Ich schaue mir gerade die ORF-Sendung "Im Zentrum" zum Bundesheer an und kann irgendwie nichts anders, als erstaunt zu sein von der weitgehenden Weltfremdheit praktisch aller Gesprächsteilnehmer.
Die von der einen Seite geforderte Aufrüstung einer neutralen Armee in einem Land, das überhaupt nicht bedroht ist, weil es von einem NATO-Schutzschirm umgeben ist, ist völlig sinnlos, auch und insbesondere, wenn Österreich sich von internationalen Einsätzen zurückzieht, so wie am Golan geschehen.
Andererseits ist auch Friedenspolitik und Verhandlungspolitik, wie von der Ex-Grün-Politikerin Grandits gefordert, keine Perspektive, auch und ganz besonders bei einer FPÖ-Regierungsbeteiligung. Österreich war einige Male in der Geschichte Konferenzstandort (zum Beispiel beim Treffen Chruschtschow-Kennedy in Wien), aber das angebliche österreichische Verhandlungsgenie, das alle Probleme der Welt löst, weil die Welt dazu selber nicht imstande ist, ist eine parteipropagandistische Überhöhung. Verhandlungsdurchbrüche erfolgen oft auch wegen des militärischen Drucks, den eine Großmacht macht. Und Österreich preist sich zwar, z.B. im Nahen Osten ein gerngesehener Verhandler zu sein, aber je mehr z.B. Kreisky sich den Palästinensern annäherte, umso unakzeptabler wurde er für die Israelis. Außerdem fanden entscheidende Verhandlungen im Nahost-Zusammenhang in Oslo statt, also einem NATO-Land und nicht in Wien.
Gerade Österreich mit seiner Vergangenheit als Geburtsland von Adolf Hitler ist gut geeignet für Shock&Awe-Strategien, für Militäreinsätze.
Und Österreich als katholisches Land ist auch gut geeignet, um in Ländern zu intervenieren, die ebenso katholisch sind, bzw. einen großen katholischen Bevölkerungsanteil haben.
Und genauso wie Österreich den UNO-Migrationspakt nicht ratifiziert, sollte Österreich auch ohne Rücksicht auf den UNO-Sitz und irgendwelche Zu-Tode-Fürchtereien in diesem Zusammenhang an unilateralen Militärinterventionen teilnehmen oder dazu zumindest bereit sein, also an Militärinterventionen, die entgegen dem Veto einer der fünf Vetonationen des UNO-Sicherheitsrats (USA, GB, F, R, Ch) erfolgen.
Gerade die Flüchtlingskrise wäre eine Möglichkeit gewesen, etwas Sinnvolles mit einem Militär zu machen: Österreich könnte an einer Intervention teilnehmen, die ein Mindestheiratsalter von 18 Jahren erzwingt und bestehende Heiratsalter von 14 Jahren oder darunter verhindern, weil gerade diese Konstellation in vielen Ländern zu Bevölkerungsexplosion und Flüchtlingswellen führt und auch weiterhin führen wird, wenn man nichts unternimmt.
Das wäre endlich einmal Offensiv-Verteidigung statt dem zum Scheitern verurteilten Versuch, durch Verspielen von Zeit und Verstreichenlassen der Fenster der Gelegenheit (der "Windows of Opportunity" ) Probleme zu lösen, die so nicht zu lösen sind.
Man muss das Feuer dort löschen, wo es brennt, aber nicht dort, wo die Rauchschaden hinziehen.
Und der verzweifelte Versuch, eine Überbevölkerungskrise der 21. Jahrhunderts mit einer Abschottungsstrategie des 19. Jahrhunderts zu "lösen" ist genau die Rauchschwadenlöschung, die die österreichische Politik andauernd betreibt.
Der Krieg der Kulturen kennt keine offiziellen Kriegserklärung und er läuft schon längst, während die Politik, die Medien und viele Bürger schlafen, egal in welcher Form von Weltfremdheit sich dieses Schlafen äußert, ob in Form einer Pazifismusfantasie, oder in Form einer Abschottungsfantasie.
Wenn Österreich die Neutralität beibehalten will, dann macht das Bundesheer keinen Sinn, und diesbezügliche Ausgaben sind völlig sinnlos.
Wenn Österreich ein sinnvolles Bundesheer haben will, und nicht nur eine Beamtenarmee oder eine Sportsoldatenarmee, dann muss die Neutralität beendet werden !
Siehe auch:
https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/aleppo-luftbruecke-oder-totalevakuierung-24379
https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/krieg-funktioniert-wirtschaftssanktionen-nicht-46794
Die österreichische Armee, so wie sie sich am Nationalfeiertag, der eigentlich ein Nationaltrauertag ist, präsentierte, ist halb zivile und unmilitärische Organisation mit Zivilfahrzeugen und halb Schrottarmee mit veralteten Waffensystemen, und das ist auch logisch, weil Österreich aus der Perspektive des klassischen Territorialverteidigungskrieges überhaupt keine Armee braucht und weil Österreich durch die Neutralität daran gehindert ist, mit seiner Armee irgendetwas sinnvolles zu machen.
Alle diesbezüglichen Versuche in den letzten 70 Jahren sind gescheitert und sie mussten auch scheitern.
Kein Wunder, dass der Stratege und General Theodor Körner, der auch SPÖ-Bürgermeister und Bunudespräsident war bzw. seine Statue sich hinter Schildern, z.B. zur "Game City" vor lauter Scham versteckt.
Und in diesem Zusammenhang braucht Österreich auch ein Berufsheer: da der Verteidigungsfall nicht möglich ist, für den Wehrpflichtssoldaten maßgeschneidert sind, sondern nur Auslandeinsätze, da komplexe Aufgaben wie Auslandseinsätze Profis erfordern ebenso wie moderne Waffensysteme, muss Österreich die völlig verunglückte Wehrpflicht-Volksbefragung rückgängig machen, und die Dubiosität der Überlagerung zweier getrennter Fragen liefert dafür Handhabe:
(Copyright aller Fotos: D. Knoflach)