre dann auf lange gesichert.
Seine Vorgangsweise ist wahrscheinlich ähnlich unehrlich wie die von Cameron, die Verbleibs-Frage mit seiner Person zu verknüpfen und aus dem Brexit-Referendum ein "Soll Cameron mit der EU nachverhandeln?"-Referendum zu machen.
Cameron ist wenigstens Geschichte und musste zurücktreten, was Corbyn eigentlich auch hätte müssen.
Chris Keelty ?
Nein, die Briten sind - anders als dieser Uni-Witz besagt - nicht am Rinderwahnsinn erkrankt, um mit Nein-Zur-EU zu stimmen.
Ihre Abstimmungsverhalten war relativ rational, nachdem die Eliten beider britischer Großparteien das Referendum mißbrauchten und ein oder mehrere ganz Andere daraus machten: eines um die Person Camerons, eines um das Nachverhandeln, etc.
Dieser Demokratiemißbrauch, diese Wählerverarsche, die immer wieder mit Volksbefragungen und Volksabstimmungen (zum Beispiel auch mit der sogeannten Wehrpflichtvolksbefragung in Österreich) betrieben wird, ist auch ein Aspekt, der die Politikverdrossenheit erhöhen kann, und die Diktaturbefürwortung.
Siehe auch:
(Laut meinen Umfragen in Jungsoldaten- und Zivildienerkreisen gibt es Unmut darüber, dass sie heute betroffen sind, aber damals, als sie 13 waren, nicht stimmberechtigt waren; Fälle, dass Eltern ihren Kindern zuliebe gegen Wehr-/Zivildienstpflicht stimmten, konnten sich nicht finden. Kritik an der zwei-Fragen-vermanschenden Fragestellung gab es unter den Betreffenden nicht)
https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/fuehren-schrott-eu-vertraege-zu-chaos-brexit-53711
Artikel 50 des Vertrags über die Europäische Union
(Artikel 50 ist die Austrittsklausel mit der Formulierung "Ein Mitgliedsstaat, der auszutreten beschliesst ..."; genau um die Frage, ob ein derart mangelhaftes Referendum ein Austrittsbeschluss gemäß Vertrag sein kann, geht dieser Blog)
Wie gerade heute bekannt wurde, wurde Johannes Voggenhuber sowas wie der EU-Spitzenkandidat der Liste "Pilz-Jetzt-Vorbei" oder wie sie halt gerade heisst.
Das ist in mehrerlei Hinsicht interessant:
erstens war Johannes Voggenhuber viele Jahre lang EU-Parlamentarier, sogar Fraktionsführer und Spitzenkandidat seiner Partei, und hat überhaupt nie Kritik an den Mängel der EU-Verträge in Hinsicht auf die Ausstiegsklauseln geübt, vielleicht deswegen, weil er eine juristische Null ist, vielleicht deswegen, weil er, außer Faschismushysterie zu verbreiten, nichts kann;
zweitens hat Voggenhuber in ORF-Interviews behauptet, die Briten würden quasi als Lakaien des US-Imperialismus nur deswegen in der EU sein, um die Vertiefung zu sabotieren, was wiederum möglicherweise ein Grund für die Briten war, für den Brexit zu stimmen, ebenso wie Konflikte zwischen Blair und Chirac-Schröder im Irakkrieg.(Einer der wenigen positiven Aspekte des Brexit ist, dass dadurch Verschwörungstheorien wie die Voggenhubersche widerlegt werden)
Drittens war Voggenhuber auch immer einer, der Politik für Persönliches mißbrauchte, ebenso wie Cameron und Corbyn. Seine Devise "Spitzenkandidat oder Rückzug" wurde von vielen als Erpressung empfunden.
Viertens passt seine Fundamentalopposition ("Rechte Dämonen" und so) sehr zu Jeremy Corbyn, der damit zahlreiche seiner Sympathisanten und Wähler in die Irre führte.
https://oe1.orf.at/player/20190204/542581
Generell wäre es vielleicht an der Zeit, direktdemokratische Instrumente zu kategorisieren nach ihrer Problematik, z.B. ob und wieviele damit zusammenhängende Mißstände schon vor der Abstimmung absehbar waren, ob Personenfragen mit Sachfragen vermischt werden, z.B. ob zwei Fragen und Themen überlagert werden (wie bei der österreichischen Zivildienstbefragung 2013, die vom steirischen Landeshauptmann Franz Voves kritisiert wurde) oder nicht.
