Bundespräsidentenrechte beschneiden ? Wahl durch Parlament oder durch Volk ?

Es gibt eine Debatte um die Rechte des Bundespräsidenten.

Laut Verfassung kann der Bundespräsident in etwa den Nationalrat auflösen, die Regierung einsetzen und absetzen, den Regierungssitz verlegen, etc.

http://derstandard.at/2000054480330/Praesidenten-Kompetenzen-Van-der-Bellen-wuenscht-sich-All-Parteien-Konsens

https://kurier.at/politik/inland/osze-lobt-bundespraesidentschafts-wahl/253.205.485

https://kurier.at/politik/inland/dem-bundespraesidenten-rechte-wegnehmen-kein-vorteil-fuer-das-staatsgefuege/252.808.803

Ein Argument dafür, das Recht des Bundespräsidenten, den Nationalrat aufzulösen wäre, dass es Wahlen und Wahlkämpfe planbarer macht. Ein Bundespräsident kann seiner Partei einen Startvorteil verschaffen, indem er sie als erste informiert, bzw. mit ihr abspricht, Neuwahlen zu verursachen.

Ein zweites Argument wären die Interpretationsschwierigkeiten: ob und inwieweit der Präsident nur im Einklang mit der Regierung handeln kann, ob der Begriff des "Ernennens" (vom Kanzler und Ministern) ein Recht ist, das eigenständige Auswahl bedeutet, oder eine Pflicht, ein protokollarischer Staatsnotar-Akt, und der Präsident den Vorgaben der Parlamentsmehrheit folgen muß.

Es gibt auch zwei Denkschulen, was die Ernennung von Kanzler und Ministern betrifft: die eine vertritt die Meinung, der Bundespräsident sei völlig frei bei Ernennung von Kanzler und Minister, die andere Denkschule vertritt die Meinung, der Bundespräsident sei an die Parlamentsmehrheit gebunden.

Ein Grenzfall des letzeren war der Knatsch 2000, als Klestil eine rot-schwarze Regierung bevorzugte, während sich im Parlament ÖVP und FPÖ auf eine Regierungsbildung geeinigt hatten.

Also selbst, falls Präsident und Parlament der zweiten Denkschule angehören (Bindung an die Parlamentsmehrheit), so stellt sich die Frage: Bindung an welche Parlamentsmehrheit ? Die Parlamentsmehrheit, die der Bundespräsident favorisiert, oder die Parlamentsmehrheit, die sich aufgrund der Parteienvereinbarungen ergibt ? Sowohl die vom Bundespräsidenten Klestil im Jahr 2000 favorisierte Konstellation SPÖ-ÖVP als auch die sich im Parlament ergebende Konstellation ÖVP-FPÖ hatte eine Mehrheit. Die Verfassungsrechtler-Formulierung "Der Bundespräsident muß bei der Regierungsbildung auf die Mehrheitsverhältnisse im Parlament Rücksicht nehmen" bezieht sich offensichtlich eher auf absolute Mehrheiten.

Jedenfalls bedeuten präsidenzielle Rechte ein Machtkonzentration. Und genau diese Machtkonzentration macht heimliche und intransparente Absprachen, Erpressungen und/oder Intrigen so interessant.

Anders, als Ex-BP Heinz Fischer behauptet, hat es keinesfalls immer in den letzten 72 Jahren den Eindruck gemacht, als würde die Präsidentschaftswahl in Volkswahl entschieden:

1.) Die Präsidentenwahl 1951, bei der überraschend Theodor Körner zum Bundespräsidenten gewählt wurde, war möglicherweise eine arrangierte Wahl. Die Kanzlerpartei ÖVP hatte sich in den Staatsvertragsverhandlungen festgefahren, und den Anti-Stalinismus, den sie gezeigt hatte (z.B. in Reden), hatte sich in den Staatsvertragsverhandlungen negativ bemerkbar gemacht, sodass es möglich erscheint, dass die ÖVP, um den Staatsvertrag und die Unabhängigkeit Österreich zu bekommen, absichtlich die Wahl verlor, weil Körner bzw. die gesamte SPÖ einen besseren Draht zur Sowjetunion hatte.

2.) Bei der zweiten Wahl von Klestil 1998 hatte die SPÖ keinen Kandidaten nominiert. Es gab Gerüchte über eine heimliche Absprache "SPÖ verzichtet auf Kandidaten gegen Klestil, dafür verpflichtet sich Klestil, nach der nächsten Nationalratswahl einen SPÖ-Mann zum Kanzler zu machen". Demokratiepolitisch wäre das wohl äußerst bedenklich, weil beide Wahlen, bzw. ihre Ergebnisse dann schon im Vornherein durch Teile der politischen Elite vorabvereinbart wären. Aus Kostengründen kann man dann einfach die Wahl bzw. die Wahlen streichen und die politischen Eliten entscheiden lassen. Bei den Wahlen BP1998 und NR1999 gibt es auch keinen überzeugenden Grund gleich dem Staatsvertragserhalt 1955, die Wahlen von Vornherein abzusprechen bzw. zu manipulieren. Bei Klestil kam noch dazu, dass er in seinem ersten Wahlkampf mithilfe einer schwarz-blauen Mehrheit gewählt wurde, nachdem er gesagt hatte, die FP ist regierungsfähig, während er sich im Jahr 2000 mit Zähnen und Klauen gegen eine FPÖ-Regierungsbeteiligung wehrte. Dadurch wurde Klestils Glaubwürdigkeit und seine Durchsetzungsfähigkeit schwer beschädigt, die Politikverdrossenheit erhöht. Auf jeden Fall soll Klestil Berater hinzugezogen haben, die ihm rieten, eine reine Beamtenregierung ohne aktive Politiker zu bilden. Klestil sei im ersten Moment von diesem Vorschlag begeistert gewesen (wahrscheinlich auch wegen seiner Ablehung der politischen Intrigen und Deals, in die er selbst verwickelt war), habe sich dann aber doch anders entschieden.

Zur OSZE und der Wahlprüfung: die OSZE prüfte nur die letzte Wahl, sie prüfte insbesondere nicht den ersten Wahlgang. Der besonders problematische Aspekt am ersten Wahlgang waren die falschen Umfragen, die mutmaßlich zahlreiche taktische Wähler in die Irre führten: "Wenn die Medien und die Umfragen sagen, dass Irmgard Griss sowieso keine Chance hat, in die Stichwahl zu kommen und Norbert Hofer zu besiegen, dann wähle ich lieber Alexander Van der Bellen, obwohl mir eigentlich Griss am liebsten wäre".

Reihungswahlrecht a la Condorcet, Schulze oder Borda wäre hier besser.

https://de.wikipedia.org/wiki/Borda-Wahl

https://de.wikipedia.org/wiki/Schulze-Methode

http://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10000138

https://de.wikipedia.org/wiki/Thomas_Klestil

(Thomas Klestil)

Wenn sowieso viele "unechte", teure Volkswahlen bestehen, bei denen einige Politiker, Medien oder Umfrageinstitute den Ausgang vorabsprechen und vorentscheiden, dann stellt sich die Frage, ob es das überhaupt wert ist; ob man nicht besser zu einer Wahl des Bundespräsidenten durch das Parlament wie in Deutschland übergehen sollte.

Auch das Wahlchaos des Jahres 2016 ist ein Argument dafür. Hierbei geht es nicht nur um die gemäß §263 StGB gesetzwidrige "Täuschung bei einer Wahl" durch manipulative Meinungsumfragen, sondern auch um die Wiederholungen. Möglicherweise hat die kurioserweise ohne Namensänderung privatisierte Staatsdruckerei, die teilweise Miteigentümer hat, die dem LIF bzw. den NEOS nahestehen, absichtlich unbrauchbare Stimmzettel gedruckt, um dagegen zu protestieren, dass die LIF- / NEOS-nahe Kandidatin Irmgard Griss durch manipulative Umfragen illegal aus dem Rennen geworfen wurde. Die vielen Möglichkeiten, eine Volkswahl zu manipulieren und z.Z. auch illegal oder per Intrige zu beeinflussen, führen zu einem ganz schlechten Klima zwischen den Parteien, was einer Demokratie schweren Schaden zufügen kann. Angeblich ist Österreich ja eine Konsensdemokratie, aber so abgründig und undurchschaubar, wie wir Österreicher und -innen eben sind, lauert hinter dem Zuckerguss der Konsensdemokratie das schwarze Loch von Intrige und Gesetzlosigkeit.

In anderen Demokratien ist die Publikation von Meinungsumfragen in den letzten zwei Monaten bzw. im letzten Monat vor einer Wahl verboten.

Und wenn man schon das Recht des Präsidenten kübelt, den Nationalrat aufzulösen und vorgezogene Neuwahlen zu verursachen, dann könnte man auch gleich das Recht des Parlaments kübeln, vorgezogene Neuwahlen auszulösen.

Ein fixer Wahltermin wie in den USA macht Wahlen und Wahlkämpfe besser planbar, besser voraussehbar für alle Parteien, sodass keine Partei bzw. keine Parteiengruppe gegenüber einer anderen Partei, bzw. anderen Parteiengruppe bevorzugt ist. Man spricht in diesem Zusammenhang von "Überrumpelungswahlen", wenn manche Parteien die anderen Parteien überrumpeln, was die vorgezogene Neuwahl betrifft.

In Deutschland sind vorgezogene Neuwahlen zwar auch möglich, sie sind aber juristisch komplizierter und daher auch wesentlich seltener.

Fliegender Wechsel ohne Neuwahl könnte natürlich erlaubt sein bzw. bleiben, wenn man vorgezogene Neuwahlen verbietet. Unter "fliegendem Wechsel" versteht man einen Regierungswechsel ohne Wahl während einer laufenden Legislaturperiode.

Siehe auch:

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/unser-extremismusfoerderndes-und-manipulationsanfaelliges-praesidentenwahlsystem-18790

https://www.fischundfleisch.com/dieter-knoflach/sollen-vorgezogene-neuwahlen-verboten-werden-31028

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