Jetzt kommt die Quintessenz, die alles relativieren könnte: auch, wenn der ganze Brexit-Prozess juristisch fragwürdig ist, weil die Fehler des Referendums eigentlich verbieten sollten, die sogenannte Brexit-Abstimmung als "Beschluss eines Mitgliedsstaates, aus der EU auszutreten" einzustufen, so könnte die Frage der zu niedrigen britischen Nettobeiträge zum EU-Budget eine Rechtfertigung dafür darstellen, gleichsam EU-vertragswidrig zu handeln.
Einerseits ist der sogenannte "Britenrabatt" geringer als zu Zeiten von Margaret Thatcher in den 1980er Jahren, aber damals war das britische Pro-Kopf-Bruttoinlandsprodukt auch einiges geringer als das kontinentaleuropäische. Dass in Großbritannien die Landwirtschaft eine geringere Bedeutung hat als in Frankreich oder Deutschland und das EU-Budget lange landwirtschaftssubventionsdominiert war, ist durchaus ein Argument für niedrigere britische Beiträge, aber selbst bei Einrechnung eines britischen Landwirtschaftsmangelsrabatts dürften die aktuellen britischen Nettobeiträge zum EU-Budget zu niedrig sein, insbesondere wenn man einige Bevorzugungen Großbritanniens betrachtet, die Opt-Outs, die Sonderregelungen mit Kinderbeihilfe, die Steueroasen z.B. auf den Kanalinseln, etc.
Seltsamerweise wurde das von niemandem explizit gesagt, soweit ich das beurteilen kann.
Der faktische Ausschluss Großbritanniens aus der EU mag vielleicht juristisch fragwürdig sein, aber finanziell und was den "europäischen Geist" betrifft, gibt es für diese Vorgangsweise durchaus eine seltsame Rechtfertigung. Allerings hat dieser Ausschluss auch etwas präventives: Großbritannien wird praktisch ausgeschlossen, weil der erhärtete Verdacht besteht, dass es (sowohl Politiker als auch Medien) sich in Zukunft nicht besonders europäisch verhalten wird, auch wegen der Privilegierung durch das Vetorecht im UNO-Sicherheitsrat (das allerdings Frankreich genauso hat, und durch den Wegfall des britischen Vetos in der EU erhält Frankreich ein Vetomonopol, das sehr problematisch und korrumpierend werden kann, frei nach dem Spruch von Lord John Acton "Macht tendiert dazu, zu korrumpieren, etc." ).
Aber zurück zum Präventivelement: Großbritannien, USA und die Koalition der Willigen, die auch halb Europa umfasste (darunter Tschechien, Italien, Spanien, Polen, etc.) führte mit dem Irakkrieg von 2003 einen Krieg, der vielfach als präventiv eingestuft wird, wegen der Gefahr, dass Saddam Hussein und sein Herrschaftssystem nach Aufhebung der angedachten Sanktionen wahrscheinlich wieder die Massenvernichtungswaffen besorgt und eingesetzt hätte, die es mehrfach, z.B. gegen Kurden und Schiiten in der Vergangenheit eingesetzt hatte.
Der Vorwurf des illegitimen Präventivkrieges speziell an Großbritannien kam damals besonders intensiv aus Deutschland, Frankreich und Österreich, die jetzt einen präventiven Ausschluss GBs aus der EU tätigen, der juristisch genauso fragwürdig war wie die völkerrechtliche Grundlage des Irakkriegs.
Man kann den de-facto-Ausschluss Großbritannien daher auch als nachträgliche Legitimierung des Irakkriegs betrachten, auch weil beide stark auf präventiven Elementen beruhten.
Der de-facto-Ausschluss weist auch auf ein EU-Problem hin, nämlich dass gewisse Fragen in Zusammenhang mit der EU offenbar nicht demokratisch abhandelbar sind, weil die Sprachbarrieren zu groß sind, weil es keinen europäischen Demos (Volk) gibt, wie der Philosoph Rudolf Burger sagte.
Die ausgleichende Ungerechtigkeit, wegen einer demokratisch und rechtsstaatlich nicht verhinderbaren Privilegierung Großbritanniens zu einer EU-vertragswidrigen oder vertraglich bedenklichen Praxis greifen zu müssen, ist ein Indiz dafür, dass die EU ein Elitenprojekt ist, das von den Völkern nicht oder nur schwer verstanden werden kann